Gemeinderatsprotokoll vom 28. Jänner 1919

Angelobung desselben vor und verliest die Gelöbnis¬ formel „Dem Deutschösterreichischen Staate unbedingt die Treue zu halten, den deutschen Charakter der Stadt Steyr zu wahren, sowie den Bestimmungen des jeweiligen Gemeinde tatutes der Stadt Steyr und der Geschäftsordnung des 77 Gemeinderates stets nachzukommen Herr GR. Witzany: „Ich gelobe“ Dring err Vorsitzender: Es liegt mir folgender ichkeitsantrag vor Dringlichkeitsantrag der Gemeinderäte Franz Tribrunner, Josef Wokral und Parteigenossen Sowohl die prov. Nationalversammlung in Wien als auch die oberösterreichische Landesversammlung haben es als die dringendste Aufgabe bezeichnet, zur allgemeinen Arbeitslosigkeit Notstandsarbeiten ausführen zu lassen. Als Notstandsarbeiten sind nicht nur industrielle und kommunale, sondern auch andere in Aussicht ge nommen. Im besonderen wird darauf verwiesen, daß als Notstandsarbeiten auch Bahnbauten und die Elektrisie rung von Eisenbahnen in Betracht gezogen werden müssen. Mit Rücksicht auf diese Ansichten der Landes= und Staatsregierung stellen die Gefertigten den Antrag: „Der Gemeinderat der Stadt Steyr wolle be¬ schließen, es sei an beide Regierungsstellen heranzutreten, bei der Ausführung der beabsichtigten Notstandsbauten unbedingt auch den Ausbau der elektrischen Bahn St. Florian—Steyr ins Auge zu fassen. Die Landes¬ regierung ist zu ersuchen, den Konzessionären die Ver¬ pflichtung aufzuerlegen, den Bahnbau innerhalb eines befristeten Termines auszuführen und mit den Inter¬ essenten raschestens Fühlung zu nehmen, damit der Ausbau dieser Bahn im Rahmen der auszuführenden Notstands¬ irbeiten ausgeführt werden kann. 33 5 8 /0 Steyr, am 28. Jänner 1919. Karl Fischer. Josef Wokral. Franz Müller. A. Vogl. Ludwig Karl. Karl Dedic. Hans Witzany. Fritz Krottenau. M. Ruckerbauer. Franz Tribrunner. Inton Chalupka. Der Antrag ist mit genügenden Unterschriften gestützt und ersuche ich einen der Herren Antragsteller zur Dringlichkeit das Wort zu nehmen Herr GR. Tribrunner: „Die Dringlichkeit des Antrages begründe ich mit der eingetretenen bekannten Arbeitslosigkeit, die ein rasches Eingreifen zur Ein¬ dämmung derselben verlangt. Ferner begründe ich die Dringlichkeit damit, als der Staatsrat eine Kommission zur Förderung der Friedensproduktion eingesetzt bat, um entsprechende Maßregeln zu ergreifen, diese Kom¬ mission bereits eine Enquete abgehalten hat und die Stellungnahme zum Gegenstande daher dringlich ist Es ist sich so rasch als möglich mit dieser Kommission in Verbindung zu setzen, damit die vorzunehmenden Arbeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nich vernachlässigt werden Herr GR. Prof. Erb: „Nachdem sich dieser Antrag einem vom Herr Bürgermeister Gschaider in der Landes versammlung gestellten Antrag wegen Erbauung der elektrischen Bahn St. Florian—Steyr anschließt, dieser Bahnbau dringlich erscheint und für die Beschaffung von Arbeit die beste Möglichkeit gibt, werden wir für die Dringlichkeit dieses Antrages stimmen“ Herr Vorsitzender: „Ich schreite, da zur Dring¬ ichkeit weiter das Wort nicht gewünscht wird, zur Ab¬ stimmung Die Dringlichkeit des Antrages wird vom Gemeinde¬ rate einstimmig angenommen. Herr Vorsitzender: „Ich erteile den Herrn Antrag¬ teller zum Antrage selbst das Wort“ Herr GR. Tribrunner: „Zum Antrage selbst brauche ich, da der Ausbau der elektrischen Bahn 3 St. Florian—Steyr für unsere Stadt von so großer wirtschaftlicher Bedeutung ist, nicht viel zu erwähnen. Ich möchte nur darauf verweisen, daß schon vor dem Kriege diesem Projekte ein großes Interesse entgegen¬ gebracht wurde, dann aber, da der Krieg das Projekt in den Hintergrund schob, das Interesse hiefür in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Weil aber die Re¬ zierung selbst Mittel und Wege sucht, um Arbeits¬ gelegenheit zu beschaffen, durch die Ausführung des elektrischen Bahnbaues uns selbst auch ein Mittel für ieselbe entsteht, muß heute die günstige Gelegenheit rgriffen werden auf die Sache zurückzukommen und das Hindernis der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen“ herr Vorsitzender: „Ich will nur mitteilen, dast sich die Interessentenversammlung am 8. Jänner ganz in demselben Sinne ausgesprochen und Beschluß gefaßt hat“. Herr GR. Kattner: „Ich komme schon durch 3 bis 4 Jahre alltäglich in dieses Gebiet und habe dadurch die Ueberzeugung gewonnen, daß Steyr aus dieser Bahn die größten wirtschaftlichen Vorteile zieher vird. Der heutige Milchtransport kostet uns an Auto¬ leihgebühr fast täglich 100 K und wäre die Verbilligung der Transportmittel für alle Zufuhren ein großer Faktor. Nur möchte ich bitten, daß die Angelegenheit rasch und energisch in Angriff genommen wird, damit sie sich nicht twa wieder auf 1 oder 2 Jahre verzögert Herr Vorsitzender: „Da zum Antrage das Wort nicht nehr gewünscht wird, schreite ich zur Abstimmung“ Der Dringlichkeitsantrag wird vom Gemeinderate einstimmig angenommen Herr Vorsitzender: „Es liegt mir ein weiterer Dringlichkeitsantrag vor, welcher lautet: Dringlichkeitsantrag der Gemeinderäte Karl Dedic, Hans Witzany und Genossen. Die Stadt Steyr leidet schon seit einer längeren eihe von Jahren immer an einer anhaltenden Wohnungs¬ not, die sich in Zahl, wie auch der Beschaffenheit der Wohnungen zeigt. Ein großer Teil dieser Wohnungen st sogar zu Wohnzwecken total ungeeignet und ungesund. Diese ständige Wohnungsnot ist auch die Hauptursache der weit verbreiteten Tuberkulose, sowie auch aller In ektionskrankheiten, insbesondere auch der enormen Zahl der Typhusfälle in den letzten zwei Jahren Aber auch die Verrohung der Jugend ist zum großen Teil auf die Rechnung der großen Wohnungsnot zu etzen, wie auch das Wohnungselend die Folge der Untergrabung der Sittlichkeit ist. Aus obigen Gründen sehen wir uns genötigt, nachstehenden Dringlichkeitsantrag zu stellen: Der löbliche Gemeinderat der Stadt Steyr wolle beschließen: 1. Die Durchführung einer Wohnungsstatistik über ämtliche Wohnungen, die sich auf alle Teile der Wohnungsfrage zu erstrecken hat, vor allem aber den ygienischen Zustand der Wohnungen zu untersuchen. 2. Ausstellung von Wohnungsinspektoren. 3. Schaffung eines Wohnungsamtes. 4. Ist die Landesregierung zu ersuchen, auf Grund der Vollzugsanweisung Nr. 22 vom 13. November 1915 ine Verordnung zu erlassen und der Gemeinde das Recht zu geben, unbewohnte oder den Wohnzwecken entzogene und überflüssige Wohnungen der einzelnen Hausbesitzer und Mieter anfordern zu können 5. Zur weiteren Ausarbeitung der ersten drei unkte wird die Bau= und Rechtssektion beauftragt, innerhalb eines Monats dem Gemeinderate diesbezüglich Vorschläge zu machen. 38 8 2/16 Steyr, am 28. Jänner 1919. Franz Müller. Karl Dedic. Hans Witzany. Adalbert Vogl. M. Ruckerbauer. Karl Fischer. Karl Ludwig. J. Wokral. Fritz Krottenau. F. Tribrunner. Anton Chalupka.

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