Gemeinderatsprotokoll vom 21. November 1921

Herr GR. Dr. Peyrer bemerkt hiezu, daß er gegen die Einhebung keine Einwendung im allgemeinen erhebe, aber juristisch sei die Festlegung solcher Gebühren nicht; es werden viele Parteien ihre Aussteckschilder schon länger als 20 bis 30 Jahre führen, wodurch sich besondere Rechte derselben ge¬ bildet haben. Herr GR Dr Furrer stellt den Gegenantrag, weil das Erträgnis dieser Besteuerung so gering wäre und die Kontrolle mehr kosten würde. Herr Vizebürgermeister Nothhaft bemerkt, daß er sich schon in der Sektion dagegen ausgesprochen habe. In Steyr be¬ finden sich Aussteckschilder, welche historischen Charakter tragen, aber verschwinden würden, wenn der Sektionsantrag angenommen werden würde. Außerdem wäre der Anerkennungszins viel zu hoch bemessen (Zwischenruf des Herrn GR Reisinger: „Ein Krügel Most“). Die Fürsorgeabgabe belaste obendrein noch die kleinen, Aussteckschilder besitzenden Gewerbetreibenden. Aus allen diesen Gründen wolle der Sektionsantrag nicht zum Beschlusse erhoben werden. Herr GR. Schickl verweist darauf, daß auf der einen Seite geplant ist, für eine Steyrer Messe Reklame zu machen, auf der anderen Seite unterbindet man der Geschäftswelt jede Reklame Ebensogut könnten die Hausbesitzer von den Geschäftsleuten nunmehr Gebühren verlangen; es ist aber durchaus kein Anlaß vorhanden, die Hausbesitzer darauf aufmerksam zu machen, so daß es vorteilhafter wäre, von dieser Abgabe abzusehen. Herr Referent GR. Tribrunner bemerkt im Schlu߬ worte, daß in der Sektion auch geltend gemacht wurde, daß in der Praxis diese Aussteckschilder ein Verkehrshindernis und ein Hindernis für die Beleuchtung bilden Man kann öster beob¬ achten, daß große Strohfuhren solche Schilder weggerissen haben und z. B. in der Kirchengasse die Beleuchtung behindert wird. Was die Reklame betrifft, so wird diese durch eine Abgabe von 30 bis 50 Kronen nicht behindert, auch dürfte wegen der ge¬ ringen Besteuerung eine Entfernung der Schilder, wie Herr Vizebürgermeister Nothhaft befürchtet, kaum erfolgen. Es handelt sich hier nicht um die Bewertung eines Erträgnisses, sondern wie erwähnt darum, doß in Zukunft kein Recht erseßen wird. Herr GR Dr. Peyrer sagt, daß zur Behebung der Ver¬ kehrshindernisse es nicht nötig sei, einen Anerkennungszins ein¬ zuheben, dazu seien die ortspolizeilichen Gesetze da. Herr Vizebürgermeister Dedie stellt den Vertagungsantrag, weil es besser sei, die Angelegenheit nochmals zu behandeln Der sogleich zur Abstimmung gebrachte Vertagungsantrag wird vom Gemeinderate mit 14 Stimmen angenommen. 8. Rekurs gegen eine Hundesteuervorschreibung. Der Rekurs des Herrn Franz Mann wegen Besteuerung seines Hundes als Luxushund, trotzdem derselbe nicht reinrassig ist, wird mit der Begründung abgewiesen, als es sich bei der Einschätzung des Hundes nicht um die Reinrassigkeit, sondern um die Eigenschaft als Nutzhund oder Luxushund handelt Bei dem gegenständlichen Hunde ist die Eigenschaft eines Nutzhundes nicht gegeben, weßhalb die Abweisung des Rekurses vom Ge¬ meinderate mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen wurde. 9. Rekurs gegen eine Entscheidung des städtischen Armen¬ rates. Referent Herr GR. Frühwald. Frau Franziska Truhlar hat gegen den abweislichen Be scheid des Armenrates vom 12. Oktober l. J. innerhalb der offenen Frist den Rekurs an den Gemeinderat eingebracht Frau Truhlar wurde vom Armenrate mit ihrem Unterstützungs¬ ansuchen aus dem Grund abgewiesen, weil sie ohnedies eine entsprechende monatliche Unterstützung bezieht, von ihrer Schwiegertochter verpflegt und ihr Sohn die gesetzliche und moralische Verpflichtung hat, für sie zu sorgen. Die Sektion stllt sich auf den Standpunkt des Armenrates und beantragt gleichfalls Abweisung des Rekurses Herr GR. Schickl befürwortet die Stattgebung des Re¬ kurses, weil die Rekurentin tatsächlich arm sei, und stellt den Gegenantrag auf Stattgebung des Rekurses Herr Referent GR. Frühwald widerlegt diese An¬ schauung auf Grund der ihm bekannten Verhältnisse und be¬ merkt, daß es gewiß kein Unrecht bedeute, wenn der Armenrats¬ beschluß aufrecht erhalten bleibe. Herr Vorsitzender bemerkt, das die Anschauung des Amts¬ berichtes sonderbar anmute, daß die Stiftungsgenüsse der Frau Truhlar nicht den Armenfond treffen Der Gegenantrag des Herrn GR. Schickl wird vom Ge¬ meinderat abgelehnt und der Sektionsantrag mit Stimmen¬ mehrheit angenommen. 10. Erhöhung der Gebühren für Aufmahnungen sowie Ein¬ führung von Gebühren für Geldeinhebungen 152 Referent Herr GR. Frühwald Vom Amte liegt ein Bericht vor, womit die Einführung von erhöhten Mahngebühren beantragt wird, und zwar für die erste Mahnung 20 Kronen, fur die zweite 40 Kronen und für die dritte Mahnung 80 Kronen. Auch wird beantragt, eine Taxe für die exekutive Einhebung im Betrage von 50 Kronen einzu¬ führen. Die Sektion hat den Amtsantrag geprüft und stellt den Antrag: Der Gemeinderat beschließe die Erhöhung der Mahn¬ gebühren auf 20 Kronen für die erste, auf 40 Kronen für die zweite und auf 80 Kronen für die dritte Mahnung, ferner die Einführung einer Taxe für die exekutive Einhebung von Mahn¬ gebühren mit 50 Kronen. Sämtliche Erhöhungen und die neu¬ eingeführte Taxe sind mit 1. Dezember 1921 zur Einhebung zu bringen. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen. Zweite Sektion. 11. Stadtkassetagebuchabschluß pro Oktober 1921. Referent Herr Vizebürgermeister Nothhaft. Der Herr Referent bespricht jede einzelne Post des dem Gemeinderate vorliegenden Ausweises mit der Begründung, daß es von der Oeffentlichkeit gewünscht werde, daß in der öffent¬ lichen Sitzung Details besprochen werden, und resumiert schlie߬ lich, daß auf Grund der zu erwartenden Eingänge an Für¬ sorgeabgabe mit einem Abgang von 20 Millionen Kronen am Ende des Jahres zu rechnen sein dürfte, ein Abgang, der sich allerdings nur rechnungsmäßig ergeben würde. Die Sektion beantragt, den Ausweis pro Oktober zur Kenntnis zu nehmen. Der Gemeinderat nimmt den Ausweis zur Kenntnis 12. Unterstützungsansuchen Herr Referent Vizebürgermeister Nothhaft berichtet, daß dieser Punkt entfallen könne, da für die heutige Sitzung keine Unterstützungsansuchen vorliegen. Dritte Sektion. 13. Erhöhung des Gaspreises. Referent Herr Vizebürgermeister Mayrhofer. Die Direktion des Gaswerkes ist an den Gemeinderat mit dem Ersuchen um Regulierung des Gaspreises mit Rücksicht auf den gesteigerten Kohlenpreis herangetreten und zwar solle der Kubikmeter Gas ab 1 November 58 Kronen kosten Die Kohle ist seit 1. September gegen den Grundpreis um das 478fache gestiegen. Die Sektion hat nach Vorlage eines Ueberprüfungs¬ ergebnisses des Herrn Handelsschuldirektors Braun folgenden Antrag- beschlossen: „Der Gemeinderat bewillige die erbetene Erhöhung des Gaspreises ab 1. November 1921, nachdem die dritte Sektion im Auftrage des Gemeinderatspräsidiums die Ueberprüfung der Bücher durch Herrn Direktor Braun ergeben hat, daß die perzentuelle Erhöhung des Gaspreises durch die Erhöhung des Kohlenpreises, der Gehälter und Löhne als gerecht¬ fertigt erscheint Der Sektionsantrag wird ohne Debatte vom Gemeinderate angenommen 14 Erhöhung der Rauchfangkehrergebühren. Referent Herr GR. Buschberger. Die Landesfachgenossenschaft der Rauchfangkehrer hat nun¬ mehr einen Maximaltarif zur Genehmigung vorgelegt, um die irreführende perzentuelle Erhöhung auf den früheren Tarif in Wegfall bringen zu können. Von der Verlesung des Maximaltarifes wird über Wunsch des Gemeinderates abgesehen. Der Herr Referent bringt sodann folgenden Sektionsantrag zur Kenntnis: „Die dritte Sektion beantragt, der Gemeinderat genehmige den vorliegenden Tarif der Rauchfangkehrer=Genossenschaft ab 1. November 1921“. Herr GR. Frühwald bemerkt hiezu: Wir beschäftigen uns nun alle 14 Tage mit den Rauchfangkehrergebühren und werden von einer Sitzung zur anderen mit neuen Forderungen überrascht. In der letzten Gemeinderatssitzung wurde klar und deutlich zum Ausdrucke gebracht, daß, wenn neue Gebühren¬ forderungen auftauchen, die Kehrbezirkseinteilung aufgelassen werden muß und auch die Aufhebung des Konzessionszwanges anzustreben sei Es soll daher der neue Tarif nicht früher be¬ willigt werden, bis nicht die Aufhebung der Kehrbezirkseinteilung zur Durchführung kommt. Die Abgeordneten des Landtages werden ersucht, dies in der nächsten Session des Landtages zu begehren (Zwischenruf des Herrn GM. Schickt: „Wir leben von der Luft!"). Der Herr Kollege Schickl klagt immer; ich kann Ihnen aber Beweise erbringen, daß Rauchfangkehrer vier Wochen in die Sommerfrische gehen; wenn wir uns dies erlauben würden, hätten wir nicht drei Tage zu leben; so schlecht steht es also mit den Rauch angkehrern nicht. Es sind zu viele Meister. Wenn jeder so fleißig wäre, wie der Herr Schickl, wäre es besser, so aber haben wir Meister, die die ganze Woche im Wirtshause sitzen. Die Bewohnerschaft soll nun das hereinbringen, was man in der Sommerfrische verbraucht hat. Heute wird die Gaspreiserhöhung durchgeführt werden müssen, nächsten Monat kommt wieder eine Erhöhung des elektrischen Stromes und so geht die Sache fort

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