Ratsprotokoll vom 9. Dezember 1911

Ich würde deshalb beantragen, daß die im § 20, erster Absatz, enthaltenen Worte: „wobei die Wahlberechtigung im I., I. oder III. Wahlkörper die Ausübung des Wahlrechtes im IV. Wahlkörper nicht ausschließt“ zu entfallen hätten. Des weiteren möchte ich mich noch dahingehend aussprechen, daß man meiner Auffassung nach das Wahlrecht von den Per¬ onen nicht lossagen solle. Es sollen sich auch diejenigen Per¬ onen, welche unter väterlicher Gewalt stehen, oder ihr Wahl¬ recht durch den Vormund ausüben, an der Wahl in Zukunft persönlich beteiligen können, wenn sie das 24. Lebensjahr über¬ schritten haben. Das gleiche ist bei der in ehelicher Gemeinschaft lebenden Frau der Fall, welcher ebenfalls das Recht eingeräumt werden soll, ihr Wahlrecht persönlich ausüben zu können, nicht daß deren Mann für sie die Stimme abgibt. Weiters möchte ich bemerken, bezüglich dem Wahlrechte von größeren Unternehmungen (Aktiengesellschaften', welche ihren Hauptsitz nicht hier in Steyr haben, daß diesen das Wahlrecht nicht gebührt. In diesem Sinne weist auch das Statut der Stadt Linz darauf hin, und glaube ich, daß dies nicht ungerecht¬ fertigt ist. § 29 handelt davon, wer wählbar ist. Dieses ist wieder ein Punkt, der eine Bestimmung enthält, die nur halb ist, und zwar aus dem Grunde, weil ein Unterschied darin gemacht wird, wer im I., II., III. Wahlkörper und wer im IV. Wahlkörper wählbar ist. Hienach wären im I., II. und III. Wahlkörper jene Personen wählbar, welche den Vorschriften entsprechen, während eine ganze Reihe von Wählern des IV. Wahlkörpers im I., II. und III. Wahlkörper nicht wählbar wären, weil nach dem Be¬ griffe des Wortes Gemeindemitglieder“ diese nur solche sind, welche eine Erwerbsteuer auf Grund ihres Gewerbes entrichten. Im IV. Wahlkörper würde es wohl Leute geben, welche schon langjährige Inwohner sind, die aber hier nicht heimatsberechtigt sind, daher dem Begriffe „Gemeindemitglieder“ nicht entsprechen. Diese Steuerzahler würden daher lediglich nur im IV. Wahl¬ körper wählbar sein. Diese Bestimmung ist ungerecht und beantrage ich, daß Punkt a gänzlich gestrichen werde und Punkt b dahinlautend, daß jede in der Gemeinde wahlberechtigte Person männlichen Geschlechtes, welche das 24. Lebensjahr vollendet hat und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte ist, wählbar ist, aufrecht er¬ halten bleibe. Weiters sollen nur in Steyr wohnhafte Personen wähl¬ bar sein. Im § 32 beantrage ich, daß es heißt: „Im IV. Wahl¬ körper sind alle übrigen Wahlberechtigten, die im I., II. und III. Wahlkörper kein Wahlrecht besitzen, wahlberechtigt“, um so einen reinen IV Wahlkörper zu schaffen. Außerdem bean¬ trage ich noch zu diesem § 32, wo es heißt, „daß für die Auf¬ nahme eines Wählers in den IV. Wahlkörper seine im städtischen Meldeamte erfolgte Meldung und deren Zeitpunkt maßgebend ist“ u. s. w., dies auch für den I., II. und III. Wahlkörper An¬ wendung finden solle. Im § 34 ist vorgesehen, daß im l. und II. Wahlkörper die Mehrheitswahl, im III. und IV. Wahlkörper die Verhältnis¬ wahl in Anwendung zu bringen sei. Ich will hier dem Ausdruck geben, daß das Proportional¬ wahlrecht das gerechteste Wahlrecht ist, so soll es schon so weit gerecht sein, daß dasselbe nicht nur für den III. und IV. Wahl¬ körper eingeführt wird, sondern auch auf die anderen Wahl¬ körper ausgedehnt wird. Wenn hiebei Befürchtungen gehegt werden, so sind dieselben meiner Auffassung nach nicht so groß weil im Gegenteil die Mehrheitswahl für eine Partei weit mehr Gefahren in sich birgt, nachdem es dadurch leicht möglich werden kann, daß eine Partei einen halben Wahlkörper verlieren kann. Das haben Sie auch bei den vorjährigen Gemeinderatswahlen gesehen, wo im II. Wahlkörper eine Majorität gänzlich beseitigt worden ist, und nicht nur hier, sondern auch in Wien, wo die stolze christlichsoziale Partei bei einer Wahl gründlich dezimiert worden ist. Wenn die Verhältniswahlen zur Anwendung kommen, so ind hiedurch auch die Majoritäten geschützt gegen solche Zu¬ älligkeiten, gegen solche gewaltige Erschütterungen Ich glaube daher, daß es von dem Standpunkte aus praktisch wäre, wenn das Proportionalwahlrecht auch auf alle vier Wahlkörper ausgedehnt werden würde. Die Partei der heutigen Majorität brauche deswegen keine Furcht zu hegen, daß sie bei einem Proportionalwahlrecht in allen vier Wahlkörpern keine feste Majorität zustande bringen würde. Ich bin der Auf¬ fassung, daß sie die Majorität zusammenbringen wird, daß sie kompakter und sicherer sein wird durch das Proporz, während eine Wahl auf Grund des Mehrheitswahlrechtes durch bloße momentane Aenderung in der Stimmung der Wählerschaft leicht von Folgen begleitet werden kann. Daß es bei Einführung des Proportionalwahlrechtes weit schwieriger sein wird, die Geschäfte zu leiten, glaube ich, doch bin ich überzeugt, daß die Minoritäten nicht so rücksichtslos sein werden, demagogisch zu wirken. Ich würde deshalb nochmals empfehlen, den § 34 dahin abzuändern, daß das Proportionalwahlrecht in allen vier Wahl¬ körpern zur Anwendung zu bringen sei. 35, dritter Abschnitt, handelt von der Reklamationsfrist an den Gemeinderat in Wahlangelegenheiten. Ich bin der Meinung, daß, wie es in einer ganzen Reihe von anderen Statuten der Fall ist, über eine zulässige Be¬ schwerde gegen eine vom Gemeinderate abgewiesene Reklamation die Statthalterei hierüber endgiltig entscheiden soll. Ich lanbe, daß damit wohl kein Angriff gegen die Autonomie der Stadt verbunden ist. Ich würde deshalb beantragen, daß es im § 35, dritter Absatz, heißt: „Ueber die innerhalb der Frist von drei Tagen beim Bürgermeister einzubringende Beschwerde gegen die Entscheidung des Gemeinderates entscheidet die k. k. Statthalterei endgiltig.“ Ein weiterer Punkt in diesem Paragraph handelt über die Ausfolgung der Wählerliste, wo vorgeschrieben ist, daß die ver¬ vielfältigten Exemplare derselben längstens 8 Tage nach der Aus¬ schreibung der Wahl an die einzelnen Parteien hinauszugeben seien. Ich bin der Ansicht, daß es praktischer wäre, wenn gleich¬ zeitig mit der Ausschreibung der Wahl die Wählerlisten an die Parteien hinausgegeben werden würden. Weiters hätte ich den Wunsch, zwischen Stichtag und Wahl¬ tag keinen so großen Zeitraum verstreichen zu lassen, weil während dieser Zeit größere Veränderungen unter der Wählerschaft vor¬ kommen können, und daher die angelegten Listen vielfach an Wert verlieren. Ich beantrage daher, daß zwischen Stichtag und Wahltag höchstens ein Zeitraum von drei Monaten liegen solle. Zu § 37, über die Wahlvorschläge, erlaube ich mir zu be¬ merken, daß ich mich dagegen aussprechen muß, daß für einen giltigen Wahlvorschlag die Unterschriften von 100 Wahlberech¬ tigten verlangt werden, weil meiner Auffassung nach damit etwas erreicht wird, was sich mit meiner Anschauung nicht deckt. Wir stimmen für die Geheimhaltung des Wahlrechtes. Man kann von den Gewerbetreibenden nicht verlangen, daß sie ihre Namen auf den Wahlvorschlag setzen, was dann auf den Angehörigen der anderen Parteien vielleicht einen schlechten Ein¬ druck machen würde, und man im Vorhinein schon weiß, welcher Partei dieser oder jener angehört, und er dadurch leicht wirt¬ schaftlich geschädigt werden könnte. Weiters wurde vom Herrn Referenten erklärt, daß durch die Einführung des Proportionalwahlrechtes ein Entgegenkommen gegenüber den anderen Parteien bewiesen wurde, und daß da¬ durch eine gerechte Vertretung der Minoritäten im Gemeinderate platzgreifen soll. Also auf der einen Seite will man den Minori¬ täten eine Vertretung im Gemeinderate sichern, auf der anderen Seite will man durch die Bestimmungen über den Wahlvorschlag verhindern, daß dieselben überhaupt zur Geltung kommen. Wir haben das bei den letzten Wahlen gesehen, wo einzelne Gruppen von Wählern mit der Tätigkeit einer Partei nicht zufrieden waren, ohne daß sie jedoch deshalb zu einer anderen Partei übergegangen sind. Wir haben es gesehen an den sogenannten Wirtschaftsparteien bei den letzten Reichsratswahlen. Man würde dann solchen Minoritäten das Lebenslicht ausblasen, weil es äußerst schwer ist, 100 Wahlberechtigte zu finden, die diesen Wahlvorschlag unterschreiben. Im übrigen bin ich schon der Meinung, daß, wenn sich schon die Majorität im I. und II. Wahl¬ körper die Mandate sichert, sie beim Proportionalwahlrechte doch so weit gerecht sein könnte, daß sie die Zahl der notwendigen Unterschriften für einen giltigen Wahlvorschlag herabsetzt. Wenn dann einzelne Gruppen in den Wahlkampf eingreifen und Geld hiefür hinauswerfen wollen, so kann man ihnen ja diesen Spaß gönnen. Ich beantrage deshalb, daß im § 37 die Zahl der not¬ wendigen Unterschriften für einen giltigen Wahlvorschlag von 100 auf 50 herabgesetz werde. § 42 handelt von den Wahlvorschlägen, und zwar von der Liste. Hier heißt es, daß derjenige von jedem Wahlvorschlag als jewählt erklärt ist, welcher die größte Zahl von Stimmen auf sich vereinigt. Ich möchte erklären, daß dieser Vorgang nicht praktisch ist. Es soll dagegen erreicht werden, daß durch eine gebundene Liste das sogenannte „Köpfen“ beseitigt wird, daß eine Partei der anderen die Wortführer nicht niederstimmen kann. Ich bin daher der Ansicht, daß dies der betreffenden Partei überlassen bleiben solle, wer von dem betreffenden Wahlvorschlag als gewählt zu betrachten ist, und stelle ich den Antrag, daß es im § 42 heißen soll: Die Liste der Wahlvorschläge ist eine ge¬ bundene, und zwar werden nur jene Wahlbewerber als gewählt betrachtet, welche auf dem betreffenden Wahlvorschlag an erster Stelle stehen. § 43, dritter Absatz, handelt davon, daß die Wahlhand¬ lung unterbrochen werden kann. Ich möchte mich dagegen aus¬ sprechen, weil ich der Ansicht bin, daß die Wahlhandlung selbst durch nichts gestört werden solle, und beantrage deshalb, daß im § 43 der 3., 4. und 5. Absatz gestrichen werde. Bezüglich Mandatsdauer (§ 46) will ich bemerken, daß ein Zeitraum von 6 Jahren etwas zu lang ist, nachdem wir bis jetzt jedes Jahr eine Gemeinderatswahl gehabt haben. Man soll nicht von einem Extrem ins andere fallen. Ich glaube des¬ halb, daß es vollständig genügen würde, die Mandatsdauer auf vier Jahre festzusetzen. Bei § 50, Punkt 3, wo es heißt, daß bei Besorgung von Gemeindeangelegenheiten außerhalb des Gemeindebezirkes die dazu abgeordneten Mitglieder des Gemeinderates auf eine an¬ gemessene Entschädigung aus der Gemeindekasse Anspruch haben, über deren Höhe der Bürgermeister oder dessen Stellvertreter bestimmt, bin ich der Ansicht, daß dies Sache des Gemeinde¬ rates sein sollte, und zwar wäre es gut, hiefür eine bestimmte Norm festzusetzen. Es könnte dieser Punkt im Statute in der Weise ausgestaltet werden, daß für solche Entschädigungen der Herr Bürgermneister die Anweisung zu geben hat, während die Bestimmmung über die Höhe derselben dem Gemeinderate vor¬ behalten bleibt. Betreffend den dritten Abschnitt dieses Statutes, welcher om Wirkungskreis der Gemeinde handelt, will ich keine weiteren Bemerkungen mehr machen, weil hier keine besonderen Umände¬ rungen notwendig waren und von keiner Partei besondere prin¬ ipielle Bedenken erhoben worden sind. Ich möchte jetzt die sehr geehrten Herren bitten, unsere Anträge zu erwägen, nicht auf halbem Wege mit diesem Ent¬ wurfe stehen zu bleiben, und wenn Sie schon für das Propor¬

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