Ratsprotokoll vom 18. Jänner 1916

die Kriegsgetreide=Verkehrsanstalt in Wien erfolgte. Oftmals war die Lage eine geradezu verzweifelte. Zu geringe oder icht rechtzeitige Zuweisungen, Waggonmangel und sonstig Verkehrsschwierigkeiten brachten derartige Stockungen mit sich, daß die Stadtgemeinde — obwohl sie sogar zu Getreide¬ bzw. Mehlentlehnungen beim Militär und bei Bezirks¬ behörden griff — oft kaum imstande war, die notwendigste Menge zu beschaffen. Selbst die Beschaffung des in der Bevölkerung nicht gerade beliebten Maises stieß auf große Schwierigkeiten, mußte aber gleichwohl mit allen Mitteln erzwungen werden, da sonst eine halbwegs genügende Menge von Mehl überhaupt nicht zu beschaffen gewesen wäre. Erst in etzter Zeit, nach vielfachen Eingaben, Besprechungen und Beschwerden, ist die Mehlversorgung eine leichtere geworden. Vom 16. Februar 1915, an welchem Tage die staatliche Ver¬ orgung begann, bis zum 31. Dezember 1915 wurden ge¬ liefert: Getreide a) 91.862•91 205.847 kg zum Preise von K Weizen 91.104-30 245.618 „ 1 Roggen 4.569·33 13.263 Berste „ ** 91.428·76 259.390 Mais * „ K 278.965·30 zusammen. 724.118 kg b) Mehl: kg zum Preise von K 366.332·07 694.257 Weizenmehl 223.607 93.414-21 Roggenmehl * „ „ 28.737·30 54.05 Gerstenmehl 4.014·70 20.399 Mischmehl * „ 6.190·68 8.972 Weizengrieß „ 8.736•— 14.560 Maisgrieß 1 „ * * K 507.424 96 zusammen. 1,015.845 kg „ Es wurden somit Getreide, Mehl und Grieß zusammen geliefert: 1,739.963 Kilogramm zum Preise von 788.390 K 26 h Aus dem gelieferten Getreide wurden gewonnen 164.679 Kilogramm Weizenmehl 196.494 Roggenmehl „ Berstenmehl, 10.611 „ Maismehl 207.512 Mehl, zusammen mit der zusammen 579.296 Kilogramn rgibt einen Mehlverbrauch obigen 1,015.845 on 1,595.141 Kilogramn Beizen=, 26·34 Prozent au von denen 53·85 Prozent au Mais=, 4·05 Prozent au Roggen=, 13·01 Prozent auf Bersten=, 1·28 Prozent auf Mischmehl, 0·91 Prozent au Maisgrieß und 0·56 Prozent auf Weizengrieß entfallen. Legt man die für Steyr gewiß sehr niedrig gegriffene Einwohnerzahl von 24.000 zugrunde, so entfallen mit Rück¬ icht auf die 319 Verbrauchstage auf den Kopf im Tage 209 Gramm Da die bewilligte Mehlmenge 200 Gramm beträgt, diese Regelung aber erst mit 26. April 1915 eingeführt wurde, während früher mehr verbraucht werden konnte, außerden auf schwerarbeitende Personen eine Mehlmenge von 300 Gramm entfällt und auch noch der Bedarf der Zuckerbäcker und der Gasthäuser gedeckt werden mußte, so erhellt daraus, daß die zugewiesene Mehlmenge für Steyr viel zu gering war und daß die früher erwähnten Vorstellungen und Be¬ schwerden, die zu einer endlichen Besserung führten, ihre volle Berechtigung hatten Das Bestreben, in den schlechtesten Zeiten eine Ver¬ besserung des zu vielen Klagen Anlaß gebenden Maisbrotes zu erreichen, führte zur Bestellung von 20 Waggons rumäni¬ cher Gerste. Obwohl die hiefür verlangten 88.000 K sofort erlegt wurden, traten ungeahnte Schwierigkeiten in Form von Waggonmangel, Ausfuhrverboten der rumänischen Re¬ gierung, ungeheuren Ausfuhrprämien usw. auf, so daß es ist, den Bezug durchzuführen heute nicht gelungen bis Erst jetzt nach Abschluß des Lieferungs=Uebereinkommens mit Rumänien steht zu erwarten, in absehbarer Zeit das Beld oder die Ware zu erhalter Zur Ergänzung der beschränkten Mehlmenge wurder Bestellungen auf Reis gemacht. Es gelang im Juni 27.000 Kilogramm zu verhältnismäßig billigem Preise zu erhalten. Ein weiterer im September unternommener Versuch, 90.000 Kilogramm über die Schweiz zu bekommen, scheiterte, da keine entsprechenden Kompensationen vorhanden waren. Jetzt scheint es wieder möglich zu werden, einige tausend Kilo¬ gramm zu bekommen. Mit der Beschaffung von Zucker mußte sich die Stadt¬ gemeinde ebenfalls beschäftigen und wurden im Juni durch Vermittlung der Stadt 70.000 Kilogramm bezogen. Der Be¬ zug wurde hierauf wieder der Kaufmannschaft freigegeben, aber erst in jüngster Zeit war wieder ein Eingreifen der Stadtgemeinde notig, um der drohenden Zuckernot entgegen¬ zutreten. Desgleichen waren oftmalige Vorstellungen nötig, um allzu große Stockung in der Salzzufuhr zu verhindern eine Die große Steigerung der Fleischpreise veranlaßte Be¬ stellungen in auswärtigem Fleisch. Bisher wurde hievon Fleisch von rund 350 Stück Rindern mit 85.700 Kilogramm im Werte von 326.067 K 93 h eingeführt. Leider stand in letzter Zeit die Fleischhauergenossenschaft der Fortsetzung dieser zufuhren ablehnend gegenüber. Die Stadtgemeinde ist bei em Mangel eines Schlachthauses oder sonstiger geeigneter Räume bei der herrschenden warmen Witterung nicht in der age, selbst die Ausschrotung zu übernehmen. Immerhir könnte aber beim Eintritt von Kälte ein Versuch gemacht verden Was den heurigen Seefischmarkt der Stadtgemeinde betrifft, so sind seit 20. August 1915 bis Ende des Jahres verkauft worden Durchschnittspreis 3232·55 kg um K 6929·49 Kabeljau K 2·28 * * 100·40 283•90 2·80 Seehecht * * * „ „ „ 135•91 339•04 „ 2·65 Seelachs „ „ „ 7·96 157•41 Schellfisch „ 2·04 „ „ „ 9•29 5•63 1•40 Bratschellfisch „ •93 23•83 2•40 * Rotzungen „ „ „ 39•95 4·30 9•29 „ heilbutt „ * * „ K 7782·9. 3572·67 kr Die Preise der Fische waren häufig derart hohe, daß ie Fische um den tatsächlichen Preis hier nicht verkäuflick gewesen wären. Die Verkaufspreise mußten deshalb stets so näßig gehalten werden, daß die Stadtgemeinde oft Verkaufs¬ defizite decken mußte, um der ärmeren Bevölkerung ein bil¬ liges Nahrungsmittel zur Verfügung stellen zu können. Ob¬ wohl aber die Verkaufspreise beim Weihnachtsmarkt außer¬ ordentlich niedrig gehalten waren, konnte die bestellte Menge icht verkauft werden. Um den nicht verkauften Rest zu ver verten, wurde der Versuch gemacht, diesen Rest zu selchen. Dieser Versuch ist sehr gut gelungen. Die geräucherten See¬ ische sind sehr schmackhaft und haben den Seefischgeschmack änzlich verloren. Sie können sowohl roh, als auch nach ehn Minuten langem Kochen genossen werden. Der Um stand, daß zu ihrer Zubereitung keinerlei Fett notwendig ist, nacht sie um so brauchbarer und bin ich überzeugt, daß dieser geräucherte Seefisch hier Anwert finden wird. Die Versorgung mit Fett war fast unmöglich. Einer¬ eits wurden für Schweineschmalz geradezu unannehmbar hohe Preise verlangt, anderseits war ein, was Preise an¬ belangt, sehr verlockendes Anbot in amerikanischem Schweine¬ ett mit derart großen Gefahren und Verlustmöglichkeiten verbunden, daß es nicht ratsam schien, darauf einzugehen. Gut ist dagegen der Versuch, bosnische Fettschweine einzu¬ ühren, gelungen. Die Bewilligung der bosnischen Landes¬ egierung wurde erwirkt und gelangten bisher 4249 Kilo¬ ramm Schweine, die zum Durchschnittspreis von 4 K 60 h mit 19.774 K verkauft wurden und reißenden Absatz fanden, Ich werde trachten, weitere Einfuhrsbewil¬ zur Einfuhr. ligungen zu erhalten, um, sobald wieder kältere Witterung herrscht, wieder mit dem Bezug zu beginnen Als Ersatz für tierisches Fett wurde Kunerol beschafft. Leider waren nur 500 Kilogramm zu erhalten, die zum Preise von 4 K 50 h um 2250 K abgegeben wurden. Trotz ogleicher Nachbestellung war es erst jetzt möglich, die Zu¬ icherung einer weiteren Lieferung von bloß 100 Kilogramm zu erhalten Der herrschende Fettmangel führte zu einer bedeutenden Stockung in der Vutterzufuhr. Auch hier suchte die Stadt¬ jemeinde mildernd einzugreifen. Nach einm gut gelungenen Anfang wurde jedoch die Butternot so groß, daß es beim besten Willen und trotz vielfacher Versuche nur gelang, eine janz unbedeutende Wochenmenge zu erhalten. Dies führte zu den bekannten Szenen bei der Verausgabung der Be¬ zugsscheine sowie beim Butterverkaufe. Erst neuerdings ist die Butterzufuhr bedeutend größer geworden, so daß der Verkauf sich wieder ruhig gestaltet. Abgesetzt wurden 3350 Kilogramm zum Durchschnittspreise von 4 K 80 h mit 14.958 K luch Eier wurden beschafft und hievon 28.000 Stück um Durchschnittspreise von 13 h um 3640 K abgegeben doch mußte der Verkauf infolge gänzlichen Aufhörens der Zufuhren in den letzten Monaten vollständig eingestellt verden. Eine der wichtigsten Fragen war die Beschaffung einer ausreichenden Menge von Speisekartoffeln. Schon zu Be¬ inn des Sommers, als die Preise der Frühkartoffel ein janz ungerechtfertigte Höhe erreichten, griff die Stadt¬ gemeinde durch Bestellung von 10.000 Kilogramm Früh kartoffeln ein, welche weit unter dem Marktpreise abgegeben wurden. Tatsächlich wurde dadurch auch die Herabsetzung der Frühkartoffelpreise erreicht. Als Ende September die neuen Kartoffelhöchstpreise erschienen, trat sofort eine allgemeine Stockung im Kartoffel¬ verkaufe ein. Versuche der Stadtgemeinde, Kartoffel zum orgeschriebenen Höchstpreise zu requirieren, scheiterten an der Weigerung der Erzeuger, diese Preise einzuhalten. Es blieb also nichts anderes übrig, als im Handelswege Kar¬ toffel, wenn auch bedeutend teurer als vorgeschrieben, zu be chaffen. Dies hatte nun allerdings den Nachteil, daß die Bemeinde, welche ihrerseits beim Verkaufe die Höchstpreise inhalten mußte, keine Deckung ihrer Auslagen fand, so daß Fehlbeträge entstanden, doch war der Mangel an Kartoffelr o fühlbar, daß hierauf keine Rücksicht genommen werden konnte. Nach Einlangen des ersten Waggons zeigte sich demt ich, wie groß die Not schon geworden war. Es mußten Kartoffelanweisungen ausgegeben werden, damit der Ver¬ 3

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