Ratsprotokoll vom 18. Februar 1915

4 Da aber in erster Linie die Versorgung des Landbezirkes bis zur nächsten Ernte gesichert werden mußte und nur der Ueberschuß für die Stadt in Betracht kommt, ist dieser im Ver¬ ältnis zum Bedarf der Stadt auch nicht bedeutend. Immerhin aber stehen 360 Meterzentner Roggen und 520 Meterzentner Weizen zur Verfügung, zu deren Vermahlung und Verteilung an die hiesigen Mehlhändler und an den Wassenfabriks=Konsum¬ verein auch bereits die nötigen Maßnahmen getroffen wurden luch traf ich Maßnahmen, um die irrtümlich erlassenen Ver¬ fügungen einzelner Gemeinde=Vorstehungen, welche die Zufuhr von Mehl, Brot und Hafer nach Steyr sperrten, aufzuheben und hab ich insbesondere auch den Bezug von Brot aus Niederösterreich, der bereits anfing, schwierig zu werden, wieder ermöglicht. Von der Statthalterei wurde mitgeteilt, daß eine be¬ schränkte Menge Mais zu Mehlmischungszwecken vorhanden sei. luch hier wurde sofort Anlaß genommen, um für Steyr mög¬ lichst viel zu sichern. Leider hat die Statthalterei selbst nicht viel Vorrat, doch erreichte ich durch ernste Vorstellungen, daß uns verhältnismäßig viel (7 Waggon gegen 8 Waggon für Linz) zu¬ gewiesen wurden. Es kommen demnach für Steyr dermalen rund 12 Waggon Mehl in Betracht. Eine kleinere Menge Mehl, die ich mir im Landbezirke cherte, konnte ich in der Generalversammlung der Bäckergenossen¬ schaft, an der ich teilnahm, jenen Bäckern zur Verfügung stellen, die sonst genötigt gewesen wären, ihren Betrieb einzustellen Da jedoch alle diese Maßregeln nicht genügen, um den Mehlbedarf der Stadt dauernd zu sichern, wendete ich mich durch ie Waffenfabriks=Gesellschaft an das Ministerium des Innern und machte auf die Gefahren aufmerksam, die durch eine in Steyr entstehende Mehlnot für die Erzeugung von Kriegswaffen erwachsen könnten. Das Ministerium nahm sich auch sofort de Sache an und erteilte der oberösterreichischen Statthalterei die diesbezüglichen Weisungen. Von dort erhielt ich bereits die Mit¬ teilung, daß Steyr mit Mehl beziehungsweise Getreid zu Vermahlungszwecken versorgt werde, und zwar monate veise für den notwendigsten Bedarf. Die so zur Verfügung ge stellten Mehlmengen dürfen jedoch über Weisung der Statt halterei nur gegen Bezugsscheine, ähnlich wie in Deutschland, verkauft werden. Zu diesem Behufe ließ ich Erhebungen anstellen, um über ie Zahl der zu versorgenden Personen, über die Kopfzahl der einzelnen Haushalte, den Bedarf der Gasthäuser, der Bäckereien, des Krankenhauses u. s. w., sowie über die in den einzelnen Haushaltungen vorhandenen Vorräte im Klaren zu sein. Nach Durchführung dieser Maßnahmen und nach Einlangen des beschlagnahmten Mehles erhält der Haushaltungsvorstand eder in Steyr wohnhaften Familie einen Bezugs¬ chein, durch den er bei der Stadtgemeinde die entsprechende Anzahl von Bezugsmarken, deren jede auf 1 kg Mehl lautet, beheben kann. Der Tag dieser Behebung wird rechtzeitig bekanntgegeben werden. Diese Marken berechtigen die Bewohner Steyrs, eine der Kopfzahl entsprechende Menge Mehl einzu kaufen. Die Bäcker und die Gasthausbesitzer bekommen auf ihrer Wochenbedarf lautende Bezugsscheine. Auf den Kopf der Bevölkerung kommen laut Statthalterei=Erlaß für ein Woche 2 kg Mehl, die im Monate 4 kg Haushaltungs und etwas über 4 kg Brotmehl ergeben. Die Händler dürfen niemand ohne Bezugsmarken, bezw. Bezugsscheine Mehl ausfolgen und haben am Ende jeden Monats unter Vorlegung der eingehobenen Bezugsmarken Rechnung zu legen. Haushaltungen, die sich bereits größer Mengen an Mehl angeschafft haben, erhalten erst dann Bezugs scheine und Bezugsmarken, wenn ihr Vorrat nach dem vorangeführten Schlüssel als verbraucht er¬ cheint. Für den Bezug von Brot sind dermalen noch keine Bezugsmarken beabsichtigt. Um den Kleinhandel nicht empfindlich zu schädigen und um den Einkaufsgewohnheiten der Einwohner nöglichst Rechnung zu tragen, habe ich den Mehlhändlern ge¬ stattet, auch an Krämereien Mehl abzugeben, doch dürfen auch diese ohne Bezugsmarken kein Mehl verkaufen und müssen der Mehlhandlung, von der sie das Mehl bezogen, unter Abfuhr er Marken Rechnung über die Verwendung des Mehles legen. Ich glaube durch diese Maßnahmen das der zeit Mög¬ iche für die Versorgung der Stadt Steyr mi Mehl getan zu haben und werde auch weiterhin alles daran¬ etzen, um Steyr mit diesem so außerordentlich wichtigen Nah¬ ungsmittel zu versehen. Ferner erlaube ich mir mitzuteilen, daß gegen Preis¬ treibereien bei Eiern und Butter energisch vor¬ egangen und dadurch auch ein ungebührliches Hinauf¬ schnellen der Preise dieser Artikel verhindert wurde. Ebenso würde ich auch gegen jene vorgehen die versuchen würden den Preis anderer wichtiger Nahrungsmittel, insbesondere on Milch, in die Höhe zu treiben. Ich bitte diesen Bericht zur Kenntnis nehmen zu wollen.“ Wird mit Beifall zur Kenntnis genommen! Darauf berichtet Herr GR. Tribrunner über die Tätigkeit des Approvifionierungsausschusses Der Approvisionierungsausschuß hat in diesem Monate bereits drei Sitzungen abgehalten. Am 5. Februar 1915 fand unter dem Vorsitze des Herrn Bürgermeisters eine Sitzung des Approvisionierungs¬ ausschusses statt. Einleitend berichtete der Herr Bürgermeister über die Verordnung betreffs Festsetzung von Höchstpreisen für Markt artikel, betont, daß diese von guter Wirkung war, die Preise ziemlich eingehalten werden und Anzeigen nur mehr vereinzelt vorkommen. Der Vorsitzende teilt weiter mit, daß wir uns heute Mehlversorgung be¬ aber houptsächlich mit der Getreide= und schäftigen müssen, welche für die Städte und daher auch für uns von besonderer Wichtigkeit ist. Die Vorräte=Erhebungen in der Bezirkshauptmannschaft Steyr haben ergeben, daß Roggen ausreichend, an Weizen Ueberschuß, an Gerste aber Abgang ist. Der Bezirkshauptmann erfügte, daß in seinem Bezirke sich die einzelnen Gemeinden egenseitig durch Aushilfe die Vorräte ergänzen, während der Ueberschuß von 370 Meterzentner Roggen und von 600 Meter¬ zentnern Weizen an den Stadtbezirk Steyr abzugeben wäre die Vorräte=Aufnahme im Stadtgebiete ergab folgendes Resultat: 14.000 kg Weizen, 11.250 kg Roggen, 7900 kg Gerste, 1000 kg Mais, 37.200 kg Hafer, 21.700 kg Kartoffel undz zirka 500 Säcke Mehl. Um wenigstens diese Mengen für die Stadt festzu¬ halten, verfügte der Herr Bürgermeister darüber das Ausfuhr¬ verbot. Da nach den gegebenen Berechnungen der tägliche Be¬ darf an Mehl pro Person mit ½ kg festgesetzt werden muß, so ergibt sich von den vier zur Mehlbereitung geeigneten Ge¬ reidesorten als Weizen, Roggen, Gerste und Mais ein täglichen Bedarf von 1650 kg von jeder Sorte oder für 6 Monate 31 Waggouladungen von jeder Sorte. Nachdem aber in Steyr auch in Teil der in den angrenzenden Gemeinden wohnenden Be¬ ölkerung, welche hier in Arbeit steht, seine Einkäufe deckt, muß uch für diesen Teil die entsprechende Menge berechnet und an¬ esprochen werden. G.=R. Professor Erb wünscht eine Tagesordnung für die heutige Sitzung mit folgenden Punkten: Versorgung mit Getreide und Mehl, Kartoffelfrage, Gemüsefrage, Milchfrage, Lösung der Brotfrage und Obstverschwendung. Zu Punkt: Ver¬ orgung mit Getreide verliest der Herr Bürgermeister eine Zu¬ schrift der k. k. Statthalterei, in welcher diese mitteilt, daß in en Lagerhäusern in Linz ein größeres Quantum von mahl ähigem Mais liegt, und zugleich die Anfrage gestellt wird, ol die Gemeinde auf ein entsprechendes Quantum reflektieren würde. Der Herr Bürgermeister erklärt sich bereit, sofort mit den in Betracht kommenden Geschäftsleuten in Verbindung zu treten, m zu erfahren, welche Mengen dieselben abnehmen würden. Es wurde mit zirka 40 Waggon gerechnet. Wegen Waizen und ioggen, resp. Mehl muß die Stadtgemeinde an die Regierung erantreten und die Sicherstellung dieser Sorten verlangen. In diese Eingabe wäre hineinzunehmen, wie viel wir brauchen, daß g von Auswärtigen gekauft werde, welche zum Großteile in der sterreichischen Waffenfabrik, bei der Firma Reithoffer und in isenwerk Unterhimmel beschäftigt sind, welche Firmen haupt¬ ächlich für den Kriegsbedarf außerordentlich beschäftigt sind Es soll auch auf die großen ungarischen Getreide= und Mehl¬ orräte hingewisen werden, welche dort von Zwischenhändlern und Großagrariern aufgespeichert liegen und der Spekulation ienen, anstatt nach Oesterreich geliefert zu werden, wo wir ie so notwendig brauchen könnten. Wegen der Zufuhr von Schwarzbrot von Auswärts sind Gerüchte im Umlauf, daß kein Brot von auswärts nach Steyr eingeführt werden darf. Es etzte sich der Herr Bürgermeister mit dem Herrn Bezirkshaupt¬ mann in Verbindung und machte ihn auf die große Ausfuhr der Firma Reder in Garsten aufmerkfam, welche bedeutende Mengen nach auswärts verschickt. Der Herr Bezirkshauptmann versprach, der Firma Reder den Verkauf ihrer Erzeugnisse nur für die Bezirke Steyr Stadt und Steyr Land zu gestatten. Für en Fall, daß jedoch die Firma Reder die Broterzeugung ganz einstellen sollte, so wären die Bäcker Steyrs nach Aussage des Herrn G.=R. Kurz ganz gut imstande, den Bedarf zu decken, vorausgesetzt, daß ihnen die nötige Mehlmenge zur Verfügung stünde. err G.=R. Professor Erb bespricht nun in längeren Ausführungen den Wert der Frühkartoffeln. Da sich die Herbst¬ artoffel bei vorgeschrittener Jahreszeit, ohne an Güte zu ver ieren, schwer aufbewahren lassen, so soll hauptsächlich der An¬ au von Frühkartoffeln intensiv betrieben werden. Es wäre von großer Bedeutung, an die Statthalterei eine Eingabe zu richten, aß sie nicht nur die Bauern, sondern auch die Stadtbevölkerung soweit es dieser möglich ist — auf den Anbau von Früh artoffel und Gemüse aufmerksam mache und die nötigen An¬ eisungen herausgebe. Die Stadtgemeinde solle mit gutem Bei¬ piel vorangehen, ihre Gärten und Gründe dafür (auszunützen, im Spital und Armenhäuser zu versorgen. Um den nötigen Dünger dafür zu schaffen, solle der Straßendünger gesammelt und verwertet werden. Vielleicht wäre es auch angebracht, für die Monate April und Mai in Görz anzufragen, ob zu dieser Zeit Gemüsebezug in Großem möglich wäre. Die Gärtner und Gartenfreunde sollen eingeladden werden, durch Anlegen von Mistbeeten für Frühgemüsebau einzutreten und Belehrungen herauszugeben, um andere dafür zu interessieren. Die Militar¬ ommanden wären aufmerksam zu machen, so wie in früherer Jahren in ihren Gärten Gemüse zu bauen, um sich womöglich selbst damit zu versorgen. Auch die österreichische Waffenfabriks¬ Besellschaft wäre zu ersuchen, ihre Gründe zu diesem Zwecke ur Verfügung zu stellen. G.=R. Tribrunner glaubt noch, man olle auch auf die Pächter von Gemeindegründen Einfluß nehmen¬ Gemüse anzubauen Nachdem die äußerst wertvollen Anregungen des Herrn B.=R. Prof. Erb dankend zur Kenntnis genommen wurde¬ eilte der Herr Bürgermeister mit, er werde das Nötige veren asten, und in einem Aufruf an die Bewohnerschaft auf 9 otwendigkeit dieser Maßregel hinweisen.

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