Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

Ahnl derselben schon hier auf der Joch¬ mühl, aber damals im Erbpacht des Klosters Schlehdorf, gehaust hat! ... Hier will nun der gute Mensch sich auch nützlich machen, und ich weiß es gewiß daß Gottes Segen auf dem Tun und ¼ Schaffen des Lienhard bleiben wird. .. Wieder hielt der Vater inne, als aber seine Tochter noch immer schwieg, trat er ganz nahe zu ihr und sah erst jetzt, daß sie am ganzen Körper wie eine Espe zitterte ... „Gelt! jetzt weinst Du! meinte er, „so geht's aber alleweil im Leben zu! ... Zuerst „Hui“ drauf das „Pfui“! ... Daß Dich die Sach' aber so alteriert, ist mir lieb! Denn sonst müßtest Du ein grundschlechtes Herz haben! ... Es wird aber jetzt wieder alles recht werden! ... Behüt' Dich Gott! Ich geh' 'nüber zum Lenzbauern, dort singt und spielt heut Abend der Lienhard im „Heimgarten“!“ Kaum war der Müller fort, brach bei Anna voll und ganz der lang zurückge¬ haltene Schmerz hervor. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, mit Gewalt brach sich ein Tränenstrom Bahn, und schmerzliches Schluchzen erschütterte sie krampfhaft. —Aber mit der Erinne¬ rung an die selige Kinderzeit, war auch die Neigung des kindlichen Herzens aufs neue erwacht! ... Wieder sah sie den liebeswerten Knaben Lienhard vor sich tehen, wie er ihr jeden Wunsch von den Augen ablas, alles hinten ließ, nur um ihr möglichst nahe sein zu können! Und jetzt kam die schmerzlichste Er¬ innerung! ... Wie wenn's erst gestern geschehen wäre, stand sie mit ihm auf dem Heuwagen und warf in überspru¬ delnder Jugendlust Heu hinab, um dann in dieses hinein zu springen! Er saß dicht neben ihr, hatte in seinem Strohhut auf den Knien herrliche Frühweichseln, die er während des Aufladens im hinteren, großen Grasgarten zuhöchst vom Baum geholt, weil sie sich von dort und gerade nur von dort —die — süß=säuerlichen Früchte gewünscht! Mit der gleichen eifersüchtigen Empfin¬ dung wie damals, sah sie aber auch 17 wieder jenes hübsche Grafinger Kind, welches sich immer an ihn drängte, und daß er ihr eine Hand voll Weichsel reichte, weil sie selber, erzürnt über die Anwesenheit der kleinen Mirzl, sich trotzig weigerte, noch Früchte anzu¬ nehmen! ... Wieder meinte sie zu hören, wie er ihr, im Scherze vor ihr kniend, sein Hütl vorhielt und sie mit dem freundlichsten Tone bat, wieder herzhaft Shdihich — — W 4 0 8 —. —2 2 Auch jetzt, wie jenesmal, en! zuzugrei fühlte sie die Brust von zornig=eifer¬ üchtiger Wallung gepreßt, und ihre Hand hob sich, um ihn zurückzustoßen!... Mit stockendem Atem sah sie ihn da¬ — durch das Gleichgewicht verlieren! Kopfüber stürzte er vom Wagen! ... Dann ein kurzer, durchdringender Weh¬ ruf! ... Schnell stand sie vor ihm! Mit beiden Händen hatte sie den Armen ge¬ faßt ... Unter herzbrechendem Schluch¬ zen bat sie Lienhard, ihr doch zu ver¬ 2

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