Gemeinderatsprotokoll vom 12. Mai 1921

leitung und Kanalisierung so rasch als möglich durchzuführen Der Gemeinderat der Stadt Steyr hatte im Jahre 1917 ein Programm aufgestellt, von dem aber nur ein Teil verwirklicht wurde; es ist dies die Kehrrichtabfuhr. Von den anderen Auf¬ gaben ist nichts verwirklicht worden Seit dieser Zeit haben sich die gesundheitlichen Verhältnisse in Steyr allerdings etwas ge¬ ändert, aber wir haben jedes Jahr noch immer mit Infektions¬ krankheiten zu kämpfen, und es muß festgestellt werden, daß mehrfache Erkrankungen an Typhus, Scharlach und Masern orkommen. Das ganze Stadtgebiet umfaßt gegenwärtig 42½ Hektar mit einer Einwohnerzahl — nach Aufstellung des Meldeamtes — von 27.900 Personen. Seit dem Jahre 1913 hat sich das Stadtgebiet überhaupt um 74 Prozent vergrößert. Unsere Straßenzüge haben eine Länge von 43 Kilometern, von diesen haben wir eine Kanalisierung, an welche nur gegen 200 Häuser angeschlossen sind, weiters sind über 110. Häuser an keine öffentliche Wasserleitung angeschlossen, sondern noch auf Hausbrunnen angewiesen. Es gibt in Steyr noch über 300 Senkgruben und ist es daraus erklärlich, daß infektiöse Er¬ krankungen vorkommen können. Es muß getrachtet werden, daß nunmehr zur Gesundung der Einwohnerschaft die aufgetragenen sanitären Maßnahmen erfüllt werden und dies kann durch die Möglichkeit der Durchführung der Wasserleitung auch geschehen, als man aus einem Koburgschen Brunnen, dessen Ausbau er¬ giebiger gestaltet werden müßte, heute schon einen konstanten Zulauf von 8 Seku denliter festzustellen vermag und dessen Lieferung mit gesundem, keimfreiem, daher einwandfreiem Wasser auf 40 bis 45 Sekundenliter gebracht werden kann. Durch Ver¬ suche mittest Pumpen wurde auch schon festgestellt, daß bei dauernder Entnahme von 30 Sekundenliter Wasser sich der Spiegel des Brunnens um keinen Millimeter gesenkt hat. Eine Vertiefung des Brunnens wird wie gesagt, den Wasserzulauf verstärken, so daß die berechtigte Annahme vorherrscht, daß Steyr damit mit Wasser versorgt werden kann. Es haben auch bereits Verhandlungen mit dem Besitzer stattgefunden und hat sich dieser bereit erklärt, den Brunnen der Gemeinde gegen dem abzutreten, daß auch ihm die Benützung des Brunnens gewähr¬ leistet werde. Ebenso haben einige Firmen erklärt, daß sie in der Lage wären, der Gemeinde schon in einigen Monaten ent¬ sprechende Vorschläge und Kostenberechnungen vorzulegen. Mit der Errichtung der Wasserleitung müßte auch gleichzeitig die Kanalisierung gelöst werden. Durch die gegenwärtigen Mängel an geeigneter Kanali¬ sierung wird Steyr auch von der Rattenplage heimgesucht und es ist nichts seltenes, daß man Ratten beim hellen Tag auf belebten Orten sehen kann Eine weitere, sehr wertvolle Einrichtung wird die Erbau¬ ung eines Schlachthauses bedeuten. Dessen Anlage soll auf dem bekannten Schlachthausgrund unterhalb der Redervilla erstehen. welche direkte Verbindung mit der Bahn bekäme. Dies bedeutet zur Einschränkung der Viehseuchen einen gewichtigen Vorteil, als die Tiere von der Bahn direkt in das Schlachthaus mit seinen entsprechenden sanitären Anlagen überführt werden Es wird in Hinkunft daher unmöglich sein, daß gesundheitsschäd¬ liches Fleisch wegen der bestehenden Kontrolle ausgegeben werden kann. Eine weitere wichtige Sache ist der Ausbau unserer Schulen Es wird im Zuge der Ausbauung der Schulen auch mög¬ lich sein, der Errichtung einer Haushaltungsschule näher zu treten. Auf eine Einrichtung, die allerdings in der Aufstellung des Erfordernisses für Investitionen noch nicht genannt wurde, ist der Ausbau der elektrischen Bahn St Florian=Steyr. Hierüber ist schon viel geschrieben und gesprochen worden, aber geschehen ist nichts. Die Trassierung ist gegenwärtig im Zuge und er¬ schemnt es nicht unmöglich, daß es tatsächlich zum Baue kommen wird Im nächsten Jahre dürfte an den Gemeinderat die Frage der Beitragsleistung herantreten und wird entschieden werden müssen, ob die Ausgestaltung des Verkehres nach dieser Richtung hin „ewünscht wird. Weiters muß darauf verwiesen werden, daß die Spaffung eines Stadt=Verbauungsplanes notwendig ist, die Regelung der Verbauung ist eine Frage des Verkehres. Zuzüglich dieser letzteren Einrichtungen würde ein Erfordernis von 60 Millionen Kronen erwachsen. In das aufzustellende Investitionsprogramm soll aber vor¬ erst nur aufgenommen werden: 1. Die Konvertierung der Bankschulden :. die Errichtung der Wasserleitung und Kanalisation, 3. die Erbauung des Schlachthauses, 4 die Ausbauung der Schulen und 5. Verbesserung des Verkehres In der vormittags stattgefundenen Sitzung des Kranken¬ haus-Komitees hat sich ergeben, daß im Krankenhause ziemliche Ausgestaltungen notwendig sind; es wird gefordert die Abtren¬ nung der Kranken mit Geschlechtskranken Die Einrichtung der Beheizung hat wiederholt den Gemeinderat beschäftigt und wird neuerlich Beschlüsse fassen müssen, damit der Petrieb im Kranken¬ hause aufrecht erhalten werden kann. Wie die Erfordernisse durchzufuhren sind, wird der Gemeinderat selbst zu bestimmen Gel=genheit haben. Von den einzelnen Posten des Investitionsprogrammes sind auch solche, die ein Erträgnis abwerfen; so z. B. das Schlachthaus, die Wasserleitung wird sich selbst erhalten müssen, während die Kanalisation keinerlei Ertrag abzuwerfen vermag. Zweifellos wird aber durch diese Einrichtungen nicht nur das Ansehen und die Kreditfähigkeit der Stadt, sondern auch die gesundheitlichen Verhältnisse wesentlich gehoben und gesichert. Die erste und zweite Sektion unterbreitet demnach dem Gemeinderate folgenden Antrag: Der Gemeinderat beschließe grundsätzlich die Aufnahme einer großen Stadtanleihe bis zum Betrage von 400 Millionen Kronen. 1. Zur Konvertierung der Bankschulden, 2. Zur Durchführung des Investitionsprogrammes. In welchem Tempo diese Investitionen durchgeführt werden, wird der Gemeinderat selbst zu entscheiden haben. Trotz der schwierigen Situation, in der wir uns befinden, wird es durch diese Anleihe, deren Verwendung der Allgemein¬ heit zugute kommt, dennoch möglich sein, eine Reihe von Dingen zu machen, die in früheren Jahren versäumt wurden. Ich möchte dabei der früheren Gemeindevertretung nicht den Vorwurf machen, daß sie nicht gearbeitet habe, sondern daß sie nur mit einer zu großen Aengstlichkeit vorgegangen ist und sich gescheut hat, irgendwie Gelder aufzunehmen und Investitionen zu schaffen. Es wurde immer ängstlich darauf gesehen, daß der Voranschlag nicht überschritten werde Es wurde auch ein Ueberschuß von mehreren Millionen Kronen erzielt; wäre dieser aber damals dazu verwendet worden, etwas zu schaffen, so hätte damit viel erreicht werden können, was heute um sovielmehr Millionen Kronen kostet. Ich bitte dem Antrag der ersten und zweiten Sektion die Zustimmung zu erteilen; der Gemeinderat wird noch Gelegen¬ heit haben, über die Begebung der Anleihe selbst zu entscheiden. Herr GR. Dr. Peyrer=Angermann ersucht die Bericht¬ erstatter der Presse, über seine ersten Ausführungen nichts zu berichten. Vor allem bezweifelt er die Richtigkeit der Bewertung des Ge¬ meindebesitzes, obwohl ohne weiters einzusehen ist, daß man bei Bewerbung um einen Kredit den Besitzwert in das günstigste Licht stellt. Die Forderung nach Aufnahme einer Stadtanleihe ist eine Rahmenforderung, die uns eigentlich nicht bindet. Die Forderung sagt uns nichts bestimmtes, ob dieser Rahmen zu enge oder zu weit ist. Ich bin der Auffassung, daß entgegen dem offiziellen Titel sehr viel von der Anleihe für laufende Ausgaben verwendet werden wird In der Sektion wurde schon der Antrag gestellt, die Gelegenheit zu vertagen, weil man sich innerhalb 48 Stunden eine so weittragende Sache unmöglich zurechtlegen kann und tut es mir leid, für die Ver¬ tagung auch hier sprechen zu müssen, weil man doch einiges Interesse und auch ein gewisses Recht hat sich über manches zu informieren. Gewiß sind die Wähler, die ich zu vertreten habe, nicht allzu zahlreich, aber es sind immerhin so und soviele Leute, die sehr schwer getroffen werden können. Es besteht das Bedürfnis, sich über den weit ragenden Antrag mit der großen Masse auszusprechen Wir haben ja gehört, daß die Erfüllung aller Bedürfnisse mit 600 Millionen Kronen veranschlagt wird, und wenn noch einiges dazukommt, ist eine Milliarde voll; wir hätten zum erstenmale eine zehnstellige Zahl niederzuschreiben. Davor möchte ich doch ernstlich warnen. Es ist der früheren Gemeindevertretung auch der Vorwurf zu großer Aengstlichkeit gemacht worden; aber man soll, wenn auch die Ereignisse dem Herrn Bürgermeister recht geben, von der Aengstlichkeit auf der einen Seite, nicht in das Extreme auf der anderen Seite verfallen, damit man sich nicht in Ge¬ fahren begibt. Ich verheh'e mir durchaus nicht die Schwierig¬ keiten, aber es geht nicht, innerhalb zweier Tage sich über das wie, wo und was zu entscheiden. Heute einen grundsätzlichen Beschluß auf Aufnahme einer Stadtanleihe bis zu 400 Millionen Kronen zu beschließen, wird ein einfacher, sogenannter Papier¬ beschluß bleiben müssen. Wenn Linz eine solche Anleihe durch¬ führte, so hat Linz eben viel größere Einnahmen und in gewisser Beziehung geringere Lasten. Steyr hat vielmehr Brücken zu erhalten und auch der Stand der Bevölkerungszahl ist dort konstanter als hier Das Investitionsprogramm sollte auf mehrere Jahre verteilt werden Im großen und ganzen muß der Arbeitsleistung des Präsidiums die Anerkennung gezollt werden, daß reell gearbeitet wurde, daß alles planmäßig ge¬ schieht, nur leider bleibt es uns heute versagt, zu wissen, was man genau mit diesen 400 Millionen will, für wie lange dieses Erfordernis gedacht sein soll, da das gesamte Investitionspro¬ gramm doch eigentlich 600 Millionen Kronen verschlingt. Durch die Begrenzung der Anleihe auf 400 Millionen Kronen kann heute unmöglich überlegt werden, was von den notwendigen Investitionen anzufangen ist und laufen wir außerdem Gefahr, daß wir bei Veränderung unseres schlechten Geldes möglicher¬ weise die Verpflichtung übernehmen mussen, die Schuld mit gutem Geld zurückzahlen zu mussen. Aus diesem Grunde stelle ich bis zur Klärung der Sache den Vertagungsautrag. Herr Referent Bürgermeister betont, daß er schon eingangs seiner Ausführungen darauf verwiesen habe, daß die Vorlage heute deshalb erfolgt, um die nötige Arbeitszeit zu ge¬ winnen. Es besteht die Gefahr, daß der Landtag erst Anfangs Herbst wieder zusammentritt, wodurch, wenn die Vorlage nicht in der nächsten Landtagssession erledigt wird, die Gefahr besteht mehrere Monate an Zeit zu verlieren Die Vorlage muß rasch erfolgen, damit eben der Gemeinderat während der Zeit, als dieselbe ihren geschäftsmäßigen Gang bis zur endgiltigen Ge¬

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