Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

40 eine blaue Flamme zuckte gegen deu Himmel. Das war das verabredete Zeichen. „Er ist gerettet!" rief der Alte jubelnd aus und sprang mit der Gelenkigkeit eines Jünglings auf. Das war eine selige Botschaft, die er nun seinem Kinde bringen konnte und die Art und Weise, wie dieselbe aufgenommen wurde, bestärkte ihn in dem Vorsätze, den er schon seit einigen Tagen gefaßt, auf das Festeste. Heute noch wollte er mit dem Capitän über die Lage der Dinge klar und aufrichtig sprechen, um das Wort, das er ihm wegen Minna gegeben, znrückzner- halten. Er wartete jedoch vergebens. Lubo- wienski erschien nicht, wahrscheinlich war irgend etwas eingetrete», was ihn verhinderte. Dafür kam er am nächsten Tage zu ganz ungewöhnlicher Stunde. In seinem ganzen Wesen war eine große Veränderung vorgegangen, so daß der Meister schier erschrak, als er seiner ansichtig wurde. „Was ist Euch, Herr Ritter?" fragte Schwendtlein erstaunt', „seid Ihr etwa bei einem Kampfe in vergangener Nacht verwundet worden?" „Habt Ihr gestern auch das blaue Licht auf dem Bisamberge gesehen, Meister, das nur von Eurem Geselle,! herrühren konnte?" entgegnete der An geredete mit heiserer Stimme und ließ sich matt auf den Sitz sinken. „Wohl habe ich's gesehen, und ich dank unserer lieben Frau für seine wundersame Rettung. Doch Ihr, Herr Ritter, mußt nicht wohl sein, Ihr seht so ganz anders wie sonst!" „Ganz wohl, wie immer," murmelte der Pole und es schim, als schüttle ihn der Frost, „das heißt, nicht wohl, fühle mich ein wenig müde, doch das wlrd von der Anstrengung der gestrigen Nacht herruhren und bald vorüber- gehen!" m®0^^'^ mein Mädel ein kühlend Tranklein zubereiten?" „Laßt sein, Meister," winkte Lnbv- wienski abwehrend, „um aber darauf zurückzukommen, Ihr glaubt Euch nicht getäuscht zu haben, 's war gewiß das blaue Licht?" „Ich irr' mich nicht. So Gott will, wird wohl jetzt unsere Noth baldig ein Ende finden, Herr Ritter!" „Bald, bald!" antwortete dieser, wie mechanisch. „Ihr glaubt also Meister, daß Euer Gesell bald auch zurückkehren wird?" „Ich fürcht', er thut's, wenn's auch besser wäre, er bliebe beim Herzog!" „Meint Ihr?" fragte Lubowieuski, und das alte, dämonische Lächeln glitt wieder flüchtig über sein Antlitz, „ich denk' wie Ihr. Aber nun," fuhr er fort, während er sich erhob, „muß ich wieder fort, um Vorbereitungen für den Empfang des Wackeren zu treffen." Er wollte sich eben verabschieden, als man draußen Waffengeklirre vernahm. Er trat vor, um zil sehen, was es gebe. Ein Zug Arkebusiere von seinem Regimente nahm vor der Gartenpforte Aufstellung nnd der Lieutenant, der sie befehligte, trat vor. „Bedarf man meiner? Will mich der Commandant oder ist etwas vorgefallen?" erkundigte sich der Capitän. „Im Namen und im Auftrage unseres Commandanten, des Grafen Starhemberg," nahm der Lieutenant das Wort und senkte den Degen, „erkläre ich Euch, Capitän, den Ritter Zdenko v. Lubowienski, als treulosen Ver- räther und des Einverständnisses mit dem Feinde überwiesen, für meinen Gefangenen!" Einen Moment schien es, als ob diese Worte Den, dem sie galten, gelähmt hätten, als sich aber die Reihen der Soldaten lösten und ein Mann mit verbundenem Haupte, in dem er sofort Balduin erkannte, auf den von dieser Scene heftig erschütterten Meister Schwendtlein zustnrzte, da löste er ruhig den Degen und übergab ihll dem Lieutenant. „Dank's deinem guten Engel, Bursche," waudte er sich scheinbar vollkommen gelassen an Balduin, „daß du dich schon innerhalb der Wälle befindest, eine Stunde später wär's dir nimmer gelungen, und sag' noch dem Mädel von mir, daß ein alter Haudegen um ihret- ivillen zum Verräther wurde!" Die Arkebusiere traten näher, um ihn in die Mitte zu nehmen. Da machte er einen Satz nach rückwärts, riß seinen kurzen Dolch aus der Scheide und hatte ihn sich, eh' es Jemand zu hindern vermochte, in die Brust gestoßen; ohne einen Ton von sich zu geben, sank er. nieder. „Er hat dem Henker die Arbeit erspart," sagte der Officier und befahl seinen Leuten, den Leichnam des Selbstmörders fort- zuschaffen. „Balduin, du weißt, was sich hier zuge- tragen hat?" fragle der Waffenschmied, der von all' dem Vvr- 'gefallenen wie betäubt war. „Ich werde Euch Alles berichten, Meister, aber soll ich nicht erst hinauf zur Minna?" „Du hast Recht, Junge, und ich will mit dir gehen!" Die Beschreibung der Scene, welche nun folgte, wird mir der geneigte Leser- wohl erlassen. Und als die erste, stürmische Freude des Wiedersehens sich ein wenig gelegt hatte, begann Balduin seine Erzählung. Der polnische Edelmann, der übrigens schon längere Zeit mit den Türken verkehrte und sie von vielen Maßnahmen verständigte, wollte wohl diese Gelegenheit benutzen, sich auch von eineni Rivalen zu befreien. Die Rakete, welche er im Garten abbrannte, war ein Zeichen, 41 daß sich von diesem Orte aus Balduin Mit den Briefen an den Herzog von Lothringen auf deu Weg mache. Kaum hatte er den Stadtgraben hinter sich, als er auch schon von mehreren Gegnern angegriffen wurde. Nur der Dunkelheit der Nacht und dem Umstände, daß es ihm gelang, sich seines gefährlichsten Feindes, eines ungeheueren Saracenen, dnrch einen Schuß zu entledigen, war es zu danken, daß er entkam. Nach manchen anderen Abenteuern, die zumeist nicht weniger gefährlich, und nachdem er die Donau durchschwommen, erreichte er endlich das kaiserliche Heerlager, wo er die Briefe dem Herzog übergab. Dieser öffnete sie sofort und konnte sein Erstaunen und seinen Zorn nicht verbergen, als er sie gelesen. Lubowienski, der die Möglichkeit von Balduin's Entkommen wohl für gänzlich ausgeschlossen hielt, hatte den Briefen des Commandanten noch persönlich höchst wichtige Aufzeichnungen beigelegt. Wenn die Briefschaften den Heiden in die Hände gefallen wären, so hätten diese wohl nicht länger gezaudert, einen entscheidenden, zweifelsohne von Erfolg gekrönten Schlag gegen die Stadt zu

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