Gemeinderatsprotokoll vom 30. Jänner 1922

VIII. Da die Originaldokumente aus dem Landesarchive nicht Erfordernis: entfernt werden durften, wurden hievon legalisierte Abschriften Bedeckung: genommen, welche sodann dem Herrn Bürgermeister zur Ein¬ Kultus, Unterricht, Kunst sichtnahme übersendet und von diesen wieder am 1. Juli 1921 und Wissenschaft . . K 25,815.768-— K 921.278•— dem Vorstadtpfarramte rückgemittelt worden sind Herr Vizebürgermeister Nothhaft: Eine Kopienserie dieser Akten habe ich heute mitgenommen und stelle ich dieselbe den sich für die Sache interessierenden Sehr geehrter Gemeinderat! Zu Rubrik VIII des Präli¬ minares „Kultus und Unterricht“ Gemeinderatskollegen gerne zur Einsicht. habe ich mir auch heuer Für die endliche Beschlußfassung im Gemeinderate selbst wieder das Wort erbeten, weil dieser Punkt im Zusammenhange zeichnen ja die vorangeführten Tatsachen ohnedies den jetzt einzig steht, einerseits mit meinen Ausführungen zum gleichen Gegen¬ gegebenen Weg vor: Entweder definitive Belassung der Post VIII/I stande im Vorjahre, andererseits mit einer Interpellation hin¬ in dem alljährlichen Präliminare oder falls sich die Majorität sichtlich des Fronleichnamsaltares in der Gemeinderatssitzung wirklich nicht dazu entschließen könnte, eben Kündigung des vom 27. Juli 1921 und der schriftlichen Beantwortung durch ganzen Patronatsverhältnisses Ob nun die eventuelle Lösung den Herrn Bürgermeister in der nachfolgenden Gemeinderats¬ der Frage in letzterer Linie, der Vorstadtpfarre und den kirch¬ sitzung vom 23. September 1921. lichen Oberbehörden gerade eine unwillkommene wäre, will ich Ich habe die Absicht, mich bei dieser Besprechung nur rein dahingestellt sein lassen. sachlicher Momente zu bedienen und schicke voraus, daß es sich hiebei eigentlich um dreierlei Rechte handelt, welche streng voneinander zu unterscheiden sind und zwar: das Patronats recht, Vertragsrecht und das Gewohnheitsrecht. Weiters kann ich im voraus darauf hinweisen, daß es sich bei der Beratung dieses Punktes auch keineswegs um die etwaige Höhe oder Verminderung des Erfordernisses handelt, sondern nur um eine reine Prinzipienfrage, die aber doch heute endlich einmal zur endgiltigen Austragung gelangen soll, alse darum, ob diesbezügliche Verpflichtungen wirklich bestehen, oder ob wir uns denselben auch entziehen können, eventuell wollen. Ich gehe also zur meritorischen Behandlung über und be ginne zunächst mit Punkt 1 „Kirchen= und Pfarrhofgebäude¬ Erhaltung", wofür Sie das annähernde Erfordernis von 6000 Kronen eingesetzt finden. Hier kommt nur das Patronatsrecht allein in Frage. Der erste schüchterne Versuch, diese Beitragsleistung gänzlich aus dem Präliminare hinauszudrängen, wurde bereits im Jahre 1919 gemacht, mit der Motivierung, daß es sich mit den Anschau¬ ungen der nunmehrigen sozialdemokratischen Majorität des Gemeinderates nicht recht vertrage, für konfessionelle Kultus¬ zwecke irgend einen Betrag aus Gemeindemitteln zu bewilligen. In der Uebereilung ist man aber mit zu wenig scharf ge¬ schliffenen Speeren zum Turnier geritten und mußte schor nach dem ersten Fehlwurfe zum Rückzug blasen. Auf den Haupt¬ widerstand in dieser Sache, das Patronatsrecht, wurde scheinbar gänzlich vergessen, so daß sich Ihr eigener Parteifreund Herr GR Vogl selbst bemüßigt sah, den Antrag zu stellen, vorerst die betreffenden Akten hinsichtlich eingezogener Rechte und Pflichten eingehend zu prüfen und dann erst diese Fragen neuer¬ dings zur Diskussion zu stellen. Alles war daher schon gespannt auf den zweiten Waffen¬ gang bei der Präliminarberatung im Vorjahre, derselbe ent¬ täuschte aber noch mehr als jener im Jahre 1919. Die geehrten Herren Gegner glaubten, sich die Sache sogar noch leichter machen zu können. Diesbezügliche Akten hatten sich wirklich wenigstens im Archive der Stadt Steyr nicht vorgefunden, also frisch darauf los und die lästige Post einmal ganz weggestrichen. Sie erschien wirklich im Präliminare 1921 gar nicht mehr auf. Doch gar so leicht ließ sich die Minorität nicht überrennen Das voraussichtliche Danebengehen dieses zweiten Hiebes wäre aber zu ersparen gewesen. Es wurde nur neuerdings wieder eine längere Pro- und Kontradebatte hervorgerufen, wobei ich mir darauf hinzuweisen erlaubte, daß einerseits die Unauffind¬ barkeit eines Vertrages denselben noch immer nicht ungültig macht, andererseits der Vorhalt der Herren Kollegen Witzany und Vogl, warum die Minorität sich selbst keine Mühe gebe, die Urkunden ausfindig zu machen, leicht dadurch entkräftet werden konnte, daß es auch bei Gericht stets nur Aufgabe des Klägers sei, den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen an¬ zutreten. Man hatte also abermals gegen Windmühlen gekämpft. Nachdem sodann Herr Bürgermeister Wokral erklärte, nun¬ mehr auch in den Archiven des zweiten Vertragsteiles gründ¬ liche Nachforschung einzuleiten, gelangte ein neuerlicher Ver¬ mittlungsantrag des Herrn Vizebürgermeisters Dedic, die bereits gestrichene Post für 1921 doch wieder einzusetzen, mit Majoritäts¬ beschluß zur Annahme. Somit stehen wir also heute bereits zum dritten Male vor dieser Seeschlange, die sich nun hoffentlich aufrollen wird. Die mit so großer Beharrlichkeit angezweifelten Akten sind ja nun endlich doch zum Vorschein gekommen. Auf das schrift¬ liche Ansuchen des Herrn Bürgermeisters hin setzte sich der hiesige Vorstadtpfarrer sofort mit dem bischöflichen Ordinariate in Linz und dieses wieder mit dem oberösterreichischen Landes¬ archive in Verbindung und dort haben sich diese wichtigen Dokumente, so wie wir es angenommen hatten, auch richtig gefunden. Aus diesen Originalakten, bestehend aus zwei Hofkanzlei¬ dekreten aus dem Jahre 1784, enthaltend die Verhandlungen der Regierungen mit dem Magistrate Steyr bei Errichtung der Vorstadtpfarre, und einer vom Bürgermeister, Stadtrichter und den Räten gefertigten Erklärung des Magistrates Steyr vom 14. Jänner 1785, ist sowohl Uebergabe wie Uebernahme des Patronates samt Rechten und Pflichten klar und deutlich ersichtlich. Ich komme nun zum Punkte 2, Post VIII „Schulgottes¬ dienst, kirchliche Feierlichkeiten usw Diesbezüglich kann ich mich kurz halten, weil die Patronats¬ frage nicht mehr hierin in Betracht kommt, sondern nur ein Vertrags= bezw. Gewohnheitsrecht Was den Realschul=Gottesdienst betrifft, so hat sich sonder¬ barer Weise, obwohl die Einrichtung der Schule erst vor wenigen Jahrzehnten, in den 60er Jahren erfolgte, im hiesigen Stadt¬ archive faktisch auch kein eigener Vertrag gefunden. Nach meinen Informationen soll ein solcher wohl beim Landesschulrate Linz erliegen, doch soll auch in diesem über den zur Honorierung des Gottesdienstes Verpflichteten keine nähere Bestimmung ent¬ halten sein Ohne jede Vereinbarung ist aber diese jahrelange Gepflogenheit für die geringfügigen Kosten aufgekommen zu sein, doch nicht zu erklären, und so dürfte zumindestens in diesem Falle wenigstens das Gewohnheitsrecht nicht ganz außer Acht zu lassen sein. Einen noch größeren Anspruch hat das vor¬ bezogene Gewohnheitsrecht, aber sogar beim zweiten Abschnitte „Kirchliche Feierlichkeiten“ und das bei dieser Rubrik niemals eine andere Ausgabspost als jene für den „Fronleichnamsaltar am Rathause“ auferscheint, so kommt also nur dieser in Betracht. Hier tritt aber neben diesen schon mehr als drei Jahrhunderte altem Gewohnheitsrechte für die seinerzeitige Abfassung eines Vertrages, ja ich vermute sogar eines Vermächtnisses unserer Vorfahren auch noch ein untrüglicher Zeuge vor und das ist die Existenz dieses Altares selbst. Der Altar muß doch einen Gründer gehabt haben und der Gründer muß wieder einen Zweck dafür gehabt haben. „Fronleichnamsaltäre“ baut man nicht für ein Jahr, sondern dazu, daß sie eben bei dem all¬ jährlich wiederkehrenden Fronleichnamsfeste auch immer wieder aufgestellt und benützt werden. Dieser unanfechtbaren Intention des Stifters - in diesem Falle ist es jedenfalls der frühere Stadtmagistrat — sind auch durch etwa drei Jahrhunderte alle nachfolgenden Gemeindever¬ tretungen, ob sie nun zeitweilig mehr oder weniger religiös oder konfessionell gefärbt waren, bis zum heutigen Tage ohne Ausnahme nachgekommen. Sie alle hatten dies somit nicht als Gefühlssache, sondern ohne erst in vergilbten Blättern nach einem „Muß" zu stöbern, dies selbst als ererbte Pflicht an¬ gesehen. Daß aber Angehörige einer anderen Konfession in Steyr sich jeweils darüber aufgeregt hätten, daß bei der Gemeinde¬ umlage ein halber Schein= oder Neukreuzer auch auf sie ent¬ fallen ist, werden die Herren wohl selbst kaum nachweisen können. Fast unwillkürlich drängt sich bei dieser fadenscheinigen Begründung die Variation eines alten Sprüchleins auf: Weder Jud, noch Christ, noch Hottentott, keiner hatte deßhalb einen Spott! Eine solch' zarte Feinfühligkeit war erst unserer soziali¬ stischen Neuzeit vorbehalten! Da könnte ich ja auch eine Retourkutsche auffahren lassen, und die Frage stellen, wieso denn die große Zahl jener, die dem jetzt modernen, roten Kultus nicht huldigen, dazu kommen, für die Emblemen derselben am Rathause gleichfalls mitzahlen zu müssen? Als solche sind doch die zwei hellroten Fahnen zu bezeichnen, die bei Festlichkeiten dort gehißt werden. Wirkliche Berechtigung am Rathause zu flattern haben aber doch nur das offizielle Rot=Weiß=Rot unserer demokratischen Republik und eventuell noch die Stadt= und Landesfarben Ich habe nun nicht mehr viel hinzuzufügen. Unseren Stand¬ punkt kennen Sie ja aus meiner Interpellation im Gemeinde¬ rate und den Ihren kennen wir leider auch schon aus der Be¬ antwortung derselben durch den Herrn Bürgermeister Wokral. Wenngleich deren Inhalt zu Widerlegungen genügend Stoff bieten würde, auch die Abfassung in ziemlich befremdenden Ton gehalten war, so will ich heute mit Rücksicht auf unseren schwer erkrankten Herrn Bürgermeister mich lieber vor jeder weiteren Polemik hierüber enthalten. Ebenso will ich heute auch noch nicht der Frage vor¬ greifen, wie sich die überwiegend katholische Bewohnerschaft Steyrs bei wirklicher Ablehnung dieser Post verhalten wird Daß die Frage des Kostenpunktes hiebei überhaupt keine Rolle spielt, habe ich bereits erwähnt; für das erhabendste Fest der Christenheit gibt zu dem auch der Aermste gerne seinen Heller. Immerhin möchte ich aber nicht unterlassen, darauf hinzu¬ weisen, daß bereits schon viele Stimmen laut geworden sind, ob in diesem Falle - so schmerzlich es auch manchen fallen

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