Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

38 denn es mag wohl leichter sein, mit der Zunge, als mit dem blanken Schwerte durch das Lager der Heide» zu kommen; doch nun bleibt Euch nur das Vertrauen auf Euer gutes Glück und Euern starken Arm!" Es schien, als ob bei dieser Rede ein leises, fast unmerkliches Lächeln des grimmigsten Hohnes die schmalen Lippen des Ritters umspielte. „Auf jeden Fall müßt Ihr Euch verkleiden, ich werde Euch das Kleid eines Muselmannes zum Fähnlein senden. Und nun nehmt zu St. Stefan die heilige Com- munion und bringt alle anderen Dinge, die Ihr etwa zu ordnen habt, ins Reine!" — Derselbe dunkle, lange Blick. — „Nach Sonnenuntergang," fuhr er fort, „erscheint verkleidet im Garten des Meisters Schwendtlein, dort werde ich Euch die Briefschaften übergeben ünd alles Uebrige mit Euch besprechen, was noch zu wissen nöthig ist!" Balduiu «hat so, wie ihm geheißen. III. Znr verabredeten Zeit fand er sich in dem Gärtlein des Waffenschmiedes ein, wo dieser und Lubowienski bereits seiner harrten Sein alter Meister, der erst kurz vorher von dem geplanten tollkühnen Beginnen durch den Polen verständigt worden war, reichte ihm schweigend die Hand und zog ihn an die Brust; er war keines Wortes fähig. Minna war nicht zu sehen; sie sank, als der Capiteln seinen Bericht beendet hatte, mit einem Aufschrei ohnmächtig ru das Gras nieder und mußte zu Bette gebracht werden. Die drei Männer aber begaben sich znr Stembank. Das häßliche Lächeln wich nicht von dem Munde des Edelmannes, als er dem lauschenden Valduin Rathschläge und Aufträge ertheilte. Dann übergab er ihm die an den Herzog von Lothringen zu überbringeuden Papiere, mit der Weisung, sie im Gürtel und in den Schnhen zu verstecken. Die Nacht war indessen schwarz heraufgekrochen, schwere Wolkenballen thürmten sich auf dem Firmamente und von Zeit zu Zeit strich ein kurzer, doch mächtiger Windstoß über das Land, wieder Scndling eines bald zu erwartenden Sturmes; nur hie und da erhellte ein mattes Wetterleuchten aus weiter Ferne für einen Augenblick das Dunkel. Günstigeres Wetter konnte wohl für ein solches Unternehnien nicht gewünscht werden. Es wurden bereits die Pechtonnen im Stadtgraben angezündet, die Starhem- berg hatte aufstellen lassen, um vor nächtlichen Ueberfällen gesichert zu sein, als Lubowienski zum Aufbrnch mahnte: „Jetzt ist der rechte Zeitpunkt gekommen, Ihr müßt drüben sein, ehe das Pech anfflackert!" Balduin machte noch erst einen kräftigen Schluck, sah nach, ob sich die Waffen in Ordnung befanden und erhob sich. „Halt!" rief da der Capitän, „hätte jetzt bald auf Wichtiges vergessen! Zum Zeichen glücklichen Gelingens — ^und auf ein solches wollen wir zuversichtlich bauen — laßt auf dem Bisamberge ein Feuerzeichen flammen. Wir werden dann in der Stadt wissen, daß Ihr Euch der Botschaft glücklich entledigt, auch wenn es Euch nicht mehr möglich, zurückzu- kehren." Er griff bei diesen Worten in sein Wamms und zog etwas hervor, das sich in der Dunkelheit nicht erkennen ließ. „Nehmt," sprach er zu Balduin, „es sind Raketen, die Ihr dann entzünden sollt; seht her, auf sol- qende Weise." Hiebet machte er einen Schwamm glühend, berührte damit das Ende der Rakete, das leise zischend zu glimmen begann und hielt sie dann hoch über sich. Ein paar Secunden bräunte der Feuerwerkskörper knisternd Weiler, doch plötzlich that es einen ungeheueren Knall und hoch empor sprühte eine blaue, leuchtende Feuergarbe, die ganze Umgebung tagesgleich erhellende „Ihr kennt die Vorrichtung, und nun sputet Euch! Bedenkt, daß das Gluck keinen wackeren L-oldaten verläßt!" Balduin warf noch einen Blick hinauf nach dem Ecker, wo jetzt Minna weilen mochte, drückte dem Meister die Hand und wandle sich zum Gehen und setzte kurz darauf mit einem Schwünge, der von seiner Riesenkraft und jugendlichen Gewandtheit beredtes Zeugniß ab- legte, über die Gartenmauer. „Die heilige Jungfrau und alle Engel mit dir, mein Junge!" rief der Waffenschmied seinenr furchtlosen Gesellen nach, den man eben jetzt durch den Graben eile» sah. In diesem Augenblicke hätte man oben am Erkerfenster eine lichte Gestalt erblicken können, die sofort wieder verschwand, derart, daß es den Anschein hatte, als ob sie ohnmächtig niedergesunken wäre. Die beiden Männer im Garten aber sahen, wie Balduin über die Bastion lief, konnten ihn in den Verbindungsgräben wahrnehmen und sahen dann nur noch, wie er vvm Walle sprang. Jetzt befand er sich allen Gefahren schutzlos preisgegeben. Beide lauschten angestrengt; es herrschte regungslose Stille. Auf einmal erscholl wildes Geschrei aus der Entfernung, es fiel ein Schuß, bald darauf ein zweiter, dann war nichts mehr zu hören.--------- „Es scheint," brach nach längerer Pause Lubowienski das Schweigen, x-daß er dem wachsamen Feinde in die Hände gefallen ist." „Das verhüte Gott!" entgegnete der Meister Gottfried auf diese gelassene Bemerkung, „er ist nicht Einer von Jenen, die sich vor Zweien oder Dreien zu fürchten haben." „Wenn es aber ihrer Mehrere waren?" warf der Pole ruhig ein. „Sobald es ihm übrigens gelungen ist, durchzukommen, wird er ja heute Nacht noch das Feuer auf dem Berge abbrcuneu." Der Edelmann wurde bald darauf zu seinem Fähnlein berufen. Der alte Meister saß bis zum grauendeu Morgen und schaute starr und unverwandt in der Richtung gegen die Donauberge. Doch kein anderes Feuerzeichen war zu erblicken, als ferne im Marchfelde mehrere Rauchfäulen,., aus den Dorf- schaften aufsteigend, welche die Mos- lims in Brand gesteckt hatten. Nun war der Waffenschmied im Klaren über das Schicksal Balduin's. Als sich der nächste Tag seinem Ende näherte und dämmernde Schatten bereits aufstiegen, da saß der Alte wieder auf seinem gewohnten Platze im Gärtlein, in traurige Gedanken versunken. Das Schicksal Desjenigen, den er wie einen Sohn ins Herz geschlossen hatte, lastete schwerer anf ihm, als er zeigen mochte. Was war das auf einmal? Drüben auf dem Berge blitzte es grell auf uud

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