Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

34 auf zinnener Platte einen hohen Henkel- krug tragend, um dem müden Vater den Bespertrunk zu credenzen. Die sorgenvolle Miene des Meisters klärte sich bei ihrem Anblicke auf, wie nächtlicher Waldschatten, wenn die Sonne aufsteigt. Mau konnte sich aber auch kaum ein anmuthigeres Mädchenbild vorstellen: zierlich und schier klein die Gestalt, doch von lieblicher Fülle, das Mündlein voll und roth wie Kirschen, das Näslein stumpf und ein wenig eigensinnig; braun fielen die Riugellöckchen über die weiße Stirne und voll köstlicher Schalkhaftigkeit blickten zwei große blaue, unschuldige Kinderaugen in die Welt, gleichsam erstaunt über Alles das, was um sie vor- geht. Doch wer unter den heutigen Wienerinnen Prüfend Umschau gehalten, wird leicht im Stande sein, das Bild zu vervollständigen. Während sie das perlende Naß in den Becher goß, kneipte sie der Alte tosend in die runde Wange und seine Augen funkelten gar vergnüglich, als er anhob: „Weil sich die 'Gelegenheit just so schickt, Minnerl, wollen wir auch einmal von ernsten Dingen sprechen. Warte nur, du Schelmenmädel, nicht einmal dem eigenen Vater hat sie ein Sterbenswörtlein verrathen!" Er nahm sie beim Kinne und blickte ihr in die treuherzigen, blauen Augen. Das Mädchen verstand ihn anfänglich nicht, als aber ihre Blicke den seinigen begegneten, da übergoß plötzlich Purpurrötle das jungfräuliche Antlitz und sie sank dem Vater an die Brust, gab ihm einen herzhaften Kuß und war im nächsten Augenblicke, stink, wie'ein.Reh, aus dem Garten entschwunden. Der Meister drohte der Enteilenden lachend mit dem Finger nach. Es mochte wohl nur ein Walten des Zufalls sein, daß durch denselben Laubgang, durch welchen Minna entfloh, unmittelbar darauf ein junger Mann heranschritt; er war mit dem Schurzfell angethan, das Gesicht rauchgeschwärzt und glühend. Er mußte wohl eben den Hammer in.den Winkel gelehnt haben. „Kommst eben zu rechter Zeit, Balduin," rief ihm Schwendtlein entgegen, „setz'' dich zu mir und thu' wacker Bescheid!" „Gott grüß' Euch, Meister," autwortete 'der Aukömmling und holte tief Athem, „Ihr mißt, ich feier' ungern', aber ich wollt' nur ein wenig mich abkühlen und da ich weiß, daß Ihr jetzt allein seid" — er sah sich bei diesen Worten um, wieEiner, dersich vergewissern will, daß er nicht belauscht wird — „so wollt' ich gleich eine Sache mit Euch ins Reine bringen, die mir schon lange keine Ruh' läßt." Der Waffenschmied sah erstaunt auf den Jüngling. „Dn sprichst ja schier feierlich. Du weißt, Junge, ich hab' dich immer gehalten wie den eigenen Sohn, sprich ungescheut, was dein Begehr!" „Da habt Jhr's eben selber ausgesprochen. Die Zeiten sind schwer und man sollt' nicht solcher Dinge gedenken, aber ich vermein', daß es zwischen uns Beiden keine solchen Heimlichkeiten geben darf. Meister, wenn's Gottes Wille ist, daß wir den Heiden obsiegen, wenn die Zeiten wieder in das alte Geleise zurückkehren, werdet Ihr dann zngeben, daß ich Euch mit Recht Vater nenne?" „Junge, was meist du damit?" fragte der Alte erregt. „Ihr wißt bereits, wie wir einander zugethan sind, die Minna und ich!" Der Alte sprang auf und schlug sich an die Stirne. „Junge, Teufelsjunge, jetzt erst mußt du mir's sagen? Und 'ich- grauköpfiger Narr hab' nichts gesehen davon! Wenn dil gestern so vor mich hingetreten wärst, hätte ich dir mit Freuden mein Mädel an die Brust gelegt, aber jetzt ist's zu spät. Heute hat der polnische Rottenführer, der Zdenko Lubowienski, der mächtige Vertraute des Grafen Starhemberg, um die Hand des Mädels angehalten und ich gab ihm vermeinend, das Wohl des Kindes so am besten zu besorgen, Wort und Handschlag." Der Jüngling hatte diese Worte mit steigender Angst gehört, er heftete den Blick starr auf den unheilverkündenden Mund seines Meisters. „Nein, das thatet Ihr nicht, Ihr konntet das nicht thun!" stöhnte er keuchend und preßte beide Hände auf die wogende Brust „Und Minna hat nicht eingewilligt!" „Ich habe in meiner Verblendung gedacht, der Capitün habe sich vorher ihrer Neigung versichert. Doch sprechen wir darüber.erst, wenn du ruhiger geworden." Durch die Neckengestalt Balduin's ging ein leises Zittern, aber er sprach kein Wort. 7 "Du weißt," fuhr der Alte mit bewegter Stimme fort, überwältigt von dem Schmerze des Jünglings, „der Pole kam oft zn mir im Aufträge des Commandanten nnd so mag es geschehen 35 sein, daß er das Mädel öfter sah und es liebgewann. Er ist ein wackerer Herr, wie man spricht, ein reicher, vornehmer Herr von Adel —" „Reich, adelig, da liegt's!" rief Balduin, gezwungen lachend. „Sprich nicht so zu mir! Ich hatte nur das Glück meines Kindes im Auge!" „Und habt vergessen, daß es ohne Liebe keines gibt. Es läßt sich also nicht mehr ändern?" „Zu spät, der Pole hat mein Wort." „Zu spät!" sagte Balduin leise nnd fuhr mit der Rechten über die Stirne; seine Stimme klang so ruhig, als ob sich die Wogen seines Schmerzes bereits gelegt hätten. „Ihr wißt, als fahrender Schüler kam ich nach Wien gezogen und Ihr Uantet dem Leichtfertigen nicht und wolltet mich anfangs nicht aufnehmen in Euer ritterlich Gewerbe. Aber ich zeigte - Euch, was ernstes Wollen vermag und eine echte Liebe, denn Minna hatte mir's angethan und nur ihrethalben ließ ich mein unstetes Leben So langes Känipfen, so stilles, behagliches Werben, und nun zn spät! Doch da sich an geschehenen Dingen nichts mehr ändern läßt, so wollen wir von Anderem sprechen, Meister." „Ich hab' bisher geholfen, Waffen zn schmieden gegen die Ungläubigen. Das mag für friedliche Zeiten ganz wackere Arbeit sein, aber nun, meine ich, wo ein Jeder Alles einsetzen mnß, um der gefährdeten Stadt beiznspringem wo unsereKräfte immer schwächer werden, da soll ein junger Geselle mit solchen Armen endlich daran denken, daß er ein Schwert nicht nur schmieden, sondern auch schwingen kann. Ich thn's Euch kund, lieber Meister, daß ich mich morgen beim -Fähnlein der ledigen Gesellen' einschreiben zu lassen Willens bin." „Balduin," der Alte sprach diesen Namen mit einer Stimme, in deren Bebe» es deutlich lag, wie theuer ihm derselbe geworden, „das thust du aus Trotz, bleib'!"

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