Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

18 „Was, is er leicht krank?“ rief der Fremde, indem er sich schwer auf die Bank hinsetzte. ihn der „Seit'm Hirbst schon, wo Baumast 'troffen hat. Damals hat man nimmer, eh g'moant, er derlebt Allerheiling g'macht. aber dennerst hat er's durchi Der Docta selber hat g'sagt, es wär eahm koa' so eiserne Natur noch nie unter'kemma. Jatzt aber muß er's doch schon auf dem letzten Oertl hab'n, weil d' Nanni, die jung' Bäuerin, gestern g’spat*) noch um den Pfarrer g'laufa is.“ „Die jung' Bäuerin? Is leicht auf 91 dem Hof schon g’heirat': G’heirat' net, die Nanni is ledig Z'erst is sie Dirn g’wes'n beim Scheib'n¬ bauern und wie eahm das Unglück passirt is, hat er ihr den Hof verschreib'n lass'n. „So, sind koane eig'nen Kinder da? „J — jo, an Buam hat er g’habt. Der is aber vor a sieb'n Jahr'n ins Amerika furt, weil er und der Alt' net harmonir'n hab'n könna miteinand. Und eitdem hat man nix mehr g’hört von eahm. „Na, mischte sich hier der Wirth in das Gespräch, „viel hat ja die Nanni auch net vom Scheib'nhof. Der Alt' hat ihr an schön' Riegel g'schossen im Uebergabsbrief. Sie derf ihr Lebtag net heirat'n, und wenn sie's doch thut, muß ie mit zehntausend Gulden geh'n. Das Nämliche is's, wann etwa der Hans hinter zwanz'g Jahr'n selber z'ruckkimmt. Aft kann er den Hof übernehma und muß ihr das Geld außazahl'n. A schön's Geld is's freili' und verdient hat sie's auch, denn so a brav's Dirnd'l find't man net gleich wieder, wie sie.“ „Also hofft der Alt' doch, daß sei Bua noch amal kimmt?“ „Mei, wer kann's denn sag'n. Er hat sein Lebtag nie ausg’red't, wie er's eigentlich drin hat. Is a wunderlicher Schädl, der Scheib'nbauer. Nun trank der Fremde sein Glas leer und schritt mit kurzem Gruß aus *) Abends. der Stube. Wirth und Wirthin blickten ihm verblüfft und kopfschüttelnd nach. Das schöne Pfingstfest nahte sich einem Ende. Abendroth umglühte schon die westlichen Bergkämme des Wald¬ gebirges und ein durchsichtiger Nebel¬ chleier legte sich sachte über die stillen Thäler. Von Böhmen herüber zog ein frischer Wind, der die dunklen Wälder erbrausen und die Birken und Eschen an den Hängen erzittern ließ, der den Duft all der Blumen im Wald und aus der Höhe in sich aufnahm, um sie ins Thal zu entführen. Dort unten begann die Aveglocke zu klingen. Bald darauf meldete sich eine zweite, dritte und vierte und dann klang es von Wald zu Wald, von Berg zu Thal in harmonischem Verein — eine feierliche, herzerhebende Abendhymne. An den Abenden hoher Feste pflegt das Waldvolk sich früh zur Ruhe zu begeben. Heute aber, am höchstgefeiertsten Tage des Jahres, wollte es nicht stille werden in den Dörfern und in ihrer Umgebung. Vor den niedrigen, braunen Bauernhäusern standen Gruppen junger Mädchen, welche sich fröhlich miteinander unterhielten. Und der Inhalt der lebhaft geführten Gespräche war überall ein und derselbe, kurz zusammengefaßt also lau¬ tend: „Juhe! Heut' Nacht kimmt der Pfingstvogel!“ — Als es schon ziemlick dunkel wurde, gingen die Mädchen aus¬ einander, um zu Hause Vorbereitungen zu treffen zum würdigen Empfange des Pfingstvogels, wie sie sagten. Dieselben bestanden darin, daß sie in Eimern Wasser auf Altane und Dach schleppten und da¬ mit die dort aufgestellten mächtigen Wasch¬ zuber anfüllten. Als dies geschehen, be¬ gaben sie sich endlich in ihre Kämmer¬ lein, nicht aber um zu schlafen. sondern am Fenster zu stehen und klopfenden Herzens hinauszuhorchen in die mond¬ helle Nacht. Außerhalb des Dorfes Falkenbach, dort, wo sich der Weg nach dem Scheiben¬ hofe abzweigte, stand er selbst, der viel¬

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