Gemeinderatsprotokoll vom 8. Mai 1920

Die Sektion beantragt: Der Gemeinderat beschließe, der Einführung des bedeckten Kontokurrentbetriebes bei der Sparkasse Steyr im Sinne des Erlasses der Landesregierung vom 19. April 1920, Zl. 8 630/2, zuzustimmen Herr G.=R. Vogl erklärt, daß er sich eine Uebernahm der Haftung durch den Gemeinderat nicht vorstellen könne, weil von dem gegenwärtigen Gemeinderat kein einziger Vertreter im Sparkasseausschuß sei und frägt, ob es nicht überhaupt im Interesse des Gemeinderates liege, einen Vertreter dort hinein zu bekommen. Herr Vorsitzender Bürgermeister Wokral erwidert, daß tatsächlich heute die Gemeinde noch keinen Vertreter aus em gegenwärtigen Gemeinderat im Sparkasseausschuß hab Zwischenrufe: „Traurig genug!“) und auch noch keine Ge egenheit hatte, hiezu Stellung zu nehmen. Die Direktion der Sparkasse sprach sich der Landesregierung gegenüber jedoch schon dahin aus, daß durch einen Wechsel in der gegenwärtigen Ver¬ tretung im Sparkasseausschuß die Sparkasse einen Schaden er¬ leiden könnte und habe sich deshalb die Landesregierung auch veranlaßt gesehen, dahin zu entscheiden, daß die gegenwärtig im Ausschusse der Sparkasse sitzenden Herren solange daselbst ver¬ bleiben sollen, bis ihr Mandat abgelaufen ist. Sicherlich laufen in nächster Zeit Mandate ab, so daß die Gemeinde sodann sogleich zur Entsendung von Vertretern aus dem gegenwärtigen Ge¬ neinderat Stellung nehmen kann Herr G.=R. Tribrunner empfiehlt, der Sparkasse zu erwidern, daß der Gemeinderat dann die Haftung für den Kontokurrentbetrieb übernehmen wird, sobald eine Vertretung dies sei des Gemeinderates im Sparkasseausschuß möglich ist; ails Gegenantrag aufzufassen Nach kurzer Wechselrede läßt der Herr Vorsitzende über den Gegenantrag abstimmen und wird derselbe mit Stimmen¬ mehrheit angenommen. Sektion. II. 10. Tagebuchabschluß pro März 1920 Referent Herr Vizebürgermeister Nothhaft der Abschluß ist bereits in Händen der Herren Ge meinderäte tach näheren Erläuterungen zu den einzelnen Posten wird der Tagebuchabschluß zur Kenntnis genommen. 11. Beschlußfassung über die Einhebung einer Beitrags¬ eistung der Autobesitzer in Steyr zu den Straßenlasten. Referent Herr G.=R. Witzany. Herr Reserent schlägt vor, die Punkte 11, 12, 13 und 14 zusammenzuziehen, so daß außer diesem Punkte auch noch die Beschlußfassung über die Einhebung einer Taxe für Besucher öffentlicher Häuser", „Beschlußfassung über die Einhebung einer Luxusabgabe für in öffentlichen Häusern verabreichten Getränke“ erner über einen noch einzuschaltenden Punkt 13 a, „Beschlu߬ fassung über Einhebung einer Luxusabgabe für bei Kaffeehaus konzerten (Nachtkonzerten) verabreichte Getränke" und „Be¬ schlußfassung über die Erhöhung der allgemeinen und besonderen Erwerbs= und Besoldungssteuerumlage von 100 auf 200 %, gleichzeitig verhandelt werde, weil alle diese Punkte den gleichen Zweck verfolgen, neue Einnahmen für die Stadtgemeinde zu chaffen, die sie auf Grund des schon aus dem heute zur Kenntnis genommenen Tagebuchabschluß und zur Deckung der Mehrauslagen für die Besoldungsreform der Angestellten be¬ nötigt Der Gemeinderat stimmt der gemeinsamen Behandlung der Punkte sowie der Einschaltung des Punktes 13 a zu. Herr Referent G.=R. Witzany bringt zu Punkt 11 den Sektionsantrag zur Kenntnis: „Der Gemeinderat beschließe, das Magistratspräsidium zu ermächtigen, mit der Waffenfabrik be¬ züglich einer Pauschalsumme für deren Lasten= und Personen¬ autos in der Mindesthöhe von 100.000 K pro Jahr 1920 in Verhandlung zu treten, ferner eine solche auch mit den übrigen Privat=Autobesitzern einzuleiten, bei welchen ein Betrag von 3000 K pro Auto und Jahr als Grundlage zu dienen hat", und ersucht, diesen Antrag anzunehmen Herr G.=R. Tribrunner empfiehlt, darauf hinzu¬ wirken, daß die Autobesitzer außer dieser Beitragsleistung noch dazu verhalten werden, daß sie zum weiteren Schutz der Straßen die Sperrschutzketten entfernen bezw. abschaffen, daß ferner die Fahrgeschwindigkeit, durch welche die Straßen und Brücken be onders leiden, eingeschränkt werde und die Eisenbereifung welche beim Fahren stoßartig wirkt, abgeschafft werde. Durch die Eisenbereifung und deren Wirkung beim Fahren werden ogar die Häuser durch Erschütterung beschädigt. Wenn sich diese Aufstellung von Maßnahmen mit dem heutigen Programme nicht verquicken lassen sollten, so mögen bis zur nächsten Ge¬ meinderatssitzung ähnliche Maßnahmen, wie sie in Linz vor¬ bereitet werden, getroffen werden. Herr Bürgermeister erwidert, daß er bereits dem Bauamte den Auftrag erteilt habe, einen diesbezüglichen Bericht auszuarbeiten. Herr G.=R Aigner ersucht, gegen das rasche Fahren n der Stadt, welches in letzter Zeit eingerissen ist, strenge Maßnahmen zu treffen; durch das Schnellfahren seien solche Erschütterungen in den Häusern vorgekommen, daß Gegenstände 3 von Stellagen heruntersielen und zerbrachen, ohne daß der Be sitzer sich schadlos halten konnte. Herr Referent G=R. Witzany glaubt, daß sich auf die Besitzer wegen der Bereifung kein Zwang wird ausüben assen und diese selbst so rasch als möglich zur Schonung der igenen Wägen zur Gummibereifung zurückkehren werden so bald dies tunlich erscheint. Die Gemeinde wird sich auch um ie heute schon gummibereiften Autos kümmern müssen, damit ie Besitzer eisenbereifter Autos nicht glauben, sie würden bei inführung der Gummibereifung von der Abgabe befreit Das Steuerprojekt muß alle diese Fahrzeuge gleichmäßig erfassen. Der Sektionsantrag zu Punkt 11 wird sodann vom Ge¬ meinderate angenommen. err Referent G.=R. Witzany geht sodann zu den Punkten 12 und 13 über und bemerkt, daß so wenig die Steuer¬ juelle auch allen sympatisch gegenübersteht, so doch daraus Ein¬ nahmen zu erzielen sind, weil aus der Verschwendung Einzelner der Allgemeinheit Einnahmen zufließen können. Hier ist die Abgabe einer Luxussteuer im erhöhten Maße geboten und erechtfertigt, weil es nicht mehr darauf ankommt, ob der Be¬ sucher öffentlicher Häuser seinen Eintritt und die Getränke höher ezahlt. Es wurden wohl Bedenken laut, daß dadurch eventuell die Straßenprostitution gefördert werden könnte; bei Einhaltung er bestehenden Polizeivorschriften wird jedoch auch dieses Be¬ denken wegfallen. Durch diese Abgaben läßt sich eine Mehr¬ einnahme von 200.000 K erzielen. Herr Vizebürgermeister Nothhaft führt hiezu fol¬ gendes aus: Zu Punkt 12 und 13 will ich nur kurz jene Erklärung wiederholen, welche ich bereits bei der Vorberatung in der I. Sektion abgegeben habe. Sie wissen ja, daß die christlich¬ oziale Partei vom moralischen Standpunkte aus das traurige Gewerbe als solches grundsätzlich ablehnt und die Existenz der¬ artiger Häuser überhaupt nur lebhaft bedauern muß. Nachdem aber die Bordelle leider einmal in sämtlichen größeren Städten geduldet werden, um durch ein kleineres Uebel ein noch viel größeres hinsichtlich Geschlechtskrankheiten und noch viel ärgerer so ffentlicher Aergernisse zu verhüten sehen wir nicht ein, varum diese Häuser nicht einer gründlichen Luxusabgabe unter¬ iegen sollten, umsomehr, da es ja allgemein bekannt ist, daß ie betreffenden Besucher derselben sicher nicht zu den Aermeren erechnet werden dürfen und bei solcher Gelegenheit das Geld geradezu mit vollen Händen hinausgeworfen wird. Es scheint also gerade dies ein Punkt zu sein, bei der man die Steuer¬ chraube ganz besonders anziehen kann und auch vorzüglich darum, weil durch diese Steuer die Möglichkeit gegeben ist, für insere triste Finanzlage ganz gewaltige Steuern herausziehen, ie sonst doch nur wieder die ehrbare und erwerbstätige Be¬ völkerung unter den größten Opfern aufzubringen hätte. Diese ernst erwogenen Beweggründe bestimmen uns daher auch jegen die vorgeschlagenen Luxusabgaben nicht ablehnendzu verhalten und hinsichtlich der Befürchtung einer etwa zu Tage tretenden größeren Ausdehnung der geheimen Prostitution uch noch zu verlangen, daß die Kontrolle der Sittenpolizei nur umso schärfer und mit großer Bestrafung zur Handhabung gelange Herr Referent G.=R Witzany bemerkt hiezu, daß die Kontrolle über die Einhebung dieser Steuer am besten durck Auferlegung einer entsprechenden Kaution hereingebracht wird Die Ueberwachung der Häuser muß natürlich eine erhöhte sein, damit keine Hinterziehungen Platz greifen können Herr G.=R. Vogl betont, daß er dennoch die Förderung der geheimen Prostitution und des Straßendirnenwesens befürchte Er sträube sich zwar nicht gegen die Einführung dieser Steuer, es cheine ihm aber, daß die Kontrolle eine sehr schwierige sein verde; man höre gegenwärtig sehr wenig von der Tätigkeit der Sittenpolizei. Herr Bürgermeister Wokral erwidert, daß diese Be¬ enken durchaus nicht von der Hand zu weisen seien, weil einerseits die Gemeinde durch diese Maßnahme sich Einnahmen und anderseits aber für die Sittlichkeit Gefahren schafft, die man finanziell nicht zu überbrücken vermag. Was Herr Vize¬ bürgermeister Nothhaft sagte, ist gewiß zu unterstreichen, doch st diese Steuerquelle, so unsympathisch sie allen ist, nicht voll¬ ständig auszuschalten, weil man von dem in diesen Häusern unnötig inausgeworfenen Gelde der Allgemeinheit einen Teil zufließen assen kann Herr G.=R. Tribrunner erklärt, gegen den Antrag der Sektion auf Einführung dieser Luxusabgabe nichts einzu¬ venden, doch befürchte er daß die Art der Durchführung nicht zu dem gewünschten Erfolg führen dürfte, da die Kontrolle kaum durchführbar ist. Die Steuer müßte dem Besitzer der be¬ reffenden Lokale auferlegt werden, dessen Sache es dann sein oll, sich hiefür schadlos zu halten. Herr G.=R. Bachmayr glaubt, daß die Steuer am besten durch Aufschläge auf die Getränke hereingebracht werden önnte, über welche eine Kontrolle leicht möglich ist Herr Referent G.=R. Witzany bemerkt in seinem Schlußworte, daß man sich mit einer gewissen Befangenheit diesem Gesetze gegenüber nicht erwehren könne und tatsächlich die Befürchtung nicht abzusprechen sei, daß man das Ziel nicht vollkommen erreichen werden könne; man wird jedoch trachten müssen, daß diese Häuser scharf überwacht werden; es sollen ja

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