Ratsprotokoll vom 25. August 1911

4 Auch habe Redner gefunden, daß in Nürnberg und Rothen¬ burg ob der Tauber das Gewerbe einen kolossalen Einfluß auf den Fremdenverkehr habe, dagegen dieser einen bedeutenden Ab¬ satz für die verschiedenen Erzeugnisse der dortigen Gewerbe¬ treibenden biete. Es zeige sich daher, daß es für Steyr von großer Wichtigkeit wäre, sich auf den Verkehr der Durchzugs¬ remden zu verlegen und diesen zu heben. Dann wäre zu berück¬ sichtigen, daß diese Durchzugsfremden die Stadt Steyr nicht als Sommerfrische besuchen, sondern wegen ihrer Sehenswürdigkeiten. Redner bemerkt, daß die Stadt Steyr es mit Rothenburg ob der Tauber in gewisser Beziehung ruhig aufnehmen könne und verweist hiebei auf den Stadtplatz mit seinen Patrizier¬ häusern und dessen Höfe, wie solche wohl keine andere Stadt so eicht aufzuweisen habe. Man müsse sich daher in Steyr auf die Hebung des Fremdenverkehrs verlegen und darnach trachten, den Fremden den Aufenthalt in Steyr so interessant und bequem als möglich zu machen. Es müßten jedoch in dieser Richtung vorher noch verschiedene Vorkehrungen getroffen werden. Er mache darauf aufmerksam, daß die Bemühungen, welche in diesen Gegenden in Deutschland gemacht werden, um Fremde hereinzubringen, von uns nicht einmal im hundertsten Teil er¬ reicht werden. Es sei kein Vergleich, was Deutschland in dieser Hinsicht bietet und wie es trachtet, den Fremden den Aufenthalt dort so bequem als möglich zu machen. Redner möchte auch in diesem Sinne eine Anregung vor¬ bringen. Wir haben in Steyr eine permanente Gewerbe=Aus¬ stellung und ein städtisches Museum, zwei Institute, welche ein wichtiges Moment für die Besichtigung der Stadt Steyr bilden. Man sollte darnach trachten, diese Museen den Fremden besser zugänglich zu machen und nicht, daß, wie es jetzt der Fall ist, dieselben geradezu brach liegen und in Vergessenheit geraten. Diese Museen sollten womöglich im Innern der Stadt unter¬ gebracht sein, und zwar in einem historischen Gebände. Redner meint, daß der geeignetste Platz hiezu der Inner¬ bergerstadel sei, nachdem man sowieso nicht wisse, was mit dem¬ selben anzufangen sei. Was eine Feuersgefahr anbelange, käme eine solche hier nicht in Betracht, da die Museen nur bei Tages¬ zeit besucht werden. Es könnte dann die Besichtigung dieser beiden Museen leicht mit einer solchen der verschiedenen Sehens¬ würdigkeiten der Stadt, wie z. B. des Rathauses mit dem städtischen Archiv, dem Rathaussaale, dem Rathausturme 2c., verbunden werden und zwar gegen Entrichtung eines Eintritts¬ geldes, was dann wiederum für die Stadtgemeinde Steyr eine ganz schöne Einnahme bedeuten würde. Redner denke sich dann die Sache so, daß im Meldeamte Blocks gegen Bezahlung aufliegen, welche sodann zur Besicht¬ gung dieser Sehenswürdigkeiten berechtigen. Ein Wachmann oder Gemeindediener hätte dann die Führung der Fremden mit ent¬ sprechenden Erklärungen und Erzählungen an dieselben zu über¬ nehmen. Redner betont nochmals, daß dies einen großen Vorteil für die Stadt Steyr bedeuten würde, nachdem auf diese Weise dem Fremden die Sehenswürdigkeiten der Stadt mehr erschlossen werden. Der Herr Vorsitzende stellt die Anfrage, ob sich die Herren Gemeinderäte für diese Sache interessieren und ob es wünschenswert sei, daß dieselbe weiter verfolgt werde. Herr G.=R. Kirchberger hält dafür, daß diese Ange¬ legenheit weiter verfolgt werde. Er macht darauf aufmerksam, daß in Steyr bereits eine Vereinigung besteht, die sich „Heimat¬ schutz“ nennt, und welche sich die Aufgabe gestellt hat, den Fremdenzuzug nach Steyr zu fördern Redner gibt noch bekannt, daß dieser Verein bei der Mitte September in Salzburg stattfindenden ersten Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz Steyr vertreten wird und den Mitgliedern dieses Kongresses Ansichten unserer Stadt nebst einer Reisekarte nach Steyr übergeben wird, um so auf Steyr auf¬ merksam zu machen. Es wäre daher wünschenswert, wenn man sich auch mit diesem Verein ins Einvernehmen setzen würde. Herr G.=R. Landsiedl teilt mit, daß er sich in diesen Angelegenheiten mit Herrn Professor Weber, welcher, wie schon erwähnt, die meisten Erfahrungen in gewerblicher Hinsicht habe, owie mit dem Herrn Kustos des städtischen Museums in Ver¬ bindung setzen werde. Der Herr Vorsitzende ersucht den Herrn G.=R. Land¬ siedl, er möge nach Unterredung mit diesen beiden Herren mit einem diesbezüglichen Antrag an den Gemeinderat herantreten. Herr G.=R. Landsiedl bemerkt noch, daß er sich dies¬ bezüglich auch mit dem Verein „Heimatschutz“ in Verbindung setzen werde. Herr G.=R. Wokral erklärt, daß er gegen die Aus¬ führungen des Herrn G.=R. Landsiedl im eigentlichen Sinne nichts einzuwenden habe, jedoch sei er der Ansicht, daß es vor¬ teilhafter gewesen wäre, wenn derartige Anregungen möglichst gleich in konkreten Anträgen vorgebracht werden würden. Er glaube, daß sich die Sache so kürzer machen ließe, denn bis es zu einem eigentlichen Antrage komme, könne die ganze Ange¬ legenheit leicht in Vergessenheit geraten. Herr G.=R. Landsiedl erwidert, er müsse diesen Aeuße¬ rungen des Herrn G.=R. Wokral widersprechen. Er habe diese Angelegenheit deshalb nur in Form einer Anregung vorge¬ bracht, weil er sich nicht dazu berechtigt gefühlt hat, vorher Ver¬ handlungen in dieser Sache zu führen, bevor nicht der Gemeinde¬ rat hiezu seine Zustimmung gegeben hat. Wenn er einen Antrag telle, müsse derselbe erst der Sektion zugewiesen werden und diese einen Beschluß fassen. Trotzdem sei er genötigt, vorerst auch den Gemeinderat über diese Angelegenheit zu informieren. Er habe es daher für wichtiger gehalten, die Sache vorher zur Sprache zu bringen, weil bei der Einreichung des Antrages nicht Gelegenheit geboten ist, etwas zur Begründung desselben vorzu¬ bringen, sondern könne er erst bei Erledigung der Tagesordnung in der nächsten Gemeinderatssitzung hierüber sprechen. Der Vor¬ gang bliebe daher der gleiche. Die Arbeit liege nicht im Antrag as solchen, sondern in wirklicher Arbeit. Mit Antrag stellen allein sei noch nicht alles getan. Herr G.=R. Tribrunner teilt mit, daß in letzter Zeit wiederholt unter der Bevölkerung Klage geführt wird, daß die Frage der Erbauung eines neuen Krankenhauses einen so schleppenden Gang nehme. Trotzdem im letzten Jahre so viele Feste zur Förderung des Krankenhausbaues veranstaltet worden sind und auch sonstige größere Spenden einliefen, habe der Ge¬ meinderat schon lange nichts mehr unternommen, was die Oeffent¬ lichkeit gesehen hätte, nachdem dieselbe ein ganz besonderes In¬ teresse für die Spitalbaufrage habe. Weiters wäre es wünschens¬ wert zu wissen, welches Ergebnis die Wasserfrage gehabt habe, über welche auch schon lange nichts mehr gesprochen worden ist. Er ersuche deshalb den Herrn Bürgermeister, das Spitalbau¬ komitee zu einer Sitzung einzuberufen, damit man wisse, wie weit die Sache eigentlich gediehen sei. Herr G.=R. Wokral bemerkt, daß die Ratsprotokolle immer äußerst spät in die Hände der Herren Gemeinderäte ge¬ langen, und zwar erst dann, wenn dieselben bereits im „Steyrer Tagblatt“ veröffentlicht worden sind und man daher gezwungen sei, diese Protokolle ratenweise lesen zu müssen. Er ersuche des¬ halb den Herrn Bürgermeister, dahin zu wirken, daß in Hin¬ kunft die Ratsprotokolle vorerst in die Hände der Herren Ge¬ meinderäte gelangen und dann erst in der Zeitung veröffentlicht werden sollen. Der Herr Vorsitzende bemerkt, daß er in beiden An¬ gelegenheiten das Nötige veranlassen werde. Hierauf Schluß der öffentlichen Sitzung um 4 Uhr 10 Min. nachmittags.

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