Gemeinderatsprotokoll vom 28. Jänner 1919

2 Zu Beglaubiger dieses Protokolles werden die Herren Gemeinderäte Josef Haidenthaller und Dr. Karl Harant gewählt. herr Vorsitzender: „Es liegt mir ein vom Herrn ürgermeister übergebener Bericht vor, den ich zur Ver¬ lesung bringe: Die Fleischversorgung hat in letzter Zeit eine be¬ dauerliche Verminderung erfahren. Der Bezirk Steyr¬ Land, der uns zur Anlieferung zugewiesen ist, konnte die entsprechende Menge nicht aufbringen, so daß wir genötigt sind, in der laufenden Woche bloß 20 Deka¬ gramm statt 30 Dekagramm auszugeben Es ist ein geringer Trost, daß es anderwärts nochschlechter ist und z. B. Wels, wie aus einem seitens des Bürger¬ meisters Richter im Landtage eingebrachten Antrage hervorgeht, nur 10 Dekagramm ausgibt Kriegswurst konnten wir in der letzten Zeit über¬ aupt nicht erhalten, da solche nur Wirtschaftsvereini¬ gungen zugewiesen wurde. Die Kartoffelversorgung liegt im ganzen Lande sehr m argen; die Zuschübe stocken fast vollständig und nüssen wir uns derzeit mit einer Ausgabe von bloß 2 Kilogramm bescheiden. Auch die Milchversorgung ist trotz aller An¬ strengungen nicht besser geworden Hingegen ist der Zucker endlich eingelangt; es konnte die restliche Dezemberquote ausgegeben werden und wird in den nächsten Tagen die volle Jännerquote zur Ausgabe gelangen Als Zubuße wurde die Mauthausener Sendung ausgegeben; ebenso auch Kriegskaffee und eine bescheidene Menge Haferreis Die Wildanlieferung wird sich hoffentlich jetzt, nach¬ dem im Gebirge starker Schneefall eingetreten ist, durch ergiebige Hochgebirgsjagden erheblich bessern Eine seitens der Städte in Aussicht genommene Vorkehrung ausländische Lebensmittel zu bekommen, ist wie aus einer Zuschrift der Stadt Wien hervorgeht unmöglich geworden, da der Staat selbst diese Bestellungen in die Hand nimmt. Wieviel wir von den vom Staate angekauften ausländischen Lebensmitteln erhalten, ist bisher noch nicht bekannt. Die Holzversorgung hat sich durch Ankäufe von größeren Holzmengen aus aufgelösten Kriegsgefangenen lagern etwas gebessert. Den zusammengefaßten Bericht über die Versorgung im Jahre 1918 werde ich in der nächsten Gemeinderats sitzung zum Vortrage bringen. Trotz aller Vorstellungen und aller Anstrengung Kohle zu bekommen, war es nicht möglich, die Betriebs¬ einstellung des Gaswerkes zu verhindern. Durch diese Einstellung sind die unliebsamsten Folgen entstanden, da owohl die öffentliche Gasbeleuchtung als auch die Ver¬ sorgung der Privaten mit Gas aufhören mußte. Vom Gaswerke eingeholte Berichte ergaben die derzeitige Un¬ möglichkeit, das Gaswerk wieder zu eröffnen; es bestehen war Verhandlungen des Gaswerkes mit Firmen, doch ist Kohle, wenn überhaupt, nur im Schleichhandelswege erhältlich und zwar zu einem Preise, der die Kosten des Gases auf eine unglaubliche Höhe spannen würde Auch die Steyrtalbahn stand vor der Betriebs¬ einstellung, doch wurde es durch energisches Einschreiter beim Staatsamte für Heereswesen möglich, eine Köhlen¬ menge zu erhalten, die die Führung des teilweisen Be¬ triebes bis heute zuließ. Bitte diesen Bericht zur Kenntnis nehmen zu wollen Der Herr Bürgermeister hat mich am 8. Jänner d. J. beauftragt, an einer beim Wirt in Feld statt¬ indenden Interessentenversammlung betreffend den Ausbau der Bahn St. Florian—Steyr teilzunehmen. Die Trasse dieser Bahn wäre gedacht: St. Florian— Asten — Enns — Moos—Thann — Kronstorf — Hagelsberg Stallbach —Dietach—Gleink—Stein. An dieser Ver¬ ammlung nahmen alle Bürgermeister der Gemeinden wischen St. Florian und Steyr teil und außerdem varen ungefähr 200 Interessenten anwesend, die sich ür den Ausbau dieser Bahn einsetzten. Als Vertreter der Stadt Steyr habe ich mich selbstverständlich dahin ausgesprochen, daß wir mit dem Bahnprojekte vollkommen einverstanden nd und glaube ich, daß niemand im Gemeinderate sein wird, der gegen dieses Projekt auf¬ treten würde Es handelt sich hier um die Erschließung eines Gebietes welches für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt sehr wichtig ist und werden wir später noch Gelegenhei haben, uns mit diesem Projekte eingehender zu befassen. Ich habe den kurzen Bericht hierüber nur eshalb vorgebracht, damit der Gemeinderat unterrichtet st, die daß Stadtgemeinde an der Interessenten¬ versammlung am 8. Jänner vertreten war und bitte, dies einstweilen zur Kenntnis nehmen zu wollen“ Geschieht Hierauf bringt der Herr Vorsitzende das Schreiben der Post= und Telegraphendirektion Linz vor, welches lautet: Deutschösterreichische Postdirektion in Linz. Zl. 43.999/6. Linz, am 12. Dezember 1918. Gegenstand: Errichtung einer Tele¬ raphenlinien=Sektion in Steyr. An die Stadtgemeindevorstehung in Steyr. Zum Schreiben vom 9. d. M., Zl. 38830, beehrt ich die Direktion mitzuteilen, daß von hieraus bereits in Antrag wegen Errichtung neuer Telegraphenlinien Sektionen ausgearbeitet wurde, welcher jedoch vorläufig bis zur Klärung der Verhältnisse, insbesonders bis zur Entscheidung der Einverleibung von Südböhmen, zu¬ rückgestellt werden muß, umsomehr, als mit der Errich¬ tung neuer Sektionen nicht unbedeutende Mehrauslagen, deren Bedeckung zur Zeit fehlt, verbunden sind. Vorläufig liegen die Schwierigkeiten in der Er¬ richtung von Fernsprechanschlüssen noch immer in der Unmöglichkeit, durch eine einschneidende Erweiterung der Dachgestänge und Kabelanlagen Abhilfe zutreffen, vährend Anschlußleitungen in Orten, deren Dach¬ gestänge noch nicht voll besetzt ist oder in welchen Säulenleitungen Verwendung finden, doch ab und zu ergestellt werden können. ehnliche Verhältnisse wie in Steyr liegen auchin Wels Ried, Braunau, Freistadt, Gmunden, Hallein, Salzburg usw., sowie auch in Linz vor, woselbst in ein zelnen Stadtgebieten schon seit zwei Jahren keine Neu¬ anschlüsse mehr durchgeführt werden können. ur Zeit können ungefähr 2000 Anschlüsse nicht erg tellt werden Abgesehen davon, daß die Materialgewinnung sich nur sehr langsam steigern wird, da die Fabriken unter allen möglichen Schwierigkeiten arbeiten, darf nicht über ehen werden, daß die h.=ö. Direktion allein für die Durchführung aller notwendigen Erweiterungen der Gestänge und Fernvermittlungsämter einen Kredit von 5,000.000 K beanspruchen mußte, dessen Zuweisung aber vorläusig nicht erfolgen kann. Die Stadtgemeindevorstehung kann versichert sein, daß alles geschehen wird, was überhaupt möglich er cheint, um über die schwierigen Verhältnisse bald¬ möglich hinwegzukommen Der Hofrat und Vorstand: van de Castel. Nachdem nunmehr Herr GR. Witzany in der Sitzung erschienen ist, nimmt der Herr Vorsitzende die

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