Ratsprotokoll vom 7. November 1903

5 Dem Ersuchen der Ortsgruppe Steyr des Vereines „Süd¬ mark“, daß der Gemeinderat der l. f. Stadt Steyr eine Ein¬ ladung an den Verein „Südmark“ in Graz zur Abhaltung dieser Hauptversammlung ergehen lassen solle, kann aber der Gemeinde¬ rat zu seinem lebhaften Bedauern leider nicht entsprechen, weil einerseits der Gemeinderat nach der bisherigen Gepflogenheit derartige Einladungen an Vereine nicht ergehen ließ und weil anderseits eine offizielle Beteiligung der liberalen Gemeindever¬ tretung der Stadt Steyr an den zu veranstaltenden Festlichkeiten wegen des erst wieder in letzterer Zeit sowohl von der hiesigen nationalen Presse als auch von auswärtigen nationalen Blättern und insbesondere auch von dem nationalen „Grazer Tagblatt“ der liberalen Wählerschaft der Stadt Steyr und somit deren Vertretern im Gemeinderate grundlos angetanen Schmähungen und Beschimpfungen nicht möglich ist, umso mehr als diese An¬ griffe von den der hiesigen Ortsgruppe „Südmark“ nahestehenden nationalen Kreisen inspiriert erscheinen.“ Hiezu bemerkt der Herr Referent Folgendes: Ich muß konstatieren, daß die Sektion den edlen Zweck des Vereines „Südmark“ vollkommen anerkennt, weil er dieselben Prinzipien hat wie unser deutscher Schulverein. Der Gemeinderat würde es daher mit Freuden begrüßen, wenn der Verein „Südmark“ in Graz seine Hauptversammlung in Steyr abhalten würde. Diese Anerkennung läßt der Gemeinderat auch alljährlich durch Widmung eines Beitrages für die „Südmark“ zur Tat werden und es kann daher nicht gesagt werden, der Gemeinderat stehe dem Verein „Südmark“ feindlich gegenüber. Gegen eine offizielle Einladung dieses Vereines sprechen aber folgende Bedenken: 1. Ist es in der Regel nicht üblich, daß die Gemeindevertretung an Vereine Einladungen zu Veranstaltungen ergehen läßt. 2. Glaubt die Sektion, daß es mit Rücksicht auf die letzten Vor¬ kommnisse, die Verdächtigungen, Beschimpfungen und Verleum¬ dungen, welche vorgekommen sind, nicht angeht, daß der liberale Gemeinderat von Steyr bei solchen Veranstaltungen vertreten sei. Der Gemeinderat wird es Niemandem übelnehmen, wenn er sich an dieser Feier beteiligt, aber wenn wir uns die Frage nahelegen, ob eine offizielle Beteiligung zulässig erscheint, müssen wir sagen, daß dies nicht möglich ist. Der Herr Referent verliest einige Stellen aus den Aus¬ lassungen der nationalen Presse gegen die liberale Partei in Steyr, so insbesondere vom „Grazer Tagblatt“, dem Organe der „Südmark“ das von einem politischen „Sumpfe“ schreibt. In einen solchen „Sumpf“ zu kommen sollen wir die Herren inladen? Man wird sagen: Die „Südmark“ hat mit der Politik nichts zu tun. Das mag im Allgemeinen sein, aber bei uns sind die Herren von der „Südmark“ jene, welche uns in nationaler Beziehung angreifen und beschimpfen. Ich erlaube mir daher den Sektionsantrag zur Annahme zu empfehlen. Hierauf wird der Sektionsantrag einstimmig angenommen. — Z. 166/VP. II. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Josef Tureck. 9. Amtsbericht über die Stadtkassa=Journals=Ab¬ schlüsse pro April, Mai und Juni 1903. Der Herr Referent verliest folgende Amtsberichte: Es betrugen die Einnahmen im Monate April 1903 30.615 K 59 h 1 hiezu Kassarest vom Vormonate 9.825 „ 05 „ Gesamt=Einnahmen im Monate April 1903 . 40.440 K 64 7 Ausgaben im Monate April 1903 .33.605 „ 20 „ Kassarest für den Monat Mai 1903 6.835 K 44 h Einnahmen im Monate Mai 1903 29.591 K 52 h Kassarest vom Vormonate.. 6.835 „ 44 Gesamt=Einnahmen im Monate Mai 1903 . 36.426 K 96 7 Ausgaben im Monate Mai 1903 30.880 „ 59 „ Kassarest für den Monat Juni 1903 5.546 K 37 h Einnahmen im Monate Juni 1903 113.172 K 86 h hiezu Kassarest vom Vormonate 5.546 „ 37 Gesamt=Einnahmen im Monate Juni 1903 . 118.719 K 237 Ausgaben im Monate Juni 1903 39.355 K 57 h Kassarest für den Monat Juli 1903 79.363 K 66 h Hiezu bemerkt der Herr Referent, daß die Kassa=Journale geprüft und richtig befunden worden sind. Wird zur Kenntnis genommen. — Z. 18.969, 20.636, 22.772. 0. Ansuchen des Lehrers Franz Stein um Minde¬ rung seiner Quartiergeld=Rückzahlungsraten. Die Sektion beantragt, das vorliegende Ansuchen abzu¬ weisen und die dem Bittsteller mit Beschluß vom 15. Juni 1903 gewährten Raten von monatlich 3 K aufrecht zu erhalten. Einstimmig nach Antrag. — Z. 21.003. 11. Offert für Pachtung der Manteinhebung am Eisenbahn=Gehstege. Der Herr Referent verliest folgenden Sektionsbericht und Antrag: Ueber Ausschreibung des Mauteinhebungsrechtes für die Benützung des Gehsteges an der Eisenbahnbrücke nächst Garsten ist ein Offert eingelangt, und zwar von dem bisherigen Pächter Alois Kühholzer, Mautner und Hausbesitzer in St. Ulrich. Die Sektion beantragt, der löbliche Gemeinderat wolle be¬ schließen, es sei die Wiederverpachtung dieses Mauteinhebungs¬ rechtes auf weitere 5 Jahre, das ist vom 1. Jänner 1904 bis Ende Dezember 1908 um den offerierten Betrag von jährlich K an den bisherigen Pächter zu bewilligen. Einstimmig nach Antrag. 7/0 12. Kündigung der Gewölbe Nr. 2 und 3 an der Schloßmaner durch Johann Ernst. Die Sektion beantragt, diese Kündigung zur Kenntnis zu nehmen und das Amt zu beauftragen, die Wiederverpachtung dieser Gewölbe zur Ausschreibung zu bringen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 22.196. 13. Spendengesuche. Der Herr Referent gibt bekannt, daß folgende Spenden¬ gesuche vorliegen: 1. Vom Vereine Deutsches Haus in Triest zur Erbauung eines Hauses. 2. Vom Verein Deutscher Volksrat in Proßnitz um eine Spende für die Schuljugend. 3. Vom Hilfskomitee Kanaltal in Pontafel um eine Unter¬ stützung für die vom Hochwasser betroffenen Bewohner. Sekionsantrag: So sehr die Wohltätigkeit dieser Gesuche anerkannt werden muß, so stellt die Sektion in Anbetracht der großen Inanspruch¬ nahme des Stadtsäckels für Wohltätigkeitszwecke den Antrag, der löbliche Gemeinderat wolle beschließen, es sei auf die vorliegenden Gesuche nicht einzugehen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 21.390, 20.305, 22.593. II. Sektion. Referent: Sektions=Obmann=Stellvertreter Herr G.=R. Josef Huber. 14. Antrag auf Mietung eines Kellerraumes im rückwärtigen Trakte des Hauses Nr. 29 Stadtplatz als Warteraum für die Händler und Beschau=Organe am Schweinemarkte. Ueber den vorliegenden Antrag des Herrn Stadttierarztes Karl Prokop stellt die Sektion folgenden Antrag: In Erwägung, daß es für die Aufsichtsorgane und Händler des wöchentlichen Stechviehmarktes sehr notwendig erscheint, daß sie ein Lokal am Markte besitzen, stellt die Sektion den Antrag, der löbliche Gemeinderat wolle von Herrn Josef Heiser den Kellerraum für den Mietzins jährlicher 45 K mieten und für die notwendige Einrichtung den Betrag von 35 K bewilligen. Einstimmig nach Antrag. — Z. 22.160. IV. Sektion. Referent: Sektions=Obmann Herr G.=R. Leopold Köstler. 15. Verleihung der Therese Vogl'schen Stiftungs¬ Interessen. Der Herr Referent verliest folgenden Bericht des städtischen Armenrates: Aus der Stiftung der in Steyr verstorbenen Frau Therese Vogl gelangen die Jahresinteressen per 780 K an hier wohr hafte hilfsbedürftige Familien oder Einzelpersonen, insbesonders an die Allerbedürftigsten aus dem Arbeiterstande in Teilbeträgen von mindestens 60 K am 2. Dezember d. J. zur Verteilung und steht das Verleihungsrecht dem löblichen Gemeinderate zu Von den hierum eingeschrittenen Bewerbern, 57 an der Zahl, werden vom städt. Armenrate nachstehende 13 Bewerber zur Beteilung mit je 60 K dem löbl. Gemeinderate empfohlen: 1. Karoline Randhartinger, 57 Jahre alt, nach Steyr zu¬ ständig und wegen Verkrüppelung der Hand= und Fingergelenke vollständig erwerbsunfähig. 2. Johann Keller, verehelicht, gewesener Bürstenmacher¬ gehilfe, 73 Jahre alt, zuständig nach Steyr, derzeit verdienst¬ unfähig. 3. Rosina Glinz, Abeiterswitwe, mit 2 unversorgten Kindern und mangelhaften Verdienst. 4. Josef Klima, 67 Jahre alt, verehelicht, Vater von zwei unversorgten Kindern, 41 Wochen krank, nach Steyr zuständig. 5. Josef Huber, 64 Jahre alt, nach Steyr zuständig, ge¬ wesener Waffenfabrikarbeiter, ist rückenmarksleidend, ganz er¬ werbsunfähig und bettlägerig. 6. Julie Artmanu, 53 Jahre alt, Fabrikarbeiterswitwe, zuständig nach Steyr, ist wegen vielseitigen Gebrechen ganz er¬ werbsunfähig. 7. Therese Funk, 88 Jahre alt, Fabrikarbeiterswitwe, nach Steyr zuständig, ganz erwerbsunfähig. 8. Franz Bruckner, verehelicht, Vater von 6 unversorgten Kindern, ist hochgradig lungenleidend und hat daher ungenügenden Verdienst 9. Therese Stieber, 71 Jahre alt, Witwe, nach Steyr zu¬ ständig, infolge schweren Nervenleidens erwerbsunfähig. 10. Katharina Sperr, 81 Jahre alt, zuständig nach Steyr, verdienstunfähig. 11. Franz Hack, 71 Jahre alt, verehelicht, zuständig nach Steyr, wegen Leistenbruch und Nervenschwäche verdienstunfähig. 12. Anton Genitheim, 71 Jahre alt, verehelicht, zuständig nach Steyr, ist arbeitsunfähig. 13. Karl Pfaffenhuber, 63 Jahre alt, verehelicht, nach Steyr zuständig, lungenleidend, ist arbeitsunfähig. Armenrat Steyr, am 20. Oktober 1903. Der Vorsitzende: Lang m. p. Schriftführer: Gall m. p.

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