Ratsprotokoll vom 18. Jänner 1907

2 3. Dankschreiben des Ortsrates Budweis des deutschen Volksrates. Der Herr Referent verliest die bezügliche Zuschrift, in wvelcher der Stadtvertretung Steyr für die Spende von 300 K zur Förderung der Deutschen in Budweis bestens gedankt und um weitere materielle und moralische Unterstützung ersucht wird. Wird zur Kenntnis genommen Der Herr Vorsitzende ersucht um die Ermächtigung, den für die Stadt Budweis unter Rubrik XVII, Post 6, prälimi¬ nierten weiteren Betrag per 300 K schon jetzt abzusenden. Mit großer Majorität angenommen Zuschrift des Bürgermeisters der Stadt Wien 4. betreffs Anschluß an die Aktion gegen die Kartelle. Der Herr Referent verliest folgende Zuschrift: uer Hochwohlgeboren! Der Gemeinderat der k. k. Reichshaupt= und Residenzstadt Wien hat in der Ueberzeugung von der Notwendigkeit des Kampfes gegen die Uebermacht der Kartelle, namentlich des Eisenkartells, sich veranlaßt gesehen, zum Schutze der Gewerbe treibenden gegen die weitere Ausbeutung durch die großen Unternehmer= Verbände aufzutreten und deshalb in der Sitzung vom 6. Dezember 1906 einstimmig folgende Beschlüsse gefaßt: Die Regierung wird ersucht, dem Reichsrate neuerlich 1. eine Vorlage für ein Kartellgesetz zugehen zu lassen Bei deren Verfassung wären dieselben Grundsätze einzu halten, von denen die im Jahre 1898 eingebrachte Regierungs vorlage eines Kartellgesetzes ausgeht Der Entwurf hätte sich aber nicht nur auf Kartelle über Verbrauchsgegenstände, die einer mit der industriellen Produktion in enger Verbindung stehenden indirekten Abgabe unterliegen dndern auf alle Kartelle über alle Waren zu beziehen. Ferner wären die strafrechtlichen Bestimmungen des früheren Entwurfes durch Weglassung der Geldstrafe und Erhöhung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe zu verschärfen. 2. Die Regierung wird ersucht, dem Reichsrate einen Ge¬ etzentwurf vorzulegen, durch welchen sie ermächtigt wird, im Einverständnisse mit der königl.=ungar. Regierung die Zölle zeit weilig an allen oder einzelnen Grenzen unter den gegen Miß brauch schützenden Kontrollen und Beschränkungen außer Kraft zu setzen oder zu ermäßigen, wenn Vereinbarungen von Indu¬ striellen vorliegen, durch die der Preis einer Ware in ungebühr¬ licher Weise erhöht oder der Vorteil der Fabrikanten oder Ver äufer in ungebührlicher Weise zum Nachteile der Abnehmer vermehrt wird; von dieser Befugnis wolle die Regierung sodann hinsichtlich des Eisens und der Eisenwaren unverzüglich Gebrauch machen und mit der Ermäßigung der bezüglichen Zölle vorgehen. 3. Bis zur Durchführung der unter 2 bezeichneten Maß regel wolle die Regierung zur Förderung der Konkurrenz jener jenossenschaftlichen Verbänden, welche sich im Interesse ihrer Mitglieder mit der Einfuhr von ausländischem Eisen (Roheisen, halbfabrikat, Kommerzware) für die Herstellung von Ganzfabri kation befassen, Subventionen in der Form von Prämien ge¬ währen, die nach den Gewichtseinheiten der eingeführten Ware bemessen werden Die Regierung wird ersucht, bei der Einfuhr von Eisen 4. und Eisenwaren Verbänden der unter 3 bezeichneten Art au den Staatsbahnen außerordentliche Tarifbegünstigungen unter der Voraussetzung zu gewähren, daß diese nachweislich nur der Verbänden, beziehungsweise ihren Mitgliedern zugute kommen. 5. Die Regierung wolle jene Eisenbahnen (einschließlick der Lokalbahnen und Kleinbahnen), welchen die Verpflichtung auferlegt ist, die zum Baue und Betriebe ihrer Anlagen erfor erlichen Gegenstände nur dann aus dem Auslande zu beziehen venn sie im Inlande nur um 5 von 100 teurer beschafft werden können, als die ausländische Ware zuzüglich Fracht und Zoll zu stehen käme, von dieser Verpflichtung entheben. 6. Der Magistrat wird beauftragt, die zur Durchführung der Punkte 1—5 dieses Beschlusses erforderlichen Eingaben bei den zuständigen Ministerien zu überreichen und gleichzeitig auch an die im österreichischen Städtetage vertretenen Städte mit dem Ersuchen heranzutreten, sie mögen Eingaben gleichen oder ähn lichen Inhaltes an die Regierung richten Ich beehre mich Euer Hochwohlgeboren den Bericht, in welchem die Anschauungen der Gemeinde=Vertretung über die Kartelle und das Eisenkartell insbesondere niedergelegt sind, mit dem Ersuchen zu übersenden, den berechtigten Kampf gegen die wirtschaftliche Uebermacht der Kartelle und den volkswirtschaftlich tief schädigenden Mißbrauch der Kartellmonopole auch Ihrerseits zu unterstützen und zu diesem Zwecke die Zustimmung Ihrer Gemeinde=Verwaltung zu den angeführten Beschlüssen einzuholen. Von diesem Beschlusse wären sodann die zur Ausführung ompetenten Ministerien in Kenntnis zu setzen Zum Zwecke der Einhaltung eines gleichmäßigen Vor¬ ganges füge ich bei, daß die Gemeinde Wien mittelst besonderer Petition den Herrn Ministerpräsidenten, den Justizminister, den Minister des Innern, den Eisenbahnminister und den Handels¬ minister um die Durchführung der gefaßten Beschlüsse ersucht hat. Gleichzeitig erlaube ich mir die Anfrage, ob Euer Hoch¬ wohlgeboren damit einverstanden sind, daß die Frage des Kartell vesens auf die Tagesordnung des nächsten Städtetages gesetzt werde. Der Bürgermeister: Dr. Karl Lueger m. p. Der Sektionsantrag hierüber lautet Nachdem in der Stadt Steyr eine große Zahl Gewerbe¬ treibender und insbesondere von der Eisenbranche ansässig sind und dieselben in ihrem gewerblichen Fortkommen durch die Uebermacht der Kartelle und der damit verbundenen Verteuerung der Materialien beeinträchtigt werden, so empfiehlt es sich, die eingeleitete Aktion gegen diese Kartelle und insbesondere gegen das Eisenkartell zu unterstützen und stellt deshalb die 1. Sektion der Antrag: Der Gemeinderat wolle beschließen Es werde zu den vom Gemeinderate in Wien gefaßter Beschlüssen, betreffend die eingeleitete Aktion gegen die Ueber macht der Kartelle und insbesondere des Eisenkartells, zum Schutze der Gewerbetreibenden, die Zustimmung ausgesprochen und der derr Bürgermeister beauftragt, die beteiligten Ministerien vor diefer Kundgebung der Stadtgemeinde Steyr in Kenntnis zu und setzen, 2. es werde auch dazu das Einverständnis erklärt, daß die Frage des Kartellwesens auf die Tagesordnung des nächsten Städtetages gesetzt werde Herr G.=R. Gründler bemerkt, daß in der Frage der Kartelle in den Kreisen der Gewerbetreibenden und Kleinindu¬ striellen in verschiedenen Versammlungen Resolutionen gegen das Kartellunwesen gefaßt worden sind. Unter Kartellunwesen verstehe man jene Auswüchse, welche in letzterer Zeit in den verschiedenen Kartellen zutage getreten sind, jene Auswüchse, die eine Volks¬ bewucherung bedeuten, welche im Interesse der Gewerbetreibender und Kleinindustriellen nicht mehr geduldet werden können. Die Kartelle selbst sind eine naturgemäße Erscheinung, die nicht aus der Welt zu schaffen sind, und es muß auch zugegeben werden, daß die Kartelle, wenn damit von Seite gewisser Spekulanten nicht Mißbrauch getrieben wird, für Handel und Industrie einer ewissen Wert haben. Redner begrüßt es auf das herzlichste, daß diese Frage auch im Schoße des Gemeinderates zur Sprache komme und begrüßt es insbesonders, daß der löbliche Gemeinde rat auf Seite der Gewerbetreibenden und Kleinindustriellen steht und sie in Schutz nimmt. Er glaube, daß der löbliche Gemeinderat sich an die Aktion er Stadt Wien anschließen solle, von welcher er erhoffe, daß manches im Interesse der Kleinindustriellen erreicht werde. Hierauf wird der Antrag der Sektion einstimmig ange¬ nommen. — Z. 278 ex 1907 5. Zuschrift des Stadtmagistrates Czernowitz um Anschluß an die Petition wegen Aufhebung der Grenz¬ sperre gegen Rumänien und Rußland Ueber die vorliegende Eingabe, welche der Herr Referent verliest, stellt die Sektion folgenden Antrag Mit Rücksicht darauf, daß es dringendst geboten ist, alle Mittel und Wege zu ergreifen, um die bereits bis aufs Aeußerste gestiegene Fleischteuerung herabzusetzen, welche allen Bevölkerungs¬ schichten schon sehr empfindlich ist und bei den ärmeren Be¬ wohnern förmlich eine Nahrungsnot herbeigeführt hat und dazu die Oeffnung der gesperrten Grenzen ein sicheres Mittel wäre, o stellt die 1. Sektion, wie es bereits in dieser Frage ohnedies schon geschehen ist, den Antrag Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Die Stadt gemeinde=Vorstehung Steyr schließt sich auch dieser Petition um llufhebung des Verbotes der Vieheinfuhr von Rumänien und Rußland an und wird der Herr Bürgermeister beauftragt, an das k. k. Ministerium des Innern eine solche Petition einzubringen. Herr G.=R. Nothhaft bemerkt, die Frage wegen Ein¬ schränkung der Fleischteuerung sei eine sehr schwierig zu lösende Frage. Nach seiner Ansicht sollen Gesetze geschaffen werden, welch der Güterschlächterei entgegentreten, welche die Weidenverhält¬ nisse ordnen und den Wucherzwischenhandel eindämme; fernen sollen auch die Landwirte subventioniert werden, endlich sollen die Grenzen zur Vieheinfuhr aus Rumänien und Rußland er¬ öffnet werden. Er stimme für den Sektionsantrag, jedoch mi der Modifikation, daß die Grenzsperre gegen Rumänien und Rußland nur insolange aufgelassen werde, als die dringende Notwendigkeit hiefür vorliegt. err G.=R. Millner kann sich der Ansicht wegen der zeitweiligen Aufhebung der Grenzsperre nicht anschließen. Er weist darauf hin, daß in Wien die Marktpreise um 6—8 K zu ückgegangen sind, unsere Fleischpreise seien dagegen um keiner heller zurückgegangen. Die Aufhebung der Grenzsperre würde regulierend auf die Fleischpreise einwirken. Herr G.=R. Dantlgraber stellt den Zusatzantrag, daß für den Fall, als die Grenzen gegen Rußland und Rumänien eschlossen bleiben, auch die Grenzen nach Deutschland für die Biehausfuhr geschlossen werden sollen Bei der Abstimmung wird der Sektionsantrag mit dem Zusatzantrage des Herrn G.=R. Dantlgraber angenommen, da¬ gegen der Zusatzantrag des Herrn G.=R. Nothhaft abgelehnt. 6. Amtsbericht betreffs der diesjährigen Gemeinde¬ ratswahlen Sektion folgende Ueber diesen Amtsbericht stellt die 1 Anträge Es werden zur Vornahme der Ergänzungswahlen von 1. einem Mitgliede im 1. Wahlkörper, von 5 Mitgliedern in II. Wahlkörper, von 4 Mitgliedern im III. Wahlkörper und vor 2 Mitgliedern im IV. Wahlkörper des Gemeinderates folgende Wahltage bestimmt: J., Für den IV. Wahlkörper Mittwoch, der 6. März l. für ür die eventuelle engere Wahl Freitag, der 8. März 1907; die den III. Wahlkörper Montag, der 11. März 1907, für eventuelle engere Wahl Dienstag, der 12. März 1907; für den

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