Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

18 mit Brandstiftern kein Erbarmen, fürchtet doch jeder, daß ihm gleiches Schicksal wer¬ den könne Schon nach kurzer Frist kehrten die Geschworenen zurück; sie hatten sich nicht lange zu beraten gebraucht, und ihr Ob¬ mann verkündete der lautlosen Versamm¬ lung das schreckliche: „Schuldig!“ Martl sank in sich zusammen. Das Ge¬ richt sprach jetzt das Urteil: „Toddurch das Schwert: Da entrang sich der röchelnden Kehle des der Verurteilten ein pfeifender Ton und des einst so mannhafte, starke Besitzer so Hirschhofes stürzte bewußtlos nieder, daß der Estrich dumpf erdröhnte! aus Er ward von den Gerichtsdienern dem Saale geschleppt, während langsam in lebhaftester Unterhaltung Bauern und Städter aus dem düsteren Gebäude gin¬ gen, in dem soeben einem Mitmenschen von ihnen von Rechts wegen sein blutiger Tod verkündet worden war! * * Der zum Tode Verurteilte verbrachte in der sogenannten Armensünderzelle der Frohnfeste, deren Fenster mit schweren Eisenstangen vergittert und mit einer Holzwandung, die keinen Ausblick gestat¬ tete, verkleidet war, den ihm zugestan¬ denen Rest seiner Lebenszeit! Nur ein winziges Stück des blauen Himmels war dem Gefangenen sichtbar, und mochte draußen in der goldenen Freiheit die * Sonne noch so sehr in majestätischer Pracht strahlen, in dem engen Kerker¬ raum, der „Keusche“ des dem Tode Zu¬ gesprochenen, herrschte die ewig gleiche trübe Dämmerung, die dem Armen weher tat als die schweren Ketten, welche nach dem damaligen Gesetze seine Hände und Füße umschlossen. Und wie öde sah es in seiner feucht¬ kalten Zelle aus! Nichts als in einer Ecke die Holzpritsche mit der dürftigen alten Wollendecke zum Nachtlager! Aber auch diese harte Lagerstätte benützte Martl nicht oft! Meist stand er, wenn auch mit schlotternden Knien am Fenster, und spähte zum Firmament empor. Frühmor¬ gens, wenn die Sonne hinter dem Maria¬ hilfsberg hervorkam, tagsüber, wenn er die geschwätzigen Schwalben vorüber¬ streichen sah in ihrer lärmenden Lustig¬ keit, und nachts, wenn der Mond mit einem sanften Silberlicht am Himmels¬ bogen aufstieg, und der Schimmer der Sterne so friedlich hier und da in seine Keusche strahlte, als gäbe es hienieden auf Erden weder Menschenschmerz noch einen bittern, blutigen Tod des armen Erden¬ wallers! Aber noch immer dachte der Hirsch¬ hofer nicht an sein baldig' Ende mit Schrecken! Er hoffte fest auf Begnadi¬ gung, auf Freiheit! War er doch unschul¬ dig, und es mußte sich alles noch für ihn zum besten wenden! Dafür stieg stets vor ihm das herrliche Bild seiner Heimat auf, der stattliche Hof mit dem freien Ausblicke auf die saftgrüne waldige Tal¬ landschaft, die von der Schwarzach wie mit einem Silberband durchflochten war! Wie schön war es einst dort, und nun — hier! Dann zerfleischten die quälendsten Selbstvorwürfe seine Seele. Ja, mit dem Wildern begann es einst, mit dem Schmuggeln fiel er immer tiefer und tiefer! Und doch, Grundschlechtes hatte er nie verbrochen, nie etwas, was ihn zu dem hätte stempeln können, was er jetzt vor der ganzen, so blinden Welt sein sollte Daß er ein sogenannter Loder, ein lieder¬ licher Nichtsnutz gewesen, war leider nur zu wahr — und für diesen Fehler einer von keiner treuen Vater= oder Mutter¬ hand behüteten, aus Rand und Band ge¬ ratenen Jugend hatte er wahrlich schon durch seine erste lange Haft mehr als ge¬ nug gebüßt! Und jetzt! Du großer Gott, unschuldig sein und doch das Verbrechen eines andern mit dem eigenen Kopfe sühnen zu müssen! Glühend heiß schrie es immer in ihm auf: „Wo bleibt die Gerechtigkeit?! Da reden sie stets von Gnade! Ich will, ich brauche keine Gnade, aber mein Recht will ich haben, den richtigen Urteilsspruch Drum hilf du mir, lieber Herrgott im Himmel! Du kannst allein in mein tod¬

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