Ratsprotokoll vom 18. Juni 1918

2 Die Behandlung der Kranken erfolgt nach den modernsten Grundsätzen. Spezifische Behandlung mit Tuberkulomucin, mit Partialantigenen nach Deyke=Much und künstlicher Höhensonne u. s. w. haben bereits sehr erfreuliche Resultate gezeitigt Die Anschauung, daß eine Lungenheilstätte in Steyr den kranken Kriegern keine Möglichkeit auf Heilung oder Besserung beruht also offenkundig nur auf Verkennung der Sachlage biete, Die ausgesprochenen Befürchtungen, daß durch die Lungen¬ heilstätte die Bewohner der Stadt und die Arbeiterschaft der Waffenfabrik gesundheitlich gefährdet werden, ist wohl nur einer unbegründeten Bazillenfurcht entsprungen. Es ist vollständig ausgeschlossen, daß jemals irgend eine Gefährdung Steyrs in diesem Belange eintritt. Die wenigen täglich ankommenden Kranken berühren auf ihrem Wege vom Bahnhof in das Spital die innere Stadt, Steyrdorf und die westlich gelegenen Bezirke überhaupt nicht, da das Reservespital am entgegengesetzten Stadt¬ nde liegt. Den im Spitale befindlichen Kranken ist vom erster Tage der Verlegung der Heilstätte nach Steyr angefangen, das Betreten der Stadt mit Spitalskommandobefehl ausnahmslos verboten. Die Kranken werden je nach ihrem Krankheitszustande unter Führung verläßlicher Chargen in der Zeit zwischen 1—4 Uhr nachmittags in die erwähnten Wäldchen in der Umgebung des Spitales spazieren geführt. Beim Spaziergange hat jeder Mann mit nachgewiesener Tuberkulose sein Spuckgläschen bei sich. Gegenwärtig sind im Reservespital in 27 Krankenzimmern 197 Lungenkranke untergebracht. Hievon sind 96 Fälle mit offener und 66 Fälle mit geschlossener Tuberkulose behaftet. Der Rest sind einfache Katarrhe nicht tuberkulöser Art Das k. u. k. Kriegsministerium vermag daher mit Rück¬ auf die dargelegten Gründe und den dringlichen Bedar icht nach Unterkünften für tuberkulöse Militärpersonen von der ver¬ ügten Verwendung des Reservespitales in Steyr nicht Abstanl zu nehmen und ersucht die geschätzte Stadtgemeinde=Vorstehung dieses gefälligst zur Kenntnis nehmen zu wollen Stöger=Steiner, GObst. Ich bitte, diese Erledigung zur Kenntnis nehmen zu wollen. Sodann beehre ich mich mitzuteilen, daß ich am vorigen Sonntag in Vertretung der Stadtgemeinde Steyr an dem großen Wiener Volkstag teilnahm, der einen Massenbesuch auf¬ wies und ungemein eindruckvoll und würdig verlief Bezüglich städtischer Fragen beehre ich mich folgende Mitteilungen zu machen Die Fleischversorgung ließ in der letzten Zeit sehr viel zu wünschen übrig, da durch Minderanlieferung an Stückzahl und insbesondere durch Anlieferung von sehr unter gewichtigem Vieh niemals der vorgeschriebene Bedarf erreicht werden konnte. Es ist daher im Verlaufe der letzten zwei Wochen die Erscheinung aufgetreten, daß an Dienstagen kein Fleisch ausgegeben werden konnte. Ich werde selbstverständlich die Bemühungen zur Besserung der Fleischversorgung fortsetzen. Sehr unangenehm wirkte die in voriger Woche erfolgte Verfügung der Brotkürzung. Ich habe mich im Ver¬ eine mit dem Magistrate Linz schärfstens gegen diese Kürzung verwahrt, doch war ich infolge neuerlichen Statthalterei=Erlasses gezwungen, gestern mit der Durchführung dieser Kürzung vor zugehen Dagegen konnte die Stadtgemeinde nochmals eine be¬ scheidene Menge von Kartoffeln als Zubuße verabfolgen Die Zahl der eingelegten Eier ist auf 346.220 Stück estiegen und wird die Stadtgemeinde durch diese Menge in die Lage versetzt werden, im Winter alle 14 Tage ein Gi für jede Person abzugeben. Um die städtische Einlagerung zu entlasten, werden nun n jene Haushalte, die seinerzeit angaben, selbst Eier einlagern zu wollen, 16 Stück für den Kopf verabfolgt, was der oben an¬ gegebenen Kopfmenge entspricht ach längerer Pause ist es wieder gelungen Seefische zu erhalten Da betreffend Marmeladeversorgung Klage über deren schlechte Güte einliefen, wandte ich mich an das Ministerium für Volksernährung mit der Bitte, der Stadt¬ gemeinde unmittelbar Marmelade besserer Sörte zuzuweisen Das Volksernährungsamt ging auf diese Forderung nicht ein wies jedoch das Ernährungsamt der Statthalterei an, beste Marmelade in entsprechender Menge der Stadt zuzuweisen. Um Schädigungen der Feldfrüchte tunlichst zu vermeiden, trat ich an das k. u. k. Stationskommando Steyr mit dem Er¬ suchen heran, wie im Vorjahre Flurwächter zu bestellen Wie mir dieses Kommando mitteilte, wurde die Auf¬ stellung seitens des k. k. Militärkommandos Innsbruck geneh¬ nigt, so daß heuer die Aufstellung dieser Flurwächter, die sich m Vorjahre recht gut bewährt hatte, schon um 5 Monate rüher erfolgt, als im Jahre 1917, was im Interesse det Schutzes der Felder vor Diebstählen sehr zu begrüßen ist. Zufolge einer Eingabe, die ich an die k. k. Statthalterei n Linz richtete, wurde die Einkommensgrenze der mit Butscheinen für Minderbemittelte Bereilten von 3200 K auf 4000 K, jene der mit Gutscheinen für Mindestbemittelte Beteilten von 1600 K auf 2000 K erhöht, wodurch eine bedeutende Anzahl von Familien in den Genuß dieser staatlichen Unterstützung kommt Vor kurzer Zeit lag ein Anbot auf eine bedeutende Holzmenge vor. Die mit der betreffenden Firma gepflo¬ genen Verhandlungen ergaben jedoch, daß der verlangte Preis ein unannehmbar hoher war, so daß leider diese Gelegenheit insere Holzversorgung wesentlich zu bessern, unausgenützt bleiben mußte Da kein Auftreten der Wutkrankheit bei Hunden mehr bemerkbar war, war ich in der Lage, mit der Aufhebung des Leinenzwanges vorzugehen. Die in der Raminggasse durch Verschüttung eines Teiles derselben nutzlos gewordenen Gehsteigrandsteine wurden heraus¬ enommen und zu anderen Gesteiganlagen benützt. Es wurden damit Gehsteige in der Kompaßgasse und in der Eisenstraße geschaffen und kommt auch ein Gehsteig in der äußeren Sier¬ ningerstraße zur Ausführung Die starke Inanspruchnahme unserer Straßen durch die Fuhrwerke, insbesondere durch die schweren Lastenautos, hat be¬ deutende Schäden in der Straßen= und Brückenpflasterung ge¬ zeitigt. Es wird in absehbarer Zeit notwendig sein, mit größeren Umpflasterungen vorzugehen und insbesondere werden wir gezwungen sein, Pflaster= und Betonunterbau der Steyr¬ rücke gänzlich auszuwechseln. Durch die sehr erhöhten Kriegs¬ reise werden diese Arbeiten wohl sehr hoch zu stehen kommen, nd aber leider unerläßlich geworden. Die III. Sektion wird in einer der nächsten Gemeinderats=Sitzungen dem Gemeinderate entsprechende Kostenvoranschläge vorlegen. Die Suche nach Quellen, welche zur Errichtung der Wasserleitung dienen sollen, wurden eifrigst fortgesetzt, aber noch zu keinem endgiltigen Ergebnisse geführt. aben Das starke Anwachsen der Bevölkerung vor Ennsdorf, insbesondere die Errichtung so vieler Neubauten uf der Ennsleite, hat auch eine große Vermehrung der Schülerzahl bedingt, so daß die für diesen Teil in Betracht kommenden Schulen, die Bergschule und die Steyrdorfschule die zu erwartende Schülerzahl nicht fassen können Ich bin deshalb mit der Militärbauleitung in Verbindung etreten mit dem Vorschlage, eines der neu erbauten Häuser auf der Ennsleiten zu Schulzwecken herzurichten. Die Militärbau¬ leitung ist entgegenkommender Weise bereit, auf diesen Vorschlag inzugehen und wird dem Gemeinderate nach Abschluß der be¬ züglichen Verhandlungen eingehend Bericht erstattet werden. Bei Durchführung dieser Anregung würde eine vorläufige glückliche Lösung der Schulfrage in Ennsdorf bis zur Erbauung einer ndgiltigen Schule erreicht werden. Das k. k. Eisenbahn=Ministerium hat grundsätzlich den Um¬ bau unseres längst nicht mehr zeitgemäßen Bahnhofes be¬ chlossen und die k. k. Staatsbahn=Direktion Linz mit der Aus¬ arbeitung eines diesbezüglichen Projektes betraut. Da es bisher nicht möglich war, Einsicht in dieses Projekt zu erhalten, diese ber im Interesse rechtzeitiger Vorstellungsmöglichkeiten empfeh¬ enswert wäre, ersuchte ich Herrn Reichsratsabgeordneten k. k. Professor Erb, diesbezüglich beim Eisenbahn=Ministerium vor zu werden. tellig Die Antwort des Eisenbahn=Ministeriums lautete dahin, aß vor Fertigstellung des Projektes der Stadtgemeinde Einsicht n dasselbe gewährt werde, um etwaige Wünsche rechtzeitig äußern zu können Ich gestatte mir, Herrn Reichsratsabgeordneten k. k. Prof. Erb für dessen erfolgreiches Einschreiten den besten Dank aus¬ zusprechen. Seit Längerem besteht schon der Plan, dem Stadtplatze ine bessere Be leuchtung zu geben. Doch scheiterte dies stets an der Unmöglichkeit, entsprechende Masten zu beschaffen. Nun vird es aber möglich sein, solche zu beziehen und dürfte die Errich¬ tung dieser Beleuchtung, die mit 5 Glühlampen zu je 1000 Kerzen geplant ist, nach Fertigstellung des Netzumbaues möglich ein; ebenso werden voraussichtlich je eine derartige Lampe am sfarpplatze und am Wieserfeldplatze zur Aufstellung kommen. Nach Mitteilung der Sparkassa Steyr hat die Regierung die in der Jubiläums=Sitzung vom 17. August 1917 beschlossenen Widmungen genehmigt. Es entfallen hierau K 2.040.86, für die Armen der Stadtgemeinde Steyr K 4.081.72 ür die Humanitätsanstalten des Stadtbezirkes und für den Bau der Infektionsabteilung des K 10.000.— allgemeinen Krankenhauses Ferner beschloß der Sparkassa=Ausschuß in der Sitzung vom 23. Mai 1918 für die in Not geratenen Hinterbliebenen nach Gefallenen, Vermißten und Verwundeten der Stadt Steyn zu K 1000.— und für den Steyrer Invalidenfond K 500.— widmen, Ich gestatte mir, der verehrlichen Sparkassa Steyr für diese ansehnlichen Widmungen den ergebensten Dank zum Aus¬ drucke zu bringen. Seitens des Herrn G.=R. k. k. Prof. Erb ist mir folgen¬ er Dringlichkeitsantrag zugekommen: Dringlichkeitsantrag es Herrn Gemeinderates k. k. Professor Leopold Erb. die immer heftiger werdenden Angriffe der staatsfeind¬ lichen Völkerschaften auf das deutsche Volk in Oesterreich und auf dos gesamte Deutschtum haben jedes Maß, jedes Ziel über¬ chritten Die dadurch hervorgerufene Bebrängnis und Not des deutschen Volkes hat zu einer ganzen Reihe von durchweg rächtig verlaufenen Volkstagen in allen deutschen Gebieten

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