Gemeinderatsprotokoll vom 31. Mai 1919

Der Amtsbericht spricht sich also im großen und ganzer afür aus, daß die Konzession dem Bewerber Baumgartner ver¬ liehen werden soll und beantragt auch die Sektion, der Verleihung der Konzession an Baumgartner zuzustimmen. Herr G.=R. Schickl verweist darauf, daß ihm durch die Verleihung einer vierten Konzession sein Bezirk verkleinert und ihm die Lebensbedingungen bedeutend erschwert werden. Hiebei beklagt sich Redner auch darüber, daß er von Herrn Bürger¬ meister Gschaider mehrmals bestraft wurde, obwohl in Wirk¬ lichkeit hiezu kein Grund vorhanden gewesen sei. Bei der Ein teilung der neuen Kehrbezirke sei er nicht anwesend gewesen und ihm daher der seinerzeitige Gang der Verhandlungen zwischen Haidenthaller, Jansky und Edelsbacher nicht bekannt. Herr G.=R. Aigner gerät in eine Wechselrede mit Herrn G.=R. Schickl und bemerkt, daß die Forderung nach einem vierten Kehrbezirk durch die Kriegsverhältnisse entstanden sind Die hiesigen Rauchfangkehrermeister waren wegen Mangel an Arbeitskräften nicht mehr in der Lage, den Anforderungen ent sprechen zu können. Das nun die Rauchfangkehrermeister, die Gebiete von ihren bisherigen Bezirken abtreten müssen, hiefür ine Entschädigung verlangen, sei eine selbstverständige Sache, andererseits stehen die Rauchfangkehrer aber auf den Standpunkt ie geben aus ihren Kehrbezirken nichts her, weil sie heute ohne¬ dies wieder in der Lage sind, ihren Anforderungen entsprechen zu können. Bezüglich der Einteilung der vier Kehrbezirke ersucht Redner daher um Aufklärung, wie diese gestaltet werden sollen, damit die Rauchfangkehrer nicht geschädigt werden Herr G.=R. Vogl erwidert, daß von einer Schädigung der Rauchfangkehrer durch Errichtung eines vierten Kehrbezirkes licht gesprochen werden könne; wenn ein vierter Kehrbezirt gegen Abfindung möglich wird, muß ein solcher auch ohne Entschädigung tunlich sein. Die Herren Rauchfangkehrermeister Haidenthaller und Jansky haben ja schon über die vierte Konzession verfügt, als ob man einen Gemeinderat überhaupt nicht brauche Herr G.=R. Fischer bemerkt zu den Ausführungen des Herrn G.=R. Aigner, daß der vierte Kehrbezirk aus 110 Objekten bestehe; mit der Einteilung der Kehrbezirke wird sich aber das Stadtbauamt befassen müssen. err Bürgermeister Wokral teilt mit, daß auch im Gemeindeausschusse St. Ulrich bezüglich des vierten Kehrbezirkes ein Beschluß gefaßt werden wird, der sich an dem Steyrer Ge¬ meinderatsbeschluß ergänzend anschließen wird. Weiters schlägt derselbe vor, die Angelegenheit in drei Teile zu zerlegen. 1. In die Frage, ob ein vierter Kehrbezirk zu schaffen ist, 2. die Ein¬ eilung dieses Kehrbezirkes wäre einem Einvernehmen zwischen Statthalterei, Stadtbauamt und der Genossenschaft vorzubehalter und 3. in die Erteilung der Konzession. Der Gemeinderat erklärt sich mit der Teilung des Be¬ ratungsgegenstandes in diese drei einzelnen Abstimmungspunkte einverstanden. Die einzeln hierüber eingeleitete Abstimmung ergibt: Der Gemeinderat stimmt der Schaffung eines vierter Kehrbezirkes zu 2. Der Gemeinderat beauftragt das Bauamt, die Ein teilung der Kehrbezirke vorzunehmen und diese sodann der Statthalterei bezw. Landesregierung zur einvernehmlichen Fest. setzung desselben mit der Genossenschaft vorzulegen 3. Der Gemeinderat verleiht die vierte Rauchfangkehrer konzession dem Bewerber Franz Baumgartner 10. Bericht über den Ankauf von Lebensmitteln und Bedarfsgegenstände im Mauthausener=Lager m November 1918 Referent G=R. Kletzmayr: „Zur Orientierung über den Verlauf dieser Angelegenheit muß etwas weiter zurück egriffen werden. Zunächst erinnert Referent daran, daß es chon im Dezember v. J. im Wirtschaftsrate eine ziemlich heftige Debatte über die Vorkommnisse gelegentlich dieses Lebensmittel¬ aufkaufes im Mauthausener Lager gegeben habe, weil sich über dieselben in der Oeffentlichkeit die verschiedensten Gerüchte ver¬ es sollten nämlich durch Herrn Drahowsal die Auf¬ reiteten käufe viel billiger vorgenommen worden sein, als sie der Stadt segenüber in Anrechnung gebracht wurden, und wurden auch Abgänge von Waren bei der Uebergabe an die Stadt fest¬ gestellt. Das hiesige Stadtamt wurde beauftragt, durch Herrn Stadtamtsrat Dr. Habl Erhebungen zu pflegen und sind auch ahlreiche protokollarische Feststellungen sowohl hier in Steyr wie in Mauthausen mit damals beteiligten Personen erfolgt. Da¬ Ergebnis dieser Feststellungen wurde auch dem Gemeinderate bekanntgegeben, welcher sich bestimmt fand, eine Kommission aus Gemeinderäten Vogl, Mayr und dem Referenten zu wählen, die die Aufgabe hatten, die Angelegenheit einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen und Anträge zu stellen. Diese Kommission hat die Prüfung des Aktes vorgenommen, stieß jedoch insoferne auf Schwierigkeiten, als viele Personen, welche damals an der An¬ lieferung der gekauften Waren beteiligt waren, nicht mehr in Steyr sind. Andererseits liegen Protokolle auf, die eine teilweise Enttastung des Herrn Drahowsal und teilweise eine Belastung der früheren Gemeindevertretung bringen. Wenn von einer Be¬ lastung der früheren Gemeindevertretung gesprochen wird, so ist dies in der Weise aufzufassen, daß es jedenfalls einen Mißgriff 3 derselben bedeutete, daß zu solch großen Aufkäufen im Betrage von 100.000 K nur ein Herr betraut und keine Zeugen bei¬ jezogen wurden, seien es solche aus dem Gemeinderate oder der Bevölkerung selbst. Die von Herrn Drahowsal geführten Zeugen können nicht maßgebend sein, da sie in engster verwandtschaftlicher Beziehung zu demselben stehen. Es war daher ein Mißgriff eitens des früheren Herrn Bürgermeisters, daß dieser das Ueber¬ inkommen mit Herrn Drahowsal abschloß, ohne für die Auf käufe Experten zuzuziehen. Was die Preisdifferenz zwischen An¬ aufs= und Lieferpreis betrifft, so muß gesagt werden, daß die rotokollarangaben des Herrn Bürgermeisters von Mauthausen die Angaben des Herrn Drahowsal als richtig bestätigen. Ein pringender und dunkler Punkt in der ganzen Angelegenheit bleibt jedoch das Fehlen so vieler Waren bei der Uebergabe an die Stadt, was bis heute noch nicht aufgeklärt werden konnte. Es fehlen an Waren Zwieback 528 Kg., an Hülsenfrüchten 1413 Kg., an Makka¬ oni 340 Kg, an Mehl 17 Kg., an Maismehl 7 Kg., an Franck¬ Kaffee 37 Kg., Wollensocken 2 ½ Sack, Butter 88 Kg., 3290 Kaffee¬ vürfeln, 20 Kg. Salami, 105 Kg. Seife und 20 Kg. Zucker. Die Gemeinde hat durch diesen Warenabgang einen Gesamt¬ schaden im Betrage von 29.934 K erlitten. Diese Schadenssumme ist auch nach der Forderung des Wirtschaftsrates von denjenigen zu ersetzen, die entweder durch unreelle Handlungen oder sonstige Unvorsichtigkeit diese ver¬ chuldet haben. Wenn es sich also herausstellte, daß Herr Dra owsal seine Pflicht erfüllt hat, so muß die Belastung der ge wesenen Gemeindevertretung auf den Rücken gelegt werden, weil sie nicht für eine entsprechende Ueberwachung gesorgt hat. Eines ommt jedoch in Betracht, welches in der ganzen Handlung nicht rklärlich ist und zwar die Angabe der Frau Drahowsal, daß sie in Mauthausen selbst an Personen um den Betrag von 30 K Waren abgegeben hat, da die dortige Bevölkerung darüber un¬ gehalten gewesen sein sollte, daß von Herrn Drahowsal solch große Mengen aufgekauft werden. Der Mauthausener Lager¬ kommandant habe auf das Drängen der Leute verfügt, daß Waren abgegeben werden müssen, um die Leute zu beruhigen Zu einer Beruhigung der Bevölkerung wird aber die Abgabe von Waren im Betrage von 30 K kaum beigetragen haben; entweder es war die Bevölkerung überhaupt nicht beunruhigt oder wenn sie es war, so würden die Abgabe dieser geringen Menge im Werte von 30 K nicht zur Beruhigung hingereicht haben. Die für die Behauptung der Frau Drahowsal an eführten Zeugen können nicht in Betracht kommen, als ihr Gatte und ihr Schwager im verwandtschaftlichen Verhältnisse zur ersteren stehen und ein Beweis über die Richtigkeit dieser angeblichen Warenabgabe daher mangelt, und wenn es zutreffend ist, daß Herr Drahowsal in der Nacht Gegenstände vom Bahn¬ ofe wegschleppen wollte, daran verhindert und auch vom Ver kehrsbeamten darüber zur Rede gestellt wurde, so muß auch hierüber noch Nachforschung gepflogen und die Angelegenheit aher noch weiter verfolgt werden Entweder ist Herr Drahowsal unschuldig, dann muß ihm Gerechtigkeit widerfahren und die¬ enigen zur Rechenschaft herangezogen werden, die an dem Abgang der Waren und der Schädigung der Gemeinde schuld tragend sind. Herr G.=R. Vogl bemerkt hiezu, daß es als merk¬ würdig bezeichnet werden muß, daß der Verkehrsbeamte, welcher Herrn Drahowsal bei dessen Versuche, Waren vom Bahnhofe vegzubringen, zur Rede stellte, ganz kurze Zeit nach dem Vor¬ falle versetzt wurde. Jedenfalls dürfte durch eine gerichtliche Untersuchung noch Material zu Tage gefördert werden und väre es Aufgabe der Kommission, bis zur nächsten Sitzung auch dieses Moment zu verfolgen und dann die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft zu übergeben, was er auch beantrage. Herr G.=R. Fischer berichtet über seine Beobachtungen, die er damals in seiner Eigenschaft als Nationalrat und Mit¬ lied des Sicherheitsausschusses machen konnte und bemerkt, daß s ganz unerklärlich sei, daß Waren sogar vom Rathaushofe innerhalb einer ganz kurzen Zeit vom Autolastwagen wegkommer konnten. Es sei die Angelegenheit im Sinne der Ausführungen des Herrn G.=R. Vogl nochmals zurückzustellen. Herr G.=R Kletzmayr beantragt schließlich, den Akt der Staatsanwaltschaft abzutreten. Herr G=R. Dr.= Peyrer=Angermann verweist arauf, daß die Gemeinde verpflichtet sei, den Akt der Staats anwaltschaft abzutreten und kein Recht besitze, im eigenen Wirkungskreise die Erhebungen zu pflegen, sondern dies eine leberschreitung ihrer Kompetenz bedeute. Herr G.=R. Vogl möge aher seinen Antrag auf Zurückstellung der Angelegenheit zur teuerlichen Erhebung durch die Kommission zurückziehen Herr G.=R. Vogl zieht seinen Antrag auf Zurückstellung des Gegenstandes zurück. Der Antrag des Herrn Referenten G.=R. Kletzmayr wird odann vom Gemeinderate einstimmig angenommen 11. Bestellung von Mitgliedern und Ersatzmännern der Weinsteuerkommission, sowie der hiezu erforderlichen Hilfskraft In die Weinsteuerkommission werden die Herren Antor Dorn, Heinrich Bachmayr und Florian Reder, als Ersatzmänner Max Reisinger, Fr. Recknagl und Josef Gumpoldsberger ge¬ wählt und als Hilfskraft Max Plottner bestellt.

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