Gemeinderatsprotokoll vom 29. Oktober 1924

16. Sitzung. PROTOKOLL über die 16. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 29. Oktober 1924. Tagesordnung. 1.) Mitteilungen des Bürgermeisters. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent V.B. Russmann. 2.) Subvention des Wehrbaues beim Kugelfang. 3.) Erhöhung der Mietzinshellerabgabe. Referent G.R. Dr. Schneeweiss. 4.) Erhöhung der Kraft- und Kutschwagenabgabe. 5.) Automobilsteuerrekurs. Vertrauliche Sitzung. Anwesende: Vorsitzender Bürgermeister Josef Wokral; die Vicebürgermeister Karl Dedic, Dr. Hubert Messenböck und Direktor Julius Russmann, die Gemeinderäte: Baumgartner Johann Kranjak Marie Voglsam Josef Hiessmayr Franz Urban Josef Molterer Berta Klaffenböck Johann Fischer Karl Klement Karl Furrer Ulrich Dr. Lebeda Alois Futterer Franz Lind Eduard Strasser Hans

Lischka Hans Markgraf Josef Mayr Anton Radmoser Johann Saiber Alois Schlossgangl Leopold Schneeweiss Rudolf Dr. Ecker Alois Wolfartsberger Johann Tribrunner Franz Vom Magistrate: Magistratsdirektor Dr. Ferdinand Häuslmayr. Als Schriftführer: Protokollführer Karl Kapinus. 1.) Mitteilungen des Bürgermeisters. Der Bürgermeister begrüsst die Gemeinderäte, er¬ klärt die Beschlussfähigkeit und berichtet: Entschuldigt haben sich die Gemeinderäte Hafner, Witzany, Kisely, Januschka und Kletzmayr. Nicht entschuldigt abwesend: G.R. Scherak. An Stelle des G.R. Aigner wurde Herr Hans Peteler und als dieser die Nichtannahme erklärte, Herr Friedrich Schreiner einberufen. Erst zur Mittagstunde langte auch dessen Absage ein, sodass der Listennachfolger nicht mehr geladen werden konnte. Wird zur Kenntnis genommen. Als Protokollprüfer werden nominiert G.R. Wolfartsberger und Baumgartner. Bürgermeister Wokral schreitet sodann zur Beantwortung der am 7. Juli 1924 eingebrachten Interpellation, welche infolge der Gemeinderatsferien nicht früher beantwortet werden konnte. Im Zusammenhange mit einem am 18. Juni von der Bürgerkorpskapelle veranstalteten Zapfenstreiches, der durch eine maskierte Gruppe Störung erfuhr, wurde ich von den Mitgliedern der Wahlvereinigung am 7. Juli d.J. interpelliert. Die Interpellation behauptet, dass die Abhaltung des Zapfenstreiches durch eine grössere Gruppe, welche teils wie Indianer bemalt und ausgerüstet waren, teils Nachahmungen von typischen Figuren darstellten, verhindert worden sei und stellt an mich sieben Fragen, die ich infolge der Ferien des Gemeinderates erst heute beantworten werde. Da die Interpellation eingangs anführt, der Herr

Bürgermeister sicherte den ungestörten Verlauf des Zapfenstreiches zu", muss ich zunächst richtigstellen, dass meine Versicherungen sich nur auf einen ungestörten Verlauf des Fronleichnamsfestes bezogen und dass ich mit Erinnerung an Vorfälle beim Zapfenstreich der Bürgergarde im Jahre 1923 viel mehr offen die Ansicht geäussert habe, dass es mir mit Rücksicht auf den Unwillen, den solche uniformierte Veranstaltungen bei einem Grossteil der Bevölkerung von Steyr auszulösen pflegen, was nach den uniformierten Exzessen und Orgien eines fünfjährigen Weltkrieges nicht so unbegreiflich ist, lieber wäre, wenn die Herren der Wahlvereinigung ihren Einfluss dahin geltend machen möchten, dass dieser Zapfenstreich als für den religiösen Charakter des Fronleichnamsfestes essentiell belanglos unterbleiben möge. Allerdings ihn zu verbieten, hatte ich bei meiner in diesen Dingen prinzipiell liberalen und stets entgegenkommenden Auffassung keine Veranlassung. In der Meinung, dass den Herren Interpellanten vor allem daran gelegen sein müsse, auch durch ihr Zutun beizutragen, dass sich die religiöse Feier in einem würdigen Rahmen abspiele, habe ich diese Auffassung auch gegenüber dem Herrn Heeresminister Vaugoin ungeschminkt vertreten. Es hat sich nämlich der Herr Heeresminister gleichfalls an mich gewendet, nicht dass ich Massnahmen zur ungestörten Abhaltung eines Zapfenstreiches, wohl aber zur Sicherung der Fronleichnamsprozession in Erwägung ziehen möge. Der Brief des Herr Ministers lautet: Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Soeben habe ich die Mitteilung erhalten, dass an der am 22. Juni l.J. in Steyr stattfindenden Fronleichnamsprozession auch Teile des Bundesheeres teilnehmen werden. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dass Sie, Herr Bürgermeister, alles aufbieten werden, um Zwischenfälle hintanzuhalten. Mit dem Ausdrucke der vorzüglichsten Hochachtung Vaugoin.

Wien am 23. Mai 1924. Min. adj. Zahl 881. Dem Herrn Minister habe ich sofort darauf geantwortet, und mich schon damals, das ist am 28. Mai l.J., veranlasst gesehen, deutlich hervorzuheben, dass ich als Bürgermeister wohl die Abhaltung einer religiösen Feierlichkeit pflichtgemäss unter meine schützende Obsorge nehmen werde, dass ich aber die zu diesem Zwecke in Bedacht zu nehmende polizeilichen Vorkehrungen nicht für eine schliesslich überflüssige Veranstaltung wie einen Zapfenstreich einzusetzen in der Lage wäre. Zwischen Zapfenstreich und Prozession besteht für mich amtlich ein Unterschied. Ich schrieb daher dem Herrn Minister: Steyr, am 28. Mai 1924. Hochgeehrter Herr Minister! Sie haben an mich als Bürgermeister den Apell gerichtet dafür Sorge zu tragen, dass das Fronleichnamsfeste in Steyr einen ungestörten Verlauf nehmen könne, auch wenn Mitglieder der Garnison freiwillig daran teilnehmen. Hierauf beehre ich mich zu erwidern, dass ich nicht ermangeln werde, jede Sorge zu tragen, dass an dieser kirchlichen Veranstaltung jeder Mann nach freiem Willen ungestört teilnehmen kann. Ich erlaube mir aber daran zu erinnern, dass im Vorjahre der Konflikt dadurch entstanden ist, dass am Abend vor dem Feste ein Aufzug der Bürgergarde verstärkt durch Mitglieder des Wehrbundes stattgefunden hat. Gegen derartige Maskeraden wenn auch hystorischen Ursprungs, besteht bei der Mehrheit der Bevölkerung von Steyr eine ausgesprochene Abneigung. Ich kann nmch als Bürgermeister nur verpflichtet fühlen, ein religiöses Fest in Schutz zu nehmen, nicht aber damit nicht notwendig zusammenhängende Aufzüge. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn es Ihrem grossen Einflusse gelänge, dass von derartigen hier überflüssigen Veranstaltungen, die in Steyr unbedingt als Provokation aufgefasst werden, Abstand genommen würde, da ich nach dieser Richtung hin die Verantwortung ablehnen müsste. Dass eine solche Veranstal-

tung einen ungestörten Verlauf nimmt, kann niemand von uns garantieren, so aufrichtig ich wünsche, dass auch selbst solche äusserliche, jeden tieferen Sinn entbehrende Aufzüge eine Störung nicht erleiden möchten. Mit dem Ausdrucke grösster Wertschätzung Ihr ergebener Wokral Bürgermeister der Stadt Steyr. Ich weiss nicht ob der Herr Minister auf die Mitglieder der Wahlvereinigung nach der von mit gewünschten Richtung einen Einfluss genommen hat, ich weiss auch nicht, ob er, sei es als Minister, sei es als Parteimann überhaupt einen solchen hätte nehmen können. Eines aber sehen die Herren Interpellanten aus dieser meiner Antwort, dass ich wohl gewünscht habe, dass der Zapfenstreich einen ungestörten Verlauf nehmen möchte, dass ich aber weder Verantwortung noch Garantie nach dieser Hinsicht zu übernehmen bereit war und zwar aus den im Briefe angeführten Gründen. Nun zu den Fragen der Herren Interpellanten: 1.) War der Umzug jener Horde beim Magistrate der autonomen Stadt Steyr gesetzmässig angemeldet? Antwort: Nein, weil er sonst wahrscheinlich nicht hätte stattfinden können. Die Veranstalter dieses Umzuges haben es leider unterlassen, der Polizei über ihr Vorhaben Nachrichten zufliessen zu lassen. Vorkehrungen zur Verhinderung einer Veranstaltung, von der die Polizei keine Kenntnis hatte, waren daher unmöglich. 2.) Hat diese Horde vom Bürgermeister der autonomen Stadt Steyr die Erlaubnis zum Umzuge erhalten? Antwort: Dass ich das getan haben könnte, glauben die Herren wohl selbst nicht. Mit solch scherzhaften Wendungen können mich die Herren Interpellanten nicht treffen. 3.) Falls der Umzug nicht angemeldet und genehmigt war: Welche Massnahmen hat der Herr Bürgermeister gegen die Polizei eingeleitet, die den vom Herrn Bürgermeister zuge-

sagten Schutz der Bürgerkorpskapelle nicht hat angedeihen lassen? Antwort: Diese Frage beantwortet sich aus den vorher gemachten Ausführungen. 4.) Beruht die von der Linzer Tagespost gebrachte Nachricht auf Richtigkeit, dass der Magistratsdirektor Dr. Häuslmayr bereits um 7.45 Uhr Minuten abends an die Polizei die Weisung ergehen liess, die Horde, wie die Herren immer sagen, unbehelligt zu lassen und erst dann einzuschreiten, wenn es zu Tätlichkeiten käme? Antwort: Da ich stets über die amtliche Wirksamkeit unseres Magistratsdirektors unterrichtet bin, stellte ich selbstverständlich gegen den Herrn Magistratsdirektor auf Grund von unverbürgten Zeitungsmeldungen keinerlei Untersuchungen an. 5.) Wenn ja, in welcher Weise ist der Herr Magistratsdirektor Dr. Häuslmayr zur Verantwortung gezogen worden? Antwort: In keiner Weise. 6.) Ist vom Herrn Bürgermeister die Anzeige nach § 302 und § 303 St.G. eingebracht worden?, weil sich erwiesenermassen Elemente der Horde die Verspottung einer vom Staate öffentlich anerkannten Kirche zu schulden kommen liessen? Antwort: Eine Verspottung einer öffentlich anerkannten Kirche ist nicht vorgekommen. Der beanstandete Aufzug - das kann nicht nachdrücklich genug hervorgehoben werden - war nicht gegen eine religiöse Einrichtung, sondern gegen den Zapfenstreich der uniformierten Bürgergarde gerichtet. Ich hatte daher für eine Anzeige nach § 302 und 303 St.G. nicht die mindesten Grundlagen. Ich lehne es ab, mich zu einer Anzeige an den Staatsanwalt einladen zu lassen, die ebenso erfolglos, wie in diesem Einzelfalle auch lächerlich wäre. Auch lechzt der Herr Staatsanwalt nicht darnach von mir umfassende Beschäftigungen zu übernehmen, die ihn zu keinem Ergebnis führen könnten. 7.) Ist der Herr Bürgermeister gewillt, künftighin den von ihm genehmigten Veranstaltungen und jedem Teile der Bevölke-

rung der Stadt Steyr den nötigen Schutz angedeihen zu lassen? Antwort: Sehr gerne und künftighin so wie bisher. Wobei ich bemerke, dass ich zum Schutze einer Prozession natürlich immer andere polizeiliche Vorkehrungen vorsehen werde, als für den Schutz eines Zapfenstreiches. Meine Herren! Sosehr ich die Vorkommnisse, die in der Interpellation beklagt werden, bedaure, so lieb es mir ferner gewesen wäre, wenn sie sich nicht abgespielt hätten, so offen muss ich aber auch hier sagen, dass ich nicht so weltfremd bin und dass ich auch den Herren Interpellanten nicht zumute, nicht anzuerkennen, dass sich am 18. Juni irgendeine mir auch heute nicht bekannte Gesellschaft mit der Bürgerkorpskapelle einen Ulk geleistet hat. Gewiss einen ungeziemenden, wenn sie wollen, einen bösen Ulk. Sie können mir aber nicht ernstlich zumuten, dass ich die Polizei autorisiere gegen einen solchen, wenn auch unstatthaften Ulk mit blanker Waffe vorzugehen und etwas anderes wäre der Polizei nicht mehr übrig geblieben. Was ich Ihnen auf Ihre Interpellation schon im Jahre 1923 geantwortet habe, muss ich daher auch heuer wiederholen: Ich wünsche, dass es sich alle Parteien angelegen sein lassen, durch gegenseitige Fühlungnahme beizutragen, dass jene Atmosphäre geschaffen wird, die es ermöglicht, trotz aller Parteigegensätze nebeneinander zu leben und zu wirken, ohne dass die Gemüter so oft überschäumen. Die Zeiten aber, wo die polttisch verantwortlichen Stellen bei geringfügigen Anlässen mit Waffengewalt unbedenklich einschritten, sind zu unserer Genugtuung hoffentlich endgültig vorüber." Und das in erster Linie im Interesse des guten Rufes unserer braven Polizeitruppe selbst. V.B. Dr. Messenböck stellt den Antrag auf Eröffnung der Debatte über die Beantwortung. G.R. Tribrunner spricht für die Ablehnung des Antrages.

Der Antrag Dr. Messenböck wird abgelehnt. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent V.B. Russmann. 2.) Subvention des Wehrbaues beim Kugelfang. Zl. 14914/24. Der Referent berichtet in ausführlicher Weise über den erfolgten Wehrbruch und über die Bemühungen über das Zustandekommen der Rekonstruktion. Er berichtet über den Abfall der Interessenten Koburg und Lamberg, deren Anteile die Firma Huber § Co. übernahm, über die Bestrebungen zur Erlangung von Subventionen von Land und Bund und dass die Gemeinde zu diesem Zwecke sowohl, als auch zur Erlangung der produktiven Arbeitslosenfürsorge als Bauwerberin aufgetreten sei, wobei die Unterbringung von Arbeitlosen, die Abstellung der sanitären Missstände infolge des wasserlosen Flussbettes, mitbestimmend war. Er verliest einige diesbezügliche Schriftstücke, erinnert an die Schwierigkeit des Zustandekommens und dass sich die Gemeinde bereit erklärte, 75 Millionen dazu beizutragen. Er schildert die Schwierigkeiten, die er beim Ministerium wegen Erlangung einer Subvention des Bundes hatte und kommt auf die Vorkommnisse zu sprechen, die entstanden seien, als die Bauunternehmung G.A. Wayss die Löhne an die Arbeiter nicht auszahlen konnte. Um über die momentane Verlegenheit hinwegzuhelfen, hat die Gemeinde zu jener Zeit eine Vorschusszahlung auf die Subvention in der Höhe von 12 Millionen Kronen gegeben. Es gehe natürlich nicht an, eine Subvention geradezu zwangsweise einzutreiben, noch dazu, da sie der Gemeinderat erst heute zu bewilligen haben wird, und meint, dass es Pflicht der Interessenten sei, für die Bezahlung der auf sie entfallenden Anteile zu sorgen, da sie nach der Sachlage zur Errichtung der Wehr zwangsweise verhalten werden können und dass der Standpunkt der Waffenfabrik unbegreiflich ist, die die Firma zur Gemeinde schickte, sich dort Geld zu holen. Er tritt schliesslich für die Annahme des im Finanz- und Rechtsausschusse einstimmig genehmigten Antrages mit dem aus den Verhältnissen entstandenen Zusatzantrage ein:

Der Gemeinderat beschliesse: Auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses vom 24. September 1924, Zl. 18522/23 und 30. Jänner 1924, Zl. 25663/23 wird die ex präsidio für die Rekonstruktion des Kugelfangwehres bewilligte Subvention per 75 Millionen Kronen aus den Gründen der ex präsidio Entscheidung - sanitäre Gründe, Unterbringung von Arbeitslosen - nachträglich genehmigt. Die Flüssigmachung dieser Subvention abzüglich des bereits überwiesenen Betrages von 12 Millionen Kronen erfolgt erst nach Erteilung des Benützungskonsenses. G.R. Markgraf glaubt die Angelegenheit nicht so ansehen zu können, wie sie der Referent dargestellt haben will, die Waffenfabrik habe kein besonderes Interesse an der Wasserkraft und meint, es gäbe drei Interessenten, die Waffenfabrik, die Firma Huber und die Gemeinde. Die Subvention müsse während des Baues geleistet werden. G.R. Dr. Furrer verweist auf die sanitären Übelstände und wünscht deren eheste Abstellung. V.B. Russmann erklärt, G.R. Markgraf spreche nicht als Gemeinderat sondern als Interessentenvertreter der Fabrik und betont, dass anlässlich der wasserrechtlichen Kommissionierung festgestellt würde, dass die interessierten Firmen zur Wiederherstellung der Wehr verhalten werden können, und dass durch das loyale Vorgehen der Gemeinde dieser nun daraus ein Strick gedreht werden sollte. Nach einer tatsächlichen Berichtigung des G.R. Markgraf, worin er erklärte, er wolle der Gemeinde keinen Strick daraus drehen, wird zur Abstimmung geschritten und dabei der Ausschussantrag mit grosser Mehrheit angenommen. 3.) Erhöhung der Mietzinshellerabgabe. Zl. 5279/24. V.B. Russmann bedauert, heute über Vorlagen referieren zu müssen, die wenig Sympatien haben. Das gelte vor allem bei dieser Vorlage. Der Bund verweise die Gemeinde auf die Einnahmen aus den Realsteuern, nachdem er ihr alle sonstigen Einnahmsquellen weggenommen

habe, es seien also zwingende Gründe, die die Gemeinde veranlassen mit solchen Vorlagen an den Gemeinderat heranzutreten. Das Defizit der Gemeinde begründet sich in dem Entfalle der Lohnabgabe, an den Zuschüssen für die Arbeitslosen. Auch das Fürsorgewesen belastet die Gemeinde ungemein, woran schuldtragend der ewige Konjunkturbetrieb in der Waffenfabrik sei und dass es das Bestreben der Gemeinde sein müsse, diese Abhängigkeit zur Hebung des Fremdenverkehres zu lokkern und hebt die Versäumnisse der Vergangenheit hervor. Die Gemeinde habe keine Unternehmungen, die anderorts hohe Einnahmsquellen bilden. Er verweist darauf, dass der Bund mit den Ertragsanteilen im Rückstande ist, so sei für 1924 bisher nur 1/12 der Einnahmen von 1923 ausbezahlt worden, der Bund halte also die gewährleisteten Anteile zurück, um sich zu sanieren. Auch von der Warenumsatzsteuer ist der Gemeinde noch nicht ein roter Nickel zugegangen. Der Hausbesitz der Gemeinde stelle zwar einen guten Vermögensstand dar, bedeute aber keine Einnahmsquelle. Das im Voranschlage präliminierte Defizit von 8 Milliarden wird voraussichtlich mit Jahresende auf 5 1/2 Milliarden restringiert werden. Die Vorlage der Erhöhung der Zinshellerabgabe auf das dreifache schont die Arbeitslosen vor allem, die von der Erhöhung ausgeschlossen werden und aus dem Erträgnis der Abgabe soll, wenn keine neuen Hindernisse erstehen, 50% für Wohnbauzwekke reserviert bleiben. Da das Land eine gleiche Steuer plane sei damit ein Ventil geschaffen, dass die in Steyr erhobene Abgabe nicht zu Wohnbauten in anderen Gemeinden herangezogen werden kann. Er ersucht schliesslich um einstimmige Annahme. Der Gemeinderat beschliesse: Auf Grund des Abgabenermächtigungsgesetzes vom 13.Dezember 1923, L.G. und Vdg. BI. Nr. 5 ex 1924 die Regelung der mit Gemeinderatsbeschluss vom 28. April 1924 festgesetzten Mietzinshellerauflage mit Wirksamkeitsbeginn ab 1. November 1924 wie folgt: 1.) Die Mietzinshellerauflage wird auf das Dreifache der derzeitigen Sätze erhöht; 2.) Von der Erhöhung sind befreit die Arbeitslosen auf die

Dauer der nachweisbaren Arbeitslosigkeit und die in Armenunterstützung stehenden Personen; 3.) vom Jahre 1925 an sind 50 % der Mietzinshellerauflage soferne es die wirtschaftlichen Verhältnisse gestatten - für Wohnungsbau zu verwenden. G.R. Klafenböck behauptet, das Defizit liege im Hausbesitz und man möge mit dem Ankauf von Häusern endlich aufhören. Er erklärt, nicht für die Vorlage stimmen zu können. G.R. Futterer befürchtet eine Auswirkung auf die kleinen Mieter, denn die grossen, die Geschäftsleute, werden die Abgabe wieder auf die Konsumenten abzuwälzen suchen. Er stellt den Zusatzantrag, die Mietzinshellerabgabe wird erst von der 5. Gruppe ab um das dreifache erhöht. G.R. Ecker glaubt nicht an die Möglichkeit der Reservierung der 50 % für Wohnbauzwecke und verweist darauf, dass die Gemeinde als der grösste Zinsgeier bezeichnet wurde. Er könne sich nicht entschliessen für den Antrag zu stimmen. V.B. Dr. Messenböck bedauert erst heute Mittags von der Vorlage in Kenntnis gesetzt worden zu sein, da er keine Abschrift des Antrages erhalten habe. Er streift dann eine Anstänkerung von Fremden durch einen Gemeindearbeiter und erklärt am Schlusse nicht für die Vorlage stimmen zu können. G.R. Steinbrecher polemisiert gegen die einzelnen Redner und wünscht am Schlusse, die Gegner mögen andere Vorschläge zur Hebung der Gemeindefinanzen machen, insolange dies nicht der Fall ist, ersucht er um Annahme der Vorlage. G.R. Schlossgangl beklagt die Vorgänge bei der Fronleichnamsfeier, die nicht zur Hebung des Fremdenverkehres beitragen und bemängelt den Ankauf von Häusern und Geschäften. Bürgermeister Wokral schaltet ein, dass die Abgabe keinesfalls zur Hebung des Fremdenverkehres Verwen-

dung finden solle. Übrigens sei ihm von der Anstänkerung von Fremden nichts bekannt. V.B. Dr. Messenböck nennt den städt. Arbeiter Mateyka, der die Fremden anlässlich des Sängertages anflegelte und mit einer Giesskanne anspritzte. G.R. Strasser verweist darauf, das Mateyka ein Anhänger der Partei des V.B. Dr. Messenböck sei. G.R. Fischer hebt die Quertreiberei hervor, die der Gemeinde und ihren Betrieben gemacht werden und will die Waffenfabrik energisch aufmerksam gemacht haben, die brachliegenden Objekte an andere Firmen abzugeben. Bürgermeister Wokral erklärt hiezu, dass die Gemeinde keine Möglichkeit habe, darauf Einfluss zu nehmen. V.B. Russmann verweist im Schlussworte auf die Progression im weitgehendsten Umfange, dass die 3 untersten Stufen noch nicht valorisiert seien. Er verwahrt sich gegen die Behauptung, die Gemeinde sei bestraft worden, das sei nicht richtig und wendet sich dann gegen V.B. Dr. Messenböck, der als Chef der Bauabteilung dort alles laufen lasse und im Gemeinderat darüber schimpfe. Die Gehälter des Bürgermeisters und der Vicebürgermeister seien damals über Antrag des Prof. Brand den Bezügen der Nationalräte angeglichen worden und er erklärte, dass er für seine Person sich den Gehalt ehrlich verdiene. Er kritisiert die kleingeistigen Ideen über den Verkehr, sowie, dass einzelne Geschäftsleute die Konkurrenz der Linzer, sogar der Sierninger Geschäftsleute fürchten. Alle vorgebrachten Vorwürfe seien dürftige Argumentation, die uns nicht treffen können. Nachdem noch V.B. Dr. Messenböck eine Richtigstellung vorbringt, wird zur Abstimmung geschritten. Der Abänderungsantrag Futterer wird abgelehnt, der Ausschussantrag angenommen. Referent G.R. Dr. Rud. Schneeweiss. 4.) Erhöhung der Kraft-und Kutschwagenabgabe. Zl. 14926/24. Der Referent glaubt sich die Begründung der Not-

wendigkeit ersparen zu können, verweist auf die Städte Linz und Wien, wo die Steuer eine weitaus höhere ist und sogar für lagernde Automobile eine Steuer von rund 5 Millionen gefordert wird. In Steyr sind die Verhältnisse andere. Übrigens beabsichtigen Bund und Land eine solche Abgabe und es sei notwendig eine Handhabe zu besitzen, aus dieser Abgabe etwas zu bekommen. Namens des Finanzausschusses beantrage er: In Abänderung des Gemeinderatsbeschlusses vom 13. November 1923 bzhw. vom 15. März 1924 auf Grund des Abgabenermächtigungsgesetzes vom 13. Dezember 1923 L.G.und Vdg.Bl. Nr. 5 ex 1924 die Regelung der Abgabe mit Wirksamkeitsbeginn ab 1. Jänner 1925 wie folgt: A. Für Kraftwagen mit Verbrennungskraftmaschinen wird die Abgabe nach Steuerpferdestärken berechnet und beträgt für das Jahr: 1.) Für Personenkraftwagen für jede Steuer-Pferdestärke 60 (sechzig) Goldkronen; 2.) Für Lastkraftwagen und nicht zum Personentransporte eingerichtete Geschäftslastwagen für jede Steuerpferdestärke 8 (acht) Goldkronen. 3.) die übrigen Bestimmungen des Punktes I der obzitierten Gemeinderatsbeschlüsse bleiben aufrecht. B. Der Punkt III, Absatz 1 der obzitierten Gemeinderatsbeschlüsse hat zu lauten: Für Motorräder beträgt die Abgabe ohne Unterschied der Kategorie 20 (zwanzig) Goldkronen pro Jahr; diese Abgabe ist eine Pauschalabgabe und ist jedes Jahr im Laufe des Monates Jänner einzuzahlen. Für Motorräder, für welche die Abgabepflicht erst nach dem Monate Jänner eintritt, ist die Abgabe binnen 14 Tagen nach Eintritt in die Abgabepflicht zu entrichten. Der Punkt III, Absatz 2 der oben zitierten Gemeinderatsbeschlüsse hat zu lauten: Für Kutschierwagen sowie Motorräder, die vor

wiegend in Ausübung eines Gewerbes oder Berufes verwendet werden, vermindern sich die Sätze auf die Hälfte. C. Der Gemeinderat interpretiert den bisherigen Absatz 2 des Punktes III der oben genannten Gemeinderatsbeschlüsse autentisch dahin, dass die Worte: „Personen", „Kraft"; den Begriff „Personenkraft" zum Ausdruck bringen. Für die Zukunft ist diese Interpretation ohnehin belanglos, da eine Ermässigung für die Personenkraftwagen entfällt. D. Dieser Beschluss tritt am 1. Jänner 1925 in Wirksamkeit. G.R. Markgraf spricht sich dagegen aus, es sei ganz gefehlt, so hoch zu besteuern und möchte lieber Ersparungen in der Verwaltung sehen. Man hätte die Erhöhung der Mietzinshellerabgabe nicht gebraucht, wenn verschiedene Anschaffungen nicht gemacht worden wären. G. R. Dr. Schneeweiss macht im Schussworte aufmerksam, dass die Steuer deshalb eine populäre sei, weil derjenige, der ein Auto hat, in der Lage sein wird, die Steuer zu bezahlen. Er verweist nochmals auf andere Städte, wo sich die Käufer nicht durch die Erhöhung vom Kaufe abhalten lassen. Bürgermeister Wokral berichtet noch über die Absicht des Bundes, eine solche Abgabe einzuheben, wozu der Beschluss umso nötiger erscheint, um eine Abhandlungsbasis zu schaffen. Bei der Abstimmung wird der Antrag angenommen. 5.) Automobilsteuerrekurs. Zl. 14979. Der Referent beantragt: Der Gemeinderat beschließe: Der Rekurs der österr. Waffenfabriksgesellschaft wider den Zahlungsauftrag über die Gemeindeabgabe von Kraftwagen wird als unbegründet abgewiesen. G.R. Markgraf behauptet, das Gesetz wäre anzuwenden, auch wenn ein Druckfehler vorliege. G.R. Dr. Schneeweiss verweist darauf, dass der Sinn des Gesetzes ausschlaggebend sei, nicht der Wortlaut.

Der Antrag wird dann mit grosser Majorität angenommen. Schluss der öffentlichen Sitzung um 3/4 10 Uhr abends. Der Bürgermeister: Wokral. Die Protokollprüfer: Der Schriftführer: Wolfartsberger Johann. Karl Kapinus. Baumgartner Johann.

Protokoll über die vertrauliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr, am Mittwoch den 29. Oktober 1924. Referent V.B. Russmann. 1.) Beschaffung eines ausländischen Kredites. Zl.14166/24. V.B. Russmann begründet in längerer Ausführung die Notwendigkeit der Erlangung eines grösseren Kredites. Hiezu sei die Ermächtigung der Gemeinde durch den Gemeinderat erforderlich und bringt den Ausschussantrag zur Verlesung. Nach längerer Debatte und nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung wird dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt und eine Sitzung des Gemeinderates für Freitag 7 Uhr abends zur Erledigung dieses einen Punktes angeordnet. 2.) Pauschalierung der Hockersteuer. Zl. 15762/24. Dem Ansuchen der Gastwirtgenossenschaft wegen Pauschalterung der Hockersteuer wird stattgegeben. Ohne Debatte angenommen. Referent G.R. Dr. Rudolf Schneeweiss. 3.) Rekurs wegen Pensionsbemessung. Zl. 540/Präs. Der Referent beantragt nach eingehender Begründung der Gemeinderat wolle beschliessen: Der von Frau Alma Habl wider den Beschluss des Gemeinderats-Präsidiums vom 28.8.1924, Zl. 533/Präs. erhobenen Vorstellung wird hinsichtlich der Punkte 1 und 2 dieses Beschlusses dahin Folge gegeben, dass die Bemessung des Sterbequartals sowie die Witwen und Waisenbezüge nicht von den restringierten (2/3) Bezügen des verstorbenen Dr. Franz Habl sondern von den vollen Bezügen, wie sie am Todestage desselben ohne Rücksicht auf die seinerzeit erfolgte Suspendierung gebührt hatten,

platzzugreifen hat. Im übrigen wird die Vorstellung als unbegründet zurückgewiesen. Ohne Debatte angenommen. Schluss der Sitzung um 11 Uhr. Der Bürgermeister: Wokral m.p. Der Schriftführer: Kapinus m.p. Wolfartsberger m.p. Hans Baumgartner m.p.

Protokoll über die Fortsetzung der vertraulichen Sitzung am 31. Oktober 1924. V.B. Dedic erklärt im Auftrage des Bürgermeisters die Sitzung für wiedereröffnet und stellt den Punkt Beschaffung eines ausländischen Kredites Antrag: Der Gemeinderat beschliesse: der Aufnahme eines ausländischen Kredites bis zur Höhe von 50 Milliarden Kronen wird im Prinzipe zugestimmt. Über die Bedingungen der Aufnahme und Verwendung dieses Kredites, Verzinsung und Amortisierung wird ein vom Gemeinderate gewähltes Komitee beraten und dem Gemeinderate Antrag stellen. Dieses Komitee, dessen Vorsitzender der Bürgermeister zu sein hat, wird in der Weise zusammengesetzt, dass von der Gemeinderatsmehrheit 3 Mitglieder und von der Minorität 2 Mitglieder dorthin entsendet werden. Da das Referat bereits erstattet ist, zur Disskussion. V.B. Dr. Messenböck erklärt namens der Mitglieder der christlichsozialen Partei für den Antrag zu stimmen. G.R. Markgraf namens der grossdeutschen und G.R. Ecker namens der nationalsozialistischen Partei geben gleichlautende Erklärungen ab.G.R. Markgraf hat einige Bedenken über die Rechte des Komitees, die V.B. Russmann durch wiederholtes Verlesen des Antrages widerlegt. G.R. Hofrat Dr. Furrer beantragt namentliche Abstimmung: Sämtliche anwesende Gemeinderäte und zwar: V.B. Dr. Messenböck, V.B. Russmann, G.R. Voglsam, Molterer, Fischer, Dr. Furrer, Strasser, Hiessmayr, Urban, Klaffenböck, Kranjak, Lebeda, Lind, Lischka, Markgraf, Mayr, Radmoser, Saiber, Schlossgangl,

Dr. Schneeweiss, Ecker, Steinbrecher, Tribrunner, Wolfartsberger geben über Verlesung der Namen ihre Zustimmung. Somit erscheint der Antrag angenommen. V.B. Dedic ersucht nun um Vorschläge für das Komitee. Seitens der Wahlvereinigung werden von G.R. Klaffenböck die Herren V.B. Dr. Messenböck und G.R. Markgraf, seitens des G.R. Tribrunner für die sozialdemokratische Partei, die Herren Russmann, Hafner und Dr. Schneeweiss vorgeschlagen. Als Vorsitzender des Komitees hat Bürgermeister Wokral zu fungieren. Angenommen. Knapp vor Schluss der Sitzung erscheint G.R. Futterer und gibt zu Protokoll, dass er für seine Partei dem Antrag seine Zustimmung erteilt. Der Vicebürgermeister: Der Schriftführer: Dedic m.p. Kapinus m.p. Hans Wolfartsberger m.p. Baumgartner Hans m.p.

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