Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

genannter Erbe innerhalb zwanzig Jahren persönlich ein, so hat ihm obengenannte Anna Leutner das Anwesen sofort ab¬ zutreten. In beiden Fällen sind ihr vom Erben zehntausend Gulden in baarem Gelde sofort auszuzahlen,“ nickte er zu¬ frieden mit dem Kopfe. Dann versank er in einen ruhigen Schlaf. „Er wird voraussichtlich noch Mo¬ nate leben,“ bemerkte der Doctor zu Nanm. „Den Geistlichen aber könnt Ihr ihm holen lassen, wann Ihr wollt, denn das Bett verläßt der Scheibenbauer nicht mehr.“ V. Am Nachmittag des Pfingstfestes hatte der Wirth zu Falkenbach einen son¬ derbaren Gast in seiner Stube. Es wan ein Mann in den Dreißigern, groß und breitschultrig und gekleidet wie ein Städter. Er saß im dunkelsten Winkel der Stube und hatte seinen breitrandigen Hut so tief in die Stirne gedrückt, daß von seinem Gesicht nur die untere Hälfte zu sehen war. Doch auch diese allein verrieth, daß nichts weniger als Häßlich¬ keit der Grund war, welcher ihn bewog sich also zu verbergen. Das Seltsamste aber war noch das Verhalten des Frem¬ den. Schon seit einer Stunde saß er 17 mit aufgestülpten Armen am Tische, ohne ein Wort zu sprechen, oder das ihm vorgesetzte Glas Bier zu berühren Einen Versuch seitens des neugierigen Wirthes, ihn zum Reden zu bringen, hatte er mit finsterem Blick zurückge¬ wiesen. So blieb dem Alten nichts übrig als sich hinzusetzen und zu warten, bis der Fremde von selbst reden würde Seine Geduld wurde aber auf eine harte Probe gestellt, denn es vergingen aber¬ mals zwei volle Stunden, während welchen der Gast sich nicht regte. Erst als die Wirthin in die Stube trat und ihn fragte, ob er denn nicht etwas zu essen wolle, erhob er sich. „I hab' koan' Hunger. Weil i jetzt geh', möcht' i Enk nur noch frag'n, wo die Straß'n links vom Dorf hinführt?“ „Auf'n Scheib'nhof halt.“ Antwor¬ tete die Wirthin, im höchsten Grade da¬ rüber verwundert, daß der Fremde nicht einmal „hochdeutsch“ sprach, wiees doch sein nobles Aussehen hätte erwarten lassen. Auf'n Scheib'nhof? I glaub', der Nam' is mir bekannt. Wenn i mich recht erinner', bin i vor etlichen Jahr'n schon einmal dort über Nacht ’blieb'n Is net an alter Bauer da? „Ja, aber der wird wohl nimmer recht lang da sein. Er is von heut' auf morg'n.

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