Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

28 daß in ihm damals die unglückliche Erna von Arnstein ertrunken sei. Zahllose Wasserlilien wiegten sich an seiner Ober¬ fläche; die Ufer waren hoch, aber einige breite Steinstufen führten hinunter bis an den Rand des Wassers zu einem kleinen Kahn, der dort angebunden lag. Die beiden Freunde hielten fast gleich¬ zeitig die Pferde an. „Es ist ein lieblich schöner Ort“, sagte der Baron mit leiser Stimme. „Man kann sich die Schrecken des Todes in dieser Um¬ gebung gar nicht vorstellen. „Du hast recht“, entgegnete der Graf, langsam sein Auge von dem Wasser ab¬ wendend, fügte dann aber plötzlich hinzu: „Laß uns gehen, Oskar, die Erinnerung an das Geschehene erschüttert mich tiefer, als ich geglaubt. Ich werde Eckartshausen bald, in der nächsten Woche schon verlassen und nicht mehr hieher zurückkehren.“ * * * Der folgende Tag war einer der beweg¬ testen, die Schloß Eckartshausen je ge¬ sehen. Die Wahl war vorüber und Oberst Raldow hatte mit großer Majorität den Sieg davongetragen. Der Graf war triumphierend und glück¬ lich über die Erfullung seines Wunsches — die Gräfin teilte seine Freude und beide wimeten sich mit heiterer Geschäftigkeit den Vorbereitungen zu dem Feste. Der Ballabend kam und Wagen nach Wagen rollte vor das festlich erleuchtete Schloß. Der Graf und seine Gemahlin traten ihren Gästen entgegen. Die Gräfin war blendend schön. Ein Unterkleid von rosa Atlas, mit den kostbarsten Spitzen besetzt, umschloß ihre schlanke Gestalt. Strahlende Diamanten glänzten in dem tiefschwarzen Haare, Diamanten schlangen sich um Hals und Arme. Wohin sie sich wandte, schien sie von tausendfarbigem Lichtmeer umflutet. Wer sie an diesem Abend gesehen, konnte ihr Bild nie wieder — Sie hatte mit ihrem Gatten vergessen. getanzt und. stand nun, von ihm gehalten noch einen Augenblick an seiner Seite. Da trat ein Diener rasch an sie heran. „Gnädiger Herr,“ sagte er, „Doktor Hell¬ mers schickt mich. Der alte Gärtner ist seit gestern gefährlich erkrankt und liegt im Tode. Er will aber nicht sterben, ohne Sie gesehen zu haben, und da läßt der Doktor fragen, ob Sie dem alten Manne nicht diese Bitte gewähren möchten.“ „Gewiß will ich das,“ versetzte rasch der Graf, „ich komme sofort. Als er aber auf seine Gemahlin blickte, sah er in ein Antlitz bleich und starr, wie das einer Toten, in Augen von so wildem Entsetzen erfüllt, daß ihn Furcht und Schrecken erfaßten. Ohne ein Wort zu sagen, zog er ihren Arm an sich und sie verließen den Saal. Draußen aber schlang die Gräfin ihre Arme mit leidenschaft¬ licher Heftigkeit um seinen Hals. „Otto, ich beschwöre dich,“ rief sie mit flehender Stimme, „gehe nicht hin. Wenn du mich lieb hast, tue es nicht!“ „Aber, Beatrice, ich begreife dich nicht“ unterbrach er sie. „Ich kann doch den Wunsch eines Sterbenden nicht unerfullt lassen. Siehst du nicht auch ein, mein Lieb daß es unmöglich ist, diese Gunst zu ver¬ weigern? „Du hast Recht“, entgegnete sie mit er¬ sterbender Stimme „Otto,“ flüsterte sie dann, „küsse mich noch einmal, ehe du gehst, nimm mich in deine Arme und sage mir, daß ich dein geliebtes Weib bin!“ Lächelnd, wie er der Bitte eines Kindes willfahrt haben würde, umschlang und küßte er sie, dann aber machte er sich sanft los und eilte hinweg. Langsam kehrte die Gräfin in den Saal zurück; die tötliche Blässe ihres Antlitzes war einer fieberhaften Röte ge¬ wichen. Mit bezauberndem Lächeln nahm sie die Abschiedsgrüße ihrer Gäste ent¬ gegen. Als die letzten gegangen, eilte sie fliegenden Schrittes hinauf in ihr Ge¬ mach. Dem auf sie harrenden Mädchen bedeutete sie, daß seine Hilfe nicht nötig sei; zögernd verließ dieses das Zimmer. Endlich war das unglückliche Weib allein. Ein verzweiflungsvoller Schrei brach von ihren Lippen, in namenlosem Jammer sank sie zur Erde nieder. ...

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