Ratsprotokoll vom 18. Juni 1918

Oesterreichs geführt. Der größte dieser Volkstage wurde am Sonntag den 16. Juni im Rathause in Wien unter massen¬ hafter Beteiligung der deutschbewußten Kreise des Reiches abge¬ halten. Bei dieser Tagung wurde folgende Entschließung gefaßt: Die zum Volkstag in Wien am 16. Juni 1918 versam¬ melten deutschen Männer und Frauen aus allen Teilen Oester¬ reichs entbieten den heldenmütigen Kämpfern für Volk und Vaterland Gruß und Dank. Das deutsche Volk in Oesterreich rwartet zuversichtlich, daß dank der ruhmreichen Waffenerfolge der Armeen des Vierbundes der Krieg siegreich beendet werde. Im festen Vertrauen auf sie erhofft es einen baldigen ehren¬ vollen Frieden, wert der unermeßlichen Opfer an Gut und Blut, die es gebracht hat, einen Frieden, der die Bahn für eine ungehemmte kulturelle und wirtschschaftliche Entwicklung des ge¬ amten deutschen Volkes frei macht und es zu neuer Blüte und Größe führt. Das deutsche Volk in Oesterreich entbietet seinen Gruß den Brüdern im verbündeten Deutschen Reiche. In unerschütter¬ licher Treue hält es an dem so herrlich bewährten Bündnisse fest und fordert den engsten politischen, militärischen und wirt¬ chaftlichen Ausbau dieses Bündnisses, in dem es die sicherste Bürgschaft für eine lange Dauer des kommenden Friedens er¬ lickt. Durch die Bündnispolitik muß die auswärtige Politik der österreichisch = ungarischen Monarchie richtunggebend bestimmt werden. Einer solchen äußeren Politik darf auch die innere nicht vidersprechen. Den Feinden des Bündnisses im Staate muß der Boden entzogen werden, auf dem sie ihre gefährliche Wühlarbeit etreiben. Einmütig weist der Deutsche Volkstag die von den Tschechen und Südslaven in den Erklärungen vom 30. Mai 1917 im Abgeordnetenhause zum Ausdruck gebrachten Bestrebungen, den schecho=slovakischen und den jugo=slavischen Staat aufzurichten, zurück. Der Deutsche Volkstag fordert, daß die Sonderstellung Galiziens bei gleichzeitiger Angliederung von Biala mit den deutschen Nachbargemeinden an Schlesien und bei ausreichendem Schutze der deutschen Siedelungen in Galizien durchgeführt wird Die deutsche Sprache muß als Staatssprache für ganz Oester¬ reich festgelegt werden. Den Forderungen der Deutschen in der Sudetenländern, insbesondere in Böhmen, muß ehestens voll entsprochen werden. Im Süden Oesterreichs muß der Weg zur Adria für das Deutschtum freigehalten und der Anschluß der Slovenen an einen südslavischen Staat damit endgültig ver¬ hindert werden. Tirol muß ungeteilt erhalten bleiben, Triest mit der österreichischen Seeschiffahrt und Südtirol dürfen nie vieder der italienischen Irredenta ausgeliefert werden Der Deutsche Volkstag in Wien fordert für die rein¬ deutschen Kronländer die sofortige Gesetzwerdung der Lex Kolisko erlangt unbedingten Schutz für die deutschen Minderheiten im nichtdeutschen Sprachgebiete und verwahrt sich gegen jede weitere Verzichtpolitik, die nur die Feinde des Staates und Gegner einer Bündnispolitik stärken würde. In vollster Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der deut¬ schen Kronlandsvolkstage ist auch der Wiener Volkstag fest ent schlossen, in Hinkunft die völkischen Belange allen anderen voran¬ zustellen und jede Regierung zu bekämpfen, welche die deutschen Forderungen nicht zu erfüllen gewillt und bestrebt ist In wirtschaftlicher Hinsicht verlangt der Deutsche Volks¬ tag die tatkräftige und zweckmäßige Hebung und Förderung der landwirtschaftlichen Gütererzeugung sowie die gleichmäßige Auf¬ bringung und die gerechte Verteilung der Lebensmittel und onstigen notwendigen Bedarfsgegenstände. Zum Schutze der Verbraucher gegen jede Ausbeutung und Bewucherung sowie zur Unterdrückung des Schleichhanvels sind wirksame Maß nahmen zu treffen. Der Deutsche Volkstag wendet sich insbe ondere gegen die herrschende Mißwirtschaft in den Zentralen in welchen sich der Einfluß der zahlreichen, vom Waffendienste enthobenen Juden ungebührlich breit macht. Der Deutsche Volks¬ ag verlangt, daß zwischen den staatlichen Behörden und den Selbstverwaltungskörpern das unbedingt notwendige Einver nehmen hergestellt und die gesamte Ernährungswirtschaft unter eine wirksame Kontrolle der Oeffentlichkeit gestellt werde. Durch eine zweckdienliche, sparsame Wirtschaft, insbesondere von seiter er Heeresverwaltung, muß der Bevölkerung das Durchhalten erleichtert und erträglich gemacht werden. Der Deutsche Volks¬ tag erwartet, daß auch im Ernährungswesen eine Einheitsfront der verbündeten Mittelmächte geschaffen werde Der Deutsche Volkstag in Wien begrüßt den Zusammen¬ schluß der deutschen Volksgenossen ohne Unterschied der Partei zur gemeinsamen und wirkungsvollen Vertretung der nationaler Belange des deutschen Volkes in Oesterreich und fordert, daß die in den deutschen Volkstagen zum Ausdruck gebrachte Volks¬ politik von den deutschen Abgeordneten ebenso einmütig und ntschieden im Abgeordnetenhause zur Geltung gebracht werde.“ Die Gefertigten stellen als treu deutsche Söhne ihres Volkes folgenden Dringlichkeitsantrag der Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr begrüßt die bei den in den verschiebenen Kronländern und am 16. Juni 1918 in der Reichshauptstadt abgehaltenen Volkstagen geschlossene Einigkeit aller deutschbewußten Oesterreicher und die Bestre¬ bungen, die Forderungen des deutschen Volkes kräftigst durchzu¬ zusetzen. Er schließt sich vollinhaltlich der in Wien von Tausen¬ en Deutschen einstimmig gefaßten Entschließung an und forder die Bevölkerung Steyrs auf, eifrigst im Sinne dieser Beschlüsse zu wirken. 3. Gleichzeitig stimmt der Gemeinderat der Veranstaltung ines deutschen Volkstages in Linz zu und erwartet von der deutschen Bevölkerung Steyrs eine rege Beteiligung an dieser deutschen Tagung.: Steyr, 18. Juni 1918. L. Erb. V. Ortler Gschaider. Amerstorfer. Kattner Ing. Josef Huber. Aug. Mitter Otto Dunkl. Leopold Haller. Aigner. Bachmayr. Tribrunner. Karl Wöhrer Fr. Schwertfelner. Dr. Harant. F. Gründler. der Antrag ist von einer ganzen Reihe von Gemeinde¬ äten gefertigt, sohin genügend unterstützt und bitte Herrn Ge¬ meinderat k. k. Prof. Erb zur Dringlichkeit des Antrages das Wort zu ergreifen. Herr G.=R. k. k. Prof. Erb: Die „Dringlichkeit ergibt sich von selbst, nachdem erst in mehreren Wochen wiederum eine Gemeinderatssitzung stattfinden dürfte und der Antrag während ieser Zeit seine Wirkung und den Zweck verlieren würde. llußerdem gebietet es die gefährdete Lage des deutschen Volkes in Oesterreich, daß so rasch als möglich in allen deutschen Städten, Märkten und den übrigen Gemeinden zu diesen trost¬ losen Verhältnissen in nationaler, wirtschaftlicher und politischer Beziehung Stellung genommen werde err Bürgermeister: Wird zur Dringlichkeit des An¬ trages das Wort gewünscht? Es ist nicht der Fall. Die Dring¬ lichkeit des Antrages erscheint somit angenommen. Ersuche Herrn G.=R. k. k. Prof. Erb zum Antrage selbst as Wort zu nehmen. Herr G.=R. k. k. Prof. Erb: Dem Antrage selbst habe ich wenig beizufügen, ergibt sich doch aus dem Wortlaute der Entschließung, die auf dem großen Volkstage in Wien gefaßt wurde, alles von selbst; die Entschließung sagt deutlich, was die Deutschen Oesterreichs wollen. Ich glaube, es wird unter den Deutschen Oesterreichs ohne Unterschied der Parteirichtung nie¬ manden geben, der sich nicht dieser sachlichen, maßvollen, politisch völkisch und wirtschaftlichen Stellungnahme anschließen würde, und glaube auch, daß auch wir ohne Unterschied der Partei ieser Entschließung einmütig beistimmen, ebenso selbstverständ¬ ich werden wir auch der Abhaltung des Volkstages in Linz eistimmen, nachdem in anderen deutschen Gebieten Oesterreichs chon hundert andere Volktage abgehalten wurden, die alle einen prächtigen, erhebenden und wirkungsvollen Verlauf nahmen. Herr G.=R. Wokral: Herr G.=R. Erb hat den Wunsch ausgesprochen, daß der Gemeinderat einmütig dieser Entschließung ustimmen möge. Ich wünsche sehr, daß der Krieg möglichst bald zu Ende gehen wird und der Friede in einer solchen Weise gestaltet werde, daß es in absehbarer Zeit überhaupt keinen Krieg mehr gibt, damit es ermöglicht wird, daß für die Zu kunft uns und unseren Kindeskindern dieses Elend, das wir heute durchzumachen haben, erspart bleibt; das müssen wir alle vünschen. In dieser Entschließung sind aber auch Dinge ange¬ ührt, mit denen ich nicht einverstanden sein kann, weil ich der luffassung bin, daß sie uns allen in Oesterreich im gemein¬ amen Sinne nichts nützen würden Die deutschen Parteien mögen ihre Stellung zu den an¬ deren Nationen des Reiches einer gründlichen Prüfung unter¬ iehen; es nützt nichts, wenn wir uns darauf versteifen, daß die Staatssprache deutsch sein muß. Wenn wir verlangen, daß den bezeichneten Elementen der Boden entzogen werde, so werden wir sie selbst zu Feinden des Staates machen. Die Freiheit, die wir verlangen, muß auch diesen gegeben werden, damit sie auch nau wie wir, die in diesem Staate wohnen, denselben ihr Vaterland nennen können Wenn wir die Sache genau betrachten, so muß man sagen, daß zum Teile auch die deutschen Parteien in der Stellung¬ jahme der Nationen untereinander nicht ganz unschuldig sind nd zwar deshalb, weil man sich immer auf eine Vorherrschaft ersteift und dabei übersehen hat, daß alle Nationen, die gleich¬ am in einem Hause wohnen, nicht darauf einzeln bestehen dürfen, sich Sondereinrichtungen zu schaffen, sondern daß alle in diesem Hause ihr Leben und ihr Auskommen finden müssen. So ist es auch in unsevem Staate; wenn wir alle in diesem tationalitäten reichen Staat unser Heimatland erkennen wollen, ürfen wir uns nicht auf eine Vorherrschaft versteifen, sondern trachten, daß alle Nationen gleichberechtigte Glieder des Staates ein können Von diesem Gesichtspunkte aus ist es mir leider nicht nöglich, dieser Entschließung zuzustimmen, weil sie meiner An¬ icht und meiner Parteianschauung strikte widerspricht Was das Bestreben anbelangt, seine Nation zu schützen und zu pflegen, so werden auch wir dafür eintreten, sind aber der Auffassung, daß es in der Art geschehen solle, daß wir nicht,

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