Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

30 die kleinen Hände waren über die Brust „Es unterliegt keinem Zweifel, gnä¬ gefaltet. Eine Flechte hatte sich gelöst und diger Herr,“ sagte er, „daß die Gräfin das dunkle glänzende Haar hing aufge¬ schon lange an einer Herzkrankheit ge¬ löst über dem Kissen. Auf der Erde aber litten, deren Vorhandensein sie entweder lag ein kleines Fläschchen, das der Hand selbst nicht geahnt, oder, um Ihnen die der Toten entfallen. Sorge zu ersparen, verheimlicht hat. Ein Schrei des Entsetzens entfuhr den Wollen Sie die Leiche untersuchen lassen, „ Lippen des Grafen. Er ergriff das Flasch¬ so kann die Wahrheit bestätigt werden.“ chen und verbarg es, damit kein anderer Diese Worte verfehlten die beabsichtigte Blick es erschaue. Er rief die Diener, er Wirkung nicht. Schnell verbreitete sich die befahl den Arzt. Trauerkunde, und ehe der Abend herein¬ . — 8 S S 225 4 □ — 825 20 21 2 M Dann aber beugte er sich, tief auf¬ brach, wiederholte man überall, wie die schluchzend, über die Tote; er hob ihr schöne Gräfin ein schweres Herzleiden schönes Haupt in die Höhe und nahm die aus Liebe zu ihrem Gatten verheimlicht, schweren Juwelen von Hals und Armen wie aber die Aufregung und Anstrengung Er rief sie mit den zärtlichsten Namen der des Balles zu viel für sie gewesen und Liebe— umsonst, sein Weib kehrte nicht der Tod sie ereilt. mehr in das Leben zurück. Ihr Geheimnis starb mit ihr; selbst zu Der Arzt trat ein, mit ihm die Dienerin ihren Eltern, die auf die Todesnachricht der Gräfin. Nach einigen Fragen an das herbeieilten, sprach der Graf kein Wort. Mädchen über den früheren Gesundheits¬ Es war ein heiterer, klarer Morgen, zustand ihrer Herrin wandte er sich an an dem die sterblichen Ueberreste der den Grafen. Gräfin zur Ruhe bestattet wurden. Ihrem

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