Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

einmal rissen ihn die Bauern mit dem Wutgebrüll zurück: „Brandstifter!“ Zuerst zuckte, wie von einem Blitzstrahl getroffen, Martl bei diesem Rufe zusam¬ men, dann schäumte er wie ein Eber und wehrte sich die Fäuste ab, die ihn be¬ drohten! Von allen Seiten lärmte es nun zu¬ sammen: „Sie haben den Brandstifter! Die Menge der fast toll gewordenen Landleute umkreiste ihn, und ihr drohen¬ der Zuruf mischte sich schauerlich in das Gebrüll der noch rechtzeitig aus dem Stall gelassenen Kühe und des Jungviehs. Jetzt jetzt aber gellte der Schrei des Sepp, der sich gewandt unter die Dörfler ge¬ mischt: „Ins Fuir mit dem Brandstifter! Denn nur der aus¬ kommene Zuchthäusler da hat den Hof ankennt (angezündet)!“ Und alles schrie nun wild und wirr □ zusammen: — „Ins Fuir! Ins Fuir mit ihm! Schon hoben den sich verzweiflungsvoll Wehrenden starke Fäuste in die Höhe. Krachend stürzten nun die brennenden Balken nieder und hoch loderten neue Flammen auf; verloren schien der Hirsch¬ hofer; da erscholl plötzlich das militärische Kommando „Halt!“ Gendarmen und Grenzer mit aufge¬ pflanztem Bajonett waren eben noch zur rechten Zeit aufmarschiert, um den so arg Bedrohten vor der Volksjustiz zu retten! *** *Nur widerwillig setzten die Bauern ihr Opfer zur Erde, dann aber schrieen alle auf die bewaffnete Macht ein, und unter Hieben und Stößen wurde der Arme dem Brigadier übergeben, der ihm sofort Handeisen anlegen ließ! 3 2 * Und wiederumstand der bedauerns¬ werte Hirschhofbesitzer vor den Schranken des Schwurgerichtes! Diesmal war er der Brandstiftung und noch dazu im Verfolg derselben des Mordes angeklagt! Er sah einem Gespenste ähnlicher als einem kern¬ haften Bewohner des Bayerwaldes! Viel hatte er diesmal seinen Richtern nichtzu erzählen! Wahr und schlicht sagte er 10 17 ihnen, wie er an dem schrecklichen Novem¬ berabend zum Schindlhof hingewander sei und dann helfen gewollt, als die Glut des Brandes den Nachthimmel zu röten anfing! Ganz zusammengebrochen be¬ teuerte er stets das Gleiche: „Un¬ schuldi bin i!“ .... Doch leider — leider glaubte niemand im ganzen weiten Saale dem Unseligen! Zu¬ Nun ging's an das Zeugenverhör! mit erst war die Viehmagd vernommen der Martl in jener ereignisvollen Nacht gesprochen, darauf Sepp, der ihm samt einem Hunde in so bedenklicher Nähe des Schindlhofes begegnet war! Die Bauern welche als Geschworene ausgelost worden steckten, als sie vernahmen, daß der Ange¬ klagte zu seiner Hochzeiterin gewollt, aber daß ein anderer von der Jungbäuerin zum Bräutigam angenommen worden wäre, argwöhnisch die Köpfe zusammen Aus Rachsucht wohl wird nun der Hirsch¬ hofer das Anwesen seiner ihn ver¬ schmähenden Braut angezündet haben, ohne zu bedenken, daß droben das tot¬ kranke Ahnl in ihrem Dachstübchen elend verbrennen müsse! Also Brandstiftung und Mord zugleich! Mordbrenner! Wie ernst der Schwurgerichtspräsident blickte! Als der Bejammernswerte nun sah, daß sogar seine frühere Braut, ja selbst sein treuer Hund Belastungszeugen ge¬ worden, durch welch letzteren es aufge¬ kommen, daß damals sein Herr den Schwärzerzug geführt, bei dem ein Zöll¬ ner erschossen worden, wovon Martl noch gar nichts gewußt hatte, wimmerte er in heller Verzweiflung und meinte, Qual und Schmerz müßten ihm das Herz ab¬ drücken! Dazu hörte er, wie im Zuschauer¬ raum verschiedene Bauern seiner Heimat, welche die weite Reise nach Ambergnicht — gescheut, sich Fluche zuzischelten chwere Flüche gegen den Bösewicht, der mit seiner Schandtat der ganzen Gegend ein Brand¬ mal aufgehalst hatte! Erst gegen Abend konnten sich die Geschworenen ins Bera¬ tungszimmer zurückziehen, doch schon bei diesem Gange konnte man ihnen ihren Wahrspruch von den finsteren Gesichtern ablesen, denn der Landbewohner kennt 2

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