Gemeinderatsprotokoll vom 24. März 1921

Der Gemeinderat beschließt dem Sektionsantrage zuzustimmen und einen Auslaufbrunnen in diesem Objekte herzustellen. 18 Eingabe des Lyzealvereines betreffend Erhaltung des Mädchenlyzeums. Referent Herr Vizebürgermeister Dedic Diese Angelegenheit hat schon des öfteren den Gemeinderat beschäftigt und zieht sich schon durch nahezu zwei Jahre hin. Es ist notwendig. Ihnen die Eingabe des Lyzealvereines zur Kenntnis zu bringen: Steyr, im Februar 1921. An den Gemeinderat Steyr. Die unterzeichneten Vertreter der Elternvereinigung am Mädchenlyzeum in Steyr erlauben sich, beiliegende Denkschrift zu überreichen. Die Notwendigkeit der Anstalt ist wohl in der Schrift be¬ gründet, doch möge noch einiges hier hinzugefügt werden. Nach § 28 des vom damaligen Unterrichtsministerium ausgegebenen Normalstatute sind die Mädchenlyzeen wirkliche Mittelschulen und unterstehen daher den Inspektoren der Mittelschulen. Sie sind daher wohl zu unterscheiden von den sogenannten „höheren Töchterschulen“. Sie sind ebensowenig wie die Gymnasien und Realschulen Fachschulen, die für einen besonderen Beruf vorbereiten, sondern haben diese die Aufgabe, durch fortgesetzte Geistes= und Verstandesschulung die Absolven¬ tinnen zu befähigen, sich für die verschiedensten Berufe auszu¬ bilden und können daher durch die vierte Bürger¬ schulklassen oder Handelsschulen durchaus nicht ersetzt werden. Was die geplante Reform anbelangt, so ist diese wohl in weite Ferne gerückt, anderseits kann solche Reform nur an Be¬ stehendem anknüpfen. Sie wird nie so ausfallen können, daß bestehende Schulen überflüssig werden, sondern nur so, daß sie von der untersten Klasse an abgeändert werden. Die Gemeinde riskiert also keineswegs, daß sie sich Auslagen macht für eine Schule, die in einiger Zeit wieder eingeht. Wenn sie bisher Private erhalten haben, so haben diese damit eine Pflicht erfullt, die eigentlich von vornherein den öffentlichen Faktoren oblegen hätte Sie hat es getan, ohne das Geringste dafür zu haben. Der Lyzealverein samt den Lehr¬ kräften hat bisher für die Sache nur Opfer gebracht, um be¬ gabten jungen Mädchen die Möglichkeit eines selbst studierten Berufes zu geben. Da es nun aber mit Privatmitteln nich mehr geht, bitten die Unterzeichneten namens der Eltern¬ vereinigung, wie auch im Interesse der Eltern von Mädchen, die noch die Volksschule besuchen oder noch gar nicht schul¬ pflichtig sind, der löbliche Gemeinderat möge sofort mit dem Staate und dem Lande Verhandlungen eingehen, um das Lyzeum auf einem der in der Denkschrift angegebenen Wege für die Zukunft zu sichern. Die gleiche Schrift wird gleichzeitig an den Nationalrat, den oberösterreichischen Landtag, das Unterrichtsamt beim Ministerium des Inneren und das Finanz¬ ministerium abgesendet Die Elternvereinigung ersucht aber auch um rasche Er¬ ledigung, da nicht nur die Eltern mit Bangen auf die Ent¬ scheidung warten und bald wissen müssen, was sie für das nächste Schuljahr zu hoffen haben, sondern auch die Lehrkräßte nicht plötzlich brotlos dastehen dürfen und auch die Vorberei¬ tungen für das nächste Schuljahr rechtzeitig gemacht werden müssen, damit dieses zur richtigen Zeit ohne Störung eröffnet werden kann. Da in der Stadt Gerüchte im Umlaufe sind, daß die Ge¬ meinde das dem Lyzeum zugesprochene Offiziersgebäude ander¬ weitig verwenden will, ersucht die Elternvereinigung, den betreffenden Gemeinderatsbeschluß aufrecht zu halten, weil die jetzige Unterbringung im Winter schwere Uebelstände zeigt und auch der Hinweis auf ein eigenes Schulhaus die Verhandlungen mit dem Staate sehr erleichtern werden. Mit der nochmaligen Bitte, sich der Sache, an der die Zu¬ kunft von hunderten von Mädchen liegt, recht warm anzu¬ nehmen, zeichnen für den Ausschuß der Elternvereinigung am Mädchenlyzeum: Der Obmann: Die Schriftführerin: Settele. Anna Bartl. Bezüglich des letzten Absatzes muß bemerkt werden, daß wir selbst auf dem Standpunkt stehen, daß auch die Mädchen so be¬ handelt werden wie die Herren. Der Gemeinderat hat sich glaublich schon im Februar 1920 bereit erklärt, das Mädchenlyzeum in die Gemeindeverwaltung zu übernehmen unter der Bedingung, daß der Staat die Lehrkräfte übernimmt. Dieses Begehren wurde auch von den Herren Nationalräten Witzany und Kletzmayr bei der Regierung kräftigst vertreten, leider bisher ohne Erfolg; es konnte nur erreicht werden, daß die Subvention um 50 Prozent erhöht wurde Bei Beginn des Schuljahres 1920/21 wußte das Lyzeum nicht, was es beginnen sollte, bis ihm die Gemeinde mit der Bewilligung einer Subvention zuhilfe kam. Dem Lyzealverein konnte es nicht gelingen, daß die Schule vom Staate oder Lande über¬ nommen werde, und nun erklärt das Lyzeum, nicht in der Lage zu sein, die Schule selbst weiter zu erhalten. Es muß erklärt werden, daß auch die Gemeinde heute nicht in der Lage ist, das Lyzeum zu übernehmen. Die Sektion hat sich reichlich mit der Eingabe des Lyzealvereines beschäftigt. Der Gemeinde ist es nicht möglich, ihren Beschluß, dem Lyzeum das Offiziers¬ gebäude der Jägerkaserne zur Verfügung zu stellen, aufrecht zu erhalten, weil die Parteien aus dem Gebäude nicht hinaus¬ zubringen sind; trotzdem unterbreitet die Sektion dem Gemeinde¬ rate folgenden Antrag: „Der Gemeinderat beschließe, für das hierortige Mädchen¬ lyzeum geeignete Räume für den Unterrichtsbetrieb beizustellen, und zwar im alten Fachschulgebäude, die Uebernahme des Lyzeums selbst aber mit Rücksicht auf die seit dem oberwähnten Gemeinderatsbeschluß allgemein geänderten Verhältnissen abzu¬ lehnen. Der Gemeinderat ist gerne bereit, alle Schritte des Lyzealvereines um Verstaatlichung seines Lyzeums tatkräftigst zu unterstützen und im Falle der Uebernahme des Lyzeums durch den Staat dasselbe entsprechend und in geeigneter Form zu subventionieren“ Der Gemeinderat beschließt hierauf, den Sektionsantrag einhellig anzunehmen. Als Nachtrag zur Tagesordnung beschließt der Gemeinde¬ rat, das Haus Nr. auf der Ennsleite ausschließlich Schulzwecken zu widmen In die Wohnungskom-ission wird an Stelle des Herrn GR Reisinger Herr GR. Frühwald entsendet. In den Städtischen Wirtschaftsrat werden die Herren GR Schickl und Krottenau entsendet. Hierauf wird der öffentliche Teil der Sitzung um ¾10 Uhr abends geschlossen. Der Vorsitzende: Mayrhofer Haus. Die Beglaubiger: Der Schriftführer: Dr Ulrich Furrer C. Ridler Grömmer Anna. aoblatt=Druckerei Steur

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