Gemeinderatsprotokoll vom 7. Februar 1919

* Klassisch ist ferner, warum in dieser neu zusammen¬ gesetzten Landeskommission die Stadt Steyr wiederum nicht vertreten ist □ Herr Bürgermeister: „In der Zeitung ist die Wiedergabe nicht vollständig. Ich habe heute von einem Teilnehmer an der Landeskonferenz selbst vernommen, daß die Bürgermeister von Linz, Steyr und Wels als Vertreter dieser Städte namhaft gemacht werden können“. Herr GR. Prof. Erb: „Das ist mir zu wenig. Steyr muß unbedingt mit drei sitz= und stimmberechtigten Mitgliedern, gewählt von der Stadt, vertreten sein. Die Stadt Steyr ist von so hervorragender Bedeutung und Größe, daß sie zumindestens auf diese Anzahl Vertreter Anspruch hat. Wir können uns mit nur einem Vertreter, wenn er wirklich zugesprochen worden sein sollte nicht abspeisen lassen. Ich muß also meiner Unzufriedenheit Ausdruck geben, daß die Stadt Steyr nicht erwähnt ist uind kann mich nur an das halten, was offiziell ver¬ öffentlicht ist. Alle diese Verhältnisse sind in den letzten Jahren unzähligemale geschildert worden und zwar in Anwesenheit von fast allen Vertretern der damaligen Statthalterei und den Referenten, wie in späterer Zeit der heutigen Landesregierung. Es ist aber um gar nichts besser ge¬ worden. Und das alles soll sich das Volk weiter bieten lassen, weil die Herren Referenten der Landesregierung Vernunftsgründen bezüglich Steyr kaum zugänglich sind. Die Beschlüsse der Landeskommission sind viel zu zahm ind hören dort auf, wo sie eigentlich anfangen sollen Es muß gefordert werden, daß die Referenten über die Zeit vom 1. November 1918 an genauen Bericht erstatten, was in ihren Referaten geschehen ist, wieviel und welches Vieh und Fleisch seit dieser Zeit an von der Viehverwertungsstelle Urfahr aus nach Wien und onst wohin verschickt wurde und was für Preise sie verlangt hat, damit man auf die Versendungen dieser Viehverwertungsstelle Urfahr, über die unglaubliche Ge¬ rüchte verbreitet sind, kommt. Deshalb stelle ich folgende Anträge Der Landesregierung sind nachstehende Forderungen vorzulegen 1. In die erwähnte Landeskommission sind auch drei Vertreter der Stadt Steyr mit Sitz und Stimme einzubeziehen 2. Die Referenten über die Versorgung in Ober¬ österreich in der Landesregierung sind durch praktisch erfahrene Leute aus dem Volke zu ersetzen. 3. Die Wiener Abteilung der Viehverwertungsstelle in Urfahr ist sofort aufzuheben. genaue 4. Die Viehverkehrsstelle in Urfahr hat Ausweise über Menge und Preis des nach Wien und andere Orte außer Oberösterreich gelieferten Viehes ind Fleisch gewissenhaft der oberösterreichischen Landes¬ regierung und der Oeffentlichkeit ab 1. November und bis auf weiteres zu erstatten 5. Sämtlichen Referenten der Landesregierung sind ge¬ jewissenhafte Fachmänner zur Beratung zur seite zu stellen. Wenn diese Punkte angenommen werden und die Sache so angepackt wird können wir Hoffnung haben. daß es besser werden wird. Daß in der Fleischversorgung der Fehler in der Zentrale in Linz liegt, darin wird nir auch der Herr Stadttierarzt Recht geben. Alle jemachten Versuche, das Treiben der Wiener Abteilung er Viehverwertungsstelle Urfahr einzudämmen, sind an den Referenten gescheitert. Wenn wir zu einen Sessel n der Linzer Statthalterei gesprochen hätten, wäre der Erfolg für Steyr ebenso gewesen, als bei so manchen Referenten. Es muß uns endlich die Geduld reißen mit Herren zu verkehren, deren Fähigkeiten oder Wille die Ver¬ orgung des Landes Oberösterreich und Steyrs nich essern können. Es müssen energische Schritte zur Behebung der Not unternommen werden, wenn wir nicht Dinge er¬ eben wollen, die sehr bedauerlich wären. Darum fort mit den Ursachen allen Uebels. 5 Ich will mich in andere Kapitel gar nicht einlassen, weil wir es in erster Linie mit der Fleischversorgung zu tun haben. Es ist in anderen Bezugsartikeln auch nicht besser. Ich sehe es gar nicht ein, daß zur Milchversorgung ein eigener Referent in der Landesregierung sitzen muß, weil er obendrein ganz umsonst ist und in dieser Ver¬ orgung nichts geschieht. So ist es auch mit Fett und eradezu höhnisch mutet die Durchführung der Most¬ versorgung an. Hunderte von Hektolitern Most gehen über unsere Grenzen und dabei hatten wir eine „Most¬ verteilungsstelle“ und Ausfuhrscheine in Oberösterreich! Wir hatten eine Bescheinigungsstelle für Most, haben Bestimmungen über Ausfuhr und über Höchstpreise des Mostes. Aber rein gar nichts geschah, um diese Be¬ timmungen auch durchzuführen. Manche Referenten werden unnütz, doch ihrem eigentlichen Amte vollständig entzogen. Was sind in diesen verschiedenen Bedarfsartikeln ür eine Unzahl von Eingaben und Beschwerden ge¬ macht worden, geholfen haben sie gar nichts. Wenn man bei einer solchen Wirtschaft nicht die Geduld verliert, müßte man der reinste Engel sein. Ich glaube das gesagt zu haben, was jeder von uns fühlt und bitte deshalb aus diesem Gefühle und in Ueberlegung der Sache meine Anträge anzunehmen; venigstens kann man sagen, der Steyrer Gemeinderat at wiederum die Sache an der richtigen Stelle angepackt. Herr GN. Mayr: „Ich erlaube mir auf die Aus¬ führungen des Herrn GR. Prof. Erb zu erwidern, daß ich die Referentenwirtschaft in der Statthalterei nach meinen im Laufe der letzten Zeit gesammelten Er¬ ahrungen ganz anders darstellt. Die Verpflegung der Waffenfabrik, die eine Menge von 13.000 Köpfen umfaßte, wurde nur durch das vernünftige Eingehen der Referenten auf unsere Wünsche ermöglicht, denen ich auch Bitten und Beschwerden anschlossen. Ich glaube nicht, daß den Herren Referenten die ganze Schuld aufzuhalsen ist, wenn es soweit fehlt wie es jetzt fehlt. Ich glaube gerne, daß es den Referenten an Macht gefehlt hat, weil sie besonders in der Jetztzeit durch Verordnungen der Wiener Regierung gebunden waren und daher nicht nach ihrem eigenen Ermessen für das Land eingreifen konnten. Was nützen dem Referenten alle möglichen Erhebungen und Konstatierungen, wenn nan ihm nachher von Wien aus anders diktiert. Darin iegt der Fehler. Ich fühle mich daher verpflichtet und berufen, die Referenten von hier aus in öffentlicher Sitzung in Schutz zu nehmen. (Zwischenrufe des Herrn BR. Prof. Erb: Begünstigung der Waffenfabrik. Vizebürgermeister Fendt: Auf unsere Kosten!) Die teferenten sind immer ihren Pflichten nachgekommen. Ich glaube daher, daß die Anträge dahin ergänzt werden ollen, daß die Referenten nicht auf einmal zu verschwinden hätten, da dadurch erst recht ein Chaos in der Or¬ anisation und der Leitung der Landesregierung ent¬ stehen müßte und es auch 10 mal schlechter werden vürde“ Herr GR. Pröf. Brand: „Ich glaube nicht, daß der Gemeinderat die Möglichkeit besitzt, zu verursachen, daß diese Herren Referenten verschwinden, sondern es wäre im Nationalrat des Staates für Herrn GR. Prof. Erb Gelegenheit gewesen, dort Klage zu ühren und der Staatsverwaltung die Zustände vor Augen zu führen. Diese wäre im Stande gewesen, die Referenten an ihre Pflichten zu erinnern und der Statt¬ halterei nahe zu legen, mit dieser Gesellschaft einmal abzufahren. Wir in Steyr müssen daher schon höher als nur an die Landesregierung greifen, weil es bei ieser zu keinem Erfolg führen wird Herr GR. Vogl: „Die ganze Kritisierug über die Versorgung usw., soweit sie Steyr betrifft, geht auf nichts als auf die Gewerberettung hinaus, und kann durchaus nicht gesagt werden, daß in Steyr im Verkehr mit Lebensmitteln Ordnung herrscht. So ist vor Kurzem bei Steyr eine Hochzeit gefeiert worden, bei welcher weißes Gebäck geboten wurde, das in Steyr gebacken

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