Gemeinderatsprotokoll vom 3. Mai 1919

2 besserung der Verkehrsverhältnisse im Sinne des An¬ trages kräftigst einzusetzen Der Gemeinderat stimmt der Dringlichkeit des Antrages zu. Zum Antrage selbst führt Referent G.=R. Prof Goldbacher des Näheren die Darlegungen des Dring¬ lichkeitsantrages aus und ersucht, um diese für die öffentlichen Interessen Verkehrs chwer schädigende kalamität raschestens zu beseitigen, um die Annahme des Antrages Der Vorsitzende leitet nach erfolgloser Um¬ frage, ob zum Antrage das Wort gewünscht werde die Abstimmung ein und wird der Dringlichkeitsantrag vom Gemeinderate einstimmig angenommen Bürgermeister Wokral bemerkt zum Antrage daß es selbstverständlich Aufgabe des Präsidiums sein werde alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um diese notwendige Verkehrsverbesserung zu erhalten. Sodann bringt der Vorsitzende den vom G.=R. Fischer und Ge nossen eingebrachten Dringlichkeitsantrag betreffend Er¬ höhung der Arbeitslosenunterstützung zur Verlesung. Dringlichkeitsantra Der Gemeinderat der Stadt Steyr beschließe in Anbetracht des Umstandes, daß der Abbau der Preise hinsichtlich aller Be darfsgegenstände noch immer nicht eingesetzt hat, ja, daß ins besondere die Preise für die unentbehrlichen Lebensmittel in der letzten Zeit sogar noch eine beträchtliche Erhöhung erfahren haben und daß daher die Arbeitslosenunterstützung in ihrer gegenwärtigen Höhe zum Leben unmöglich hinreicht, zur Linderun dieses sozialen Notstandes in der Weise beizutragen, daß sich die Stadtgemeinde Steyr für die Zeit vom 24. April bis 5. Mai 1919 verpflichtet, an alle Arbeitslosen zu der seitens des Staates bewilligten Arbeitslosenunterstützung einen Zuschuß von täglich K 1·50 und für jedes Familienmitglied einen Zu¬ schuß von täglich 50 k unter der Voraussetzun zu leisten, daß auch das Land Oberösterreich sich zu einem gleichen Zuschuß verpflichte Bedingung ist, daß die auf den Zuschuß Anspruch er hebenden Arbeitslosen in Steyr vor dem 1. März 1919 wohn haft gewesen sind und daß jegliche sich darbietende Arbeits gelegenheit unbedingt angenommen werden muß. Ruckerbaue Zeilinger Gangolf Karl Fischer I. Wokral Klara Saltric Cilli Reinhard Anton Frühwald F. Tribrunne Mayrhofer Fritz Krottenau Kisely Witzant 2333 Reisinge Zur Begründung der Dringlichkeit des Antrage wird G.=R. Fischer das Wort erteilt. G.=R. Fischer begründet die Dringlichkeit des Antrages mit der unbedingten Notwendigkeit, daß es besonders den Familienerhaltern unmöglich geworden ei, bei den neuerlich gestiegenen Preisen der notwendig ten Lebensmittel, Mehl und Brot, mit der staatlichen Unterstützung das Auslangen finden zu können, und eine rasche Hilfe im Sinne des Antrages für die Aermsten der Armen, die bei dem Umsturz in ihrem Berufe durch den Stillstand der Industrien immer noch keine Beschäftigung finden konnten, erfolgen müsse. Dem Antrage wird vom Gemeinderate die Dring lichkeit zuerkannt. Zum Antrage selbst führt G.=R. Fischer aus, daß es heute gewiß jedermann bekannt sei unter weld schwierigen Bedingungen für Arbeitslose das Leben zu fristen ist und daher diesen wirklich Bedürftigen unte die Arme gegriffen werden müsse. Im Sinne des An¬ trages ersucht Referent um die Annahme des Antrages Bürgermeister Wokral berichtet, daß in dieser Angelegenheit in Linz über Einladung des Staatsamtes eine Besprechung in der ob.=öst. Landesregierung statt¬ gefunden habe, an welcher außer Vertretern der Stadt Steyr auch Vertreter der Arbeitslosen, Mitglieder des Arbeiterrates und der industriellen Bezirkskommission von den verschiedenen Städten teilnahmen; auch hat Stadtamtsrat Dr. Habl der Sitzung beigewohnt, welcher über das Ergebnis der Besprechung berichten wird. Stadtamisrat Dr. Habl berichtet, daß am 30. April l. J. bei der Landesregierung in Linz ir Angelegenheit der Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung eine Sitzung stattgefunden habe, an der, wie erwähnt ein Vertreter des Staatsamtes für soziale Verwaltung und auch die Landeshauptmannstellvertreter Gruber und Langoth nebst den anderen bereits angeführten Vertretern teilnahmen. Der Vertreter des Staatsamtes für soziale Fürsorge erwähnte zunächst, daß es infolg der finanziellen Lage des Staates unmöglich sei, eine weitere Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung zuzu gestehen; er könne nur in der Weise entgegenkommen, daß er alle Arbeitslosen unter die Mindestbemittelter einreihe und demnächst eine Verordnung erscheinen wird mittelst welcher die großen Betriebe beauftragt werden möglichst viele Arbeitslose in ihre Betriebe einzustellen um dadurch den Abbau der Arbeitslosigkeit zu erreichen. Die Verordnung wird weiters vorschreiben, daß Ar¬ beiterentlassungen überhaupt nicht mehr stattfinder dürfen. Von Seite der Vertreter der Arbeitslosen wurde eingehend darauf hingewiesen, daß unter den gegen¬ wärtigen Verhältnissen sich jede Existenzmöglichkeit mit der bisherigen Unterstützung aufgehört hat und ver langten sie, daß jeder Arbeitslose 10 K pro Tag be¬ kommen solle. Insbesondere der Führer der kom¬ munistischen Richtung betonte die Notwendigkeit dieser Gleichstellung, wogegen der Vertreter der Arbeitsloser ozialdemokratischer Richtung darauf hinwies daß di Festsetzung eines gleichen Betrages für alle Arbeitslosen unmöglich sei, weil das Gesetz über die Unterstützung der Arbeitslosen selbst verschiedene Kategorien Arbeits¬ loser kennt, daß die Arbeitslosenunterstützung kein Ent¬ gelt für Arbeitsverdienst sei und schon im Frieden eine Abstufung der Arbeiterschaft geherrscht hat und herrschen mußte. Die Forderung des kommunistischen Vertreter wurde auch fast einstimmig abgelehnt. Nun drehte sick die Wechselrede um die Erhöhung. Zunächst wurde vom Landeshauptmannstellvertreter Gruber auf die Finanz lage des Landes und der Gemeinden verwiesen und betont, daß hierauf unbedingt Rücksicht genommen werden müsse und man den Bogen nicht allzu straff spannen dürfe. Schließlich einigte man sich auf 3 K für jeden Arbeitslosen und außerdem eine Familienzulage von 1 K, wovon die Hälfte das Land und die Hälfte die Gemeinde zu tragen hätte; diese Erhöhung hätte nur für jene Arbeitslosen in Betracht zu kommen, die vor dem 1. März 1919 in Steyr wohnten; die Dauer der Unterstützung wurde auf die Zeit vom 20. April bis 15. Mai l. J. eingeschränkt, weil auch der Staat die Arbeitslosenunterstützung mit diesem Zeitpunkte ein stellen will. Man hofft, daß bis zu diesem Zeitpunkt die Arbeitslosigkeit in den industriellen Betrieben be¬ hoben sein wird. Was die finanzielle Seite anbelangt so wird die von der Gemeinde zu leistende Zahlung des Zuschusses auf die staatliche Arbeitslosenunterstützung eine Summe von 58.000 K erfordern. G.=R. Kletzmayr erklärt, daß es freudigst zu begrüßen wäre, wenn der Gemeinderat dem Sektions¬ antrage vollinhaltlich zustimmen würde. Das Begehrer der Arbeitslosen liegt in dem tatsächlichen Umstande daß sie mit der bisherigen Unterstützung zufolge den neuerlich gestiegenen Lebensmittelpreise nicht mehr leben können. Es sei daher die Bewilligung des erforderlichen Zuschusses durch die Gemeinde ein Akt der Pflicht und aus diesem Grunde eine Annahme des Sektionsantrages zu begrüßen, weil dadurch auch die Ruhe und Ordnung in der Stadt gewährleistet wird. ob durch die neuer¬ G=R. Bachmayr frägt an liche Erhöhung des Zuschusses der am 18. April be¬ chlossene Zuschuß aufgehoben wird, worauf der Vor¬ sitzende erwidert, daß dies selbstverständlich sei, da sonst eine derartige finanzielle Belästung der Stadt ein¬ treten würde, die dieselbe unmöglich leisten könnte und eine Doppelbelastung bedeuten würde G.=R. Dr. Peyrer=Angermann glaubt, daß die Gemeinde unter den gegebenen Verhältnissen nichts anderes tun könne, als dem Sektionsantrage zuzustimmen Zum Gegenstande sei jedoch zu bemerken, daß der Arbeitslosen in Wirklichkeit mit geldlichen Aushilfen und Zubussen nicht viel genützt sei und überhaupt der Staat zur fortwährenden Vermehrung der Banknoten¬ zettel veranlassen. Eine wirkliche Hilse könnte nur durch Zuweisung von Naturalien, seien sie unentgeltlich oder Preisen erfolgen. zu entsprechend verbilligten Dies müsse, um die fortschreitende Entwertung unserer Valuta einzudämmen, ernstlich in Erwägung gezogen werden. Bürgermeister Wokral erwidert, daß durch die zu erwartende Verordnung des Staatsamtes für soziale Für sorge eine Besserung der Arbeitsverhältnisse zu erhoffer tehe; vorläufig werde jedoch der Gemeinde nichts anderes übrig bleiben, als auf den Sektionsantrag einzugehen.

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