Ratsprotokoll vom 25. Juli 1913

2 berger=Speichers dem Publikum zugänglich gemacht werden. Die Uebertragung und Aufstellung der Museal=Gegenstände erfolgte unter kundiger Leitung des Kustos des städtischen Museums Herrn Bankdirektor i. P. Jakob Kautsch, welcher sich um das Zustandekommen des städtischen Museums und dessen Verwaltung große Verdienste erworben hat. Als Gründer des Museums arbeitet Herr Direktor Kautsch seither, unterstützt von seiner hochgeehrten Frau Gemahlin, mit Liebe und emsigen Fleiß an der Ausgestaltung desselben, so daß das Museum heute eine Sehenswürdigkeit der Stadt ist, um die uns viele andere Städte beneiden können Herr Bankdirektor Kautsch hat sich aber nicht nur auf dem Gebiete des Musealwesens, sondern auch durch sein Wirken im öffentlichen Leben Steyrs mehrfach verdient gemacht. Seine reichen Erfahrungen und Kenntnisse stellte er in den Dienst der Allgemeinheit und wirkt seit einer Reihe von Jahren in her¬ vorragender Stellung bei vielen humanitären und gemeinnützigen Vereinen unserer Stadt und hat auch bei Ausstellungen und festlichen Gelegenheiten seine schätzenswerte Mitwirkung nie ver¬ sagt. Wiederholt hat ihn das Vertrauen seiner Mitbürger in den Gemeinderat berufen, wo er sich, stets für das Deutschtum eintretend, für das Wohl der Stadt eifrigst betätigt hat. Als Konservator der k. k. Zentral=Kommission für Kunst¬ und historische Denkmäler hat sich Herr Direktor Kautsch erfolg¬ reich um die Erhaltung kunsthistorischer Denkmäler in Steyr bemüht und ist auch oftmals publizistisch für die Interessen Steyrs in die Oeffentlichkeit getreten. Durch seine idealen Bestrebungen, das Gute und Edle zu fördern und sein allzeit hilfsbereites Entgegenkommen gegen Jedermann, erfreut sich Herr Direktor Kautsch der größten Wert¬ chätzung in der Bevölkerung und ist es eine Dankespflicht der Gemeindevertretung, den für Steyr hochverdienten Mann be¬ onders auszuzeichnen. Ich beantrage daher: Der löbl. Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr wolle Herrn Bankdirektor i. P. Jakob Kautsch in dankbarer Anerkennung der vielseitigen Verdienste auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens in Steyr, insbesondere als Gründer und langjähriger Kustos des städtischen Museums, das Ehrenbürgerrecht der Stadt Steyr verleihen Steyr, am 25. Juli 1913. Nach Begründung der Dringlichkeit durch den Herrn An¬ tragsteller sowie Annahme derselben nimmt Herr G.=R. Hofer zum eigentlichen Antrage Stellung, worauf zur Abstimmung geschritten und derselbe einstimmigangenommen wird. Z. 20.441/13. Der Herr Vorsitzende ersucht hierauf die Herren Ge¬ meinderäte, sich nach Schluß der Sitzung in den Innerberger Stadel zur Eröffnung des Museums zu begeben. Ein weiterer Dringlichkeits=Antrag ist einge¬ langt vom Herrn Vizebürgermeister Paul Fendt, welcher lautet: Die Wohnungsnot in Steyr ist bereits fast unerträglich geworden, insbesondere sind es die ganz kleinen Wohnungen die in Steyr vollkommen fehlen. Täglich mehren sich die Fälle, aß Familien obdachlos sind Ich stelle daher den Antrag, der Gemeinderat beschließe die III. Sektion zu beauftragen, die nötigen Erhebungen und Vorarbeiten für ein Wohngebäude, welches auf der Parzelle Nr. 27/2 oder auf einem anderen passenden Bauplatz errichtet verden soll, zu pflegen und baldmöglichst die gesammelten Er fahrungen eventuell auch Projekte dem Gemeinderate vorzulegen. der Herr Antragsteller begründet die Dringlichkeit dieses Gegenstandes und wird dieselbe einstimmig angenommen Zum Antrage selbst erklärt Herr Vizebürgermeister, daß in Steyr bekanntlich die Wohnungsnot eine ungeheure ist. Wenn Jemand Gelegenheit hätte, im Bürgermeisterzimmer zu ein, der würde sehen, wie viele Familien kommen, die obdachlos sind. Dabei stehe der Herr Bürgermeister in der größten Ver¬ legenheit da. Es mußten Notbehelse her und wurden sogar die Armenhäuser dazu benützt, um diese Familien für kurze Zeit unterzubringen. Dies sei eine surchtbare Kalamität, der ent¬ schieden entgegengetreten werden muß. Es ist dringendst not vendig, daß ein Wohngebäude zur Aufführung komme, ir welchem für kleinere Wohnungen vorgesorgt ist, nachdem die¬ selben am dringendsten verlangt werden. Wie bekannt ist, habe ich der Herr Bürgermeister bereits mit der Arbeiter=Unfall=Ver sicherungs=Anstalt in Salzburg wegen Erbauung von Arbeiter wohnhäusern gewendet, und zwar würde dieselbe ein Darlehen von 70.000 K für ein derartiges Gebäude bewilligen, was in ihrer Zuschrift vom 20. Juli l. J. niedergelegt ist. (Redner verliest diese Zuschrift. Redner bittet nun den Herrn Vorsitzenden, daß Nötige zu veranlassen, damit bezüglich der Wohnungsnot endlich Abhilfe geschaffen wird. Herr G.=R. Wokral hält die Erbauung nur eines Wohn¬ gebäudes für gänzlich unzureichend, nachdem in demselben nur zirka 30 Parteien untergebracht werden können. Der Zuzug von Arbeitern nach Steyr werde aber immer ein größerer. Er ist daher der Ansicht, die Stadtgemeinde solle sich an den staatlichen Wohnungsfürsorgefond wenden, wo eventuell ein zehnfach höherer Betrag zur Verfügung stünde, als bei der Arbeiter=Unfall=Ver sicherungs=Anstalt, und ist er der Auffassung, daß ein Betrag von 70.000 K überhaupt nicht genügen wird. Er bittet daher, diese Sache in Erwägung zu ziehen. Herr Vizebürgermeister Fendt erwidert, er würde es gewiß selbst freudigst bezrüßen, wenn in dieser Frage mehr er¬ eicht werden könnte. Aber dessen ungeachtet müsse man wenigstens ür den ersten Moment diese Angelegenheit zur Durchführung bringen. Was die weiteren Wünsche des Herrn G.=R. Wokral anbelangt, können dieselben ja noch durchstudiert werden. Herr G.=R. Erb erklärt, daß sich Herr G.=R. Wokral be¬ züglich des staatlichen Wohnungsfürsorgefondes in einem Irrtum befinde. Dieser Wohnungsfürsorgefond gewährt nur Baugenossen¬ chaften Darlehen. Infolgedessen ist für die Stadtgemeinde Steyr eine Bausubvention nicht zu erreichen, außer im Wege einer Baugenossenschaft. Außerdem gibt dieselbe nur kurzfristige Kredite Er halte daher den Antrag des Herrn Vizebürgermeisters für viel schneller durchführbar, als sich mit der Wohnungsfürsorge zu befassen. Die Sache mit der Kreditgewährung sei eine außer¬ ordentlich schwierige, nachdem das Geld heute sehr teuer ist. Der Antrag des Herrn G.=R. Wokral erscheine infolgedessen als ein ehr schwer in Berücksichtigung zu ziehender. Der Antrag des Herrn Vizebürgermeisters Fendt jedoch beruht darauf, daß man rstens billigeres Geld bekommt, und zweitens, daß mit dem Bau des Wohnhauses viel eher begonnen werden kann. Herr G.=R. Dautlgraber schließt sich den Ausfüh¬ rungen der Herren Gemeinderäte Erb und Wokral insoweit an, als die Bedingungen zur Aufnahme eines Bandarlehens bei der Arbeiter=Unfall=Versicherungs=Anstalt als sehr günstige bezeichnet werden können, jedoch ist er der Ansicht, daß um einen höheren Betrag eingereicht werden solle, damit gleichzeitig mehrere Wohn äuser gebaut werden können, nachdem dies die Baukosten ver¬ ringere. Er bittet die Sektion, möglichst schnell zur Lösung dieser Frage zu schreiten. Herr G.=R. Wokral bemerkt noch, daß er diese Ange legenheit deshalb zur Sprache gebracht habe, weil er bereits vor einem Jahre schon einen Antrag auf Erbauung von Ar¬ beiterwohnhäusern eingebracht habe. Damals habe aber die Majorität des Gemeinderates den Standpunkt eingenommen, daß hiefür nicht der Gemeinderat kompetent sei, sondern die be refsenden Unternehmer. Wenn man heute so weit sei, daß die Majorität sich um die Gewährung eines Baukredites bewirbt so glaube er feststellen zu können, daß anerkannt wird, daß auch der Gemeinderat verpflichtet ist, Wohnhäuser erbauen zu lassen. err Vizebürgermeister Fendt erwidert, es sei ja richtig, daß die Minorität im vorigen Jahre mit einem diesbezüglichen Antrag herangetreten sei, jedoch seien zu jener Zeit schon die Pläne für die Erbauung zweier Arbeiterwohnhäuser in der Sierningerstraße von seiten der Waffenfabrik vorgelegen. Leider wurden die damals schon begonnenen Arbeiten wieder eingestellt, nachdem die Sachlage eine andere geworden ist. Im weiteren begrüße er jedoch die Worte der Herren Gemeinderäte Wokral und Dantlgraber, weil hiedurch der Wohnungsnot in Steyr entgegengetreten werden soll Der Antrag der Sektion gelangt hierauf zur einstimmigen Annahme. — Z. 19.666/13 Eingelangt ist noch folgender Antrag der Herren Ge¬ meinderäte Binderberger, Dantlgraber, Tribrunner und Wokral, betreffend den Bau von billigen Volkswohnungen: Die Wohnungsnot in Steyr ist bereits ins Unerträgliche gestiegen; zahlreiche Familien können in Steyr und nächster lmgebung absolut keine Wohnung auftreiben, selbst für allein¬ stehende Personen ist es oft nicht möglich, eine Schlafstelle auf¬ zutreiben und es müssen deshalb Viele Steyr wieder verlassen. Voraussichtlich wird der Zustrom von Arbeitern und Ar¬ beiterfamilien nach Steyr anhalten und es wird der Wohnungs¬ nangel direkt zu einem öffentlichen Uebelstande, dem mit allen Mitteln begegnet werden soll. Diesen bereits tatsächlich vorhandenen und von niemand u leugnenden Notstand kann nur durch das rasche und ziel bewußte Eingreifen der Gemeinde selbst, wenigstens teilweise ab¬ eholfen werden Die Wohnungsfürsorge ist eines der wichtigsten Kapiteln moderner Kommunalverwaltungen und darf keinesfalls der Privat¬ spekulation oder einzelner Fabrikanten überlassen werden Ausgehend von dem Gesichtspunkte, besser von dem Grund¬ satze, daß die Beschaffung billiger, gesunder Wohnungen eine Sache der Gemeinde ist und in Anbetracht, daß über den am 4. Mai 1912 von den Gefertigten gestellten Antrag noch immer kein Sektionsbericht und Antrag vorliegt, stellen die Gefertigten olgenden Antrag Der Gemeinderat wolle beschließen: Der Bau einer größeren Anzahl von billigen, gesunden Kleinwohnungen ist sofort in Angriff zu nehmen Die hiezu erforderliche Summe ist zum Teile aus dem Zemeindevermögen unter Zuhilfenahme des staatlichen Wohnungs¬ fürsorgefondes, die Baupläne und Voranschläge 2c. durch das tädtische Bauamt raschestens zu beschaffen In formaler Beziehung wird beantragt, diese Anträge der I. und III. Sektion mit dem Auftrage zu überweisen, in der jächsten Gemeinderatssitzung ausführlich Bericht zu erstatten und die erforderlichen Anträge zu stellen. dieser Antrag wird der III. Sektion zur weiteren Be¬ handlung überwiesen. — Z. 20.442/13

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