Ratsprotokoll vom 16. Dezember 1896

längst gewusst, dass einmal eine Steuer=Restitution der Gemeinde werde auferlegt werden, und das war auch der Grund, warum er schon vor drei Jahren die Anlage eines Reservefondes angestrebt habe. Auch er sei der Meinung, dass es schwierig ist, Darlehen aufzunehmen, und daher sei er für die Kräftigung des Reservefondes; ein Unsinn sei es aber, heute eine Rückzahlung zu leisten auf die Gefahr hin, ein Vierteljahr später wieder ein Darlehen aufnehmen zu müssen. Herr Gemeinderath Erb sagt, nach diesen Ausführungen hätte der Sectionsantrag dahin lauten sollen, dass die 24.000 fl. zur Rückzahlung von Umlagen an die Gemeinde Garsten zu ver¬ wenden seien. Herr Gemeinderath Kautsch bemerkt, die vom Herrn Gemeinderath Erb berührte Angelegenheit sei von der Tagesordnung abgesetzt worden und die Section könne heute nicht einen Antrag stellen, etwas zu zahlen, worüber sie gar nicht informiert ist. Herr Gemeinderath Löhnert ist der Ansicht, dass mit dem Berichte an den Landesausschuss bezüglich der Verwendung des Kaufschillings für die zwei verkauften Häuser noch zugewartet werden müsse, bis die Sache mit der Gemeinde Garsten ausgetragen sei. weil dann dargethan werden könne, dass ein Tbeil des Hauskauf¬ schillings nicht zur Abzahlung an die Sparcasse verwendet werden könne, indem derselbe zur Tilgung einer anderen schwebenden Schuld benöthigt werde. Hierauf wird der Sectionsantrag einstimmig angenommen. — Z. 29.735. III. Section. Referent: Sectionsobmann Herr Vicebürger¬ meister Victor Stigler. 12. Der Herr Referent gibt bekannt, dass in Angelegenheit des Stadtregulierungsplanes an die Stadtgemeinde Salzburg die Anfrage gestellt wurde, in welcher Weise diese Sacht dort durch staatliche Organe durchgeführt wurde, dass hierüber die entsprechenden Aufklärungen eingelangt sind, und ersucht, dies als Mittheilung zur Kenntnis zu nehmen. — Wird ohne Debatte zur Kenntnis genommen. IV. Section. Referent: Sectionsobmann Herr Gemeinderath Ferdinand Reitter. 13. Der Herr Referent trägt vor: Um das laut Kundmachung der hohen k. k. o.=ö. Statthalterei Linz vom 12 Oc¬ tober 1896, Z. 17.484/III, ausgeschriebene Johann Adam Pfefferl'sche Stipendium jährlicher 100 fl., welches nur für der evangelischen Kirche angehörige Studierende, u. zw. vorzugsweise für Studierende der evangelischen Theologie bestimmt ist, sind innerhalb des Concurstermines drei Gesuche eingelangt. Bei dem Umstande nun, als unter den drei Bewerbern zwei Theologie=Studierende, daher in erster Linie zu berücksichtigende sich befinden, muss das Gesuch des Rechtshörers Karl Mittermayr außer Betracht kommen, daher die Gesuche der Karl Schiefermayr und Fritz Wehrenpfennig zur Wahl verbleiben. Unter diesen zwei Bewerbern verdient Fritz Wehrenpfennig zur Verleihung vor¬ geschlagen zu werden, weil sowohl er als auch dessen Eltern, die Pfarrers¬ Ehegatten Gustav und Auguste Wehrenpfennig vollkommen vermögens¬ los sind und nur geringes Einkommen haben, daher außer Stande seien, für die Studienkosten ihres Sohnes allein aufzukommen, und schließlick Fritz Wehrenpfennig bereits Hörer des II. Jahrganges der evangel. Facultät in Wien ist, daher das Stipendium eher wieder zur Er¬ ledigung gelangen könne. Aus diesen Gründen erlaubt sich die Section folgenden Antrag zu stellen: „Der löbliche Gemeinderatl möge für das in Rede stehende Stipendium der hohen k. k. oberösterr. Statthalterei den Bewerber Fritz Wehrenpfennig zur Verleihung präsentieren.“ — Einstimmig angenommen. Z. 24.918. 14. Adolf Schubert, Leiter der Knabenvolksschule am Wehr¬ graben, bittet um Gewährung der freien Feuerung für einen Theil seiner dortselbst angewiesenen Diensteswohnung. Die Section beantragt, der löbliche Gemeinderath wolle in Berücksichtigung der im Gesuche angegebenen Umstände, und da der Gesuchsteller zugleich die Hausadministration zu versehen hat, einen Beitrag von 40 fl. gewähren. — Einstimmig angenommen. Z. 29.282. Nach Erschöpfung der Tagesordnung bringt Herr Gemeinde¬ rath Erb folgenden Dringlichkeitsantrag ein: „Die in geradezu erschreckend schneller Weise vor sich gehende Ausbreitung des Juden thums in Steyr macht es dem Gemeinderathe zur ernsten und dringenden Pflicht, über die Mittel zur Wahrung des christlichen und wahrhaft deutschen Charakters unserer Stadt nachzudenken. Bereits leiden zahlreiche Gewerbe, besonders das Schneider=, Schuhmacher¬ und Messergewerbe unter der jüdischen Concurrenz; jüdische Hausierer schädigen unsere Kaufleute und Gewerbetreibenden in ausgiebiger Weise; Haus um Haus fällt in rascher Fdlge in jüdische Hände. Nachdem nun auch Realitäten und Grund sogar aus dem Gemeinden besitze von jüdischer Seite angekauft werden, der Gemeinderath aber in erster Linie der fortschreitenden Verjudung, also Entdeutschung unserer Stadt entgegen zu treten hat — Steyr ist jetzt weitaus die verjudetste Stadt in den Alpenländern — stelle ich folgenden Dring¬ lichkeitsantrag: Die Rechtssection möge in kürzester Frist über Mittel und Wege berathen, welche dem weiteren Ueberhandnehmen des Judenthums in unserer Stadt Steyr Einhalt thun, und über diese Berathungen baldigst dem Gemeinderathe Mittheilung machen, damit dieser entsprechende Beschlüsse fassen kann.“ Herr Gemeinderath Löhnert bezweifelt die Möglichkeit, diesen Antrag in Berathung zu ziehen, und ist der Ansicht, dass diese Frage, wenn überhaupt, gewiss nicht vom Gemeinderathe gelöst werden wird. Die Rechtssection werde nicht imstande sein, die Judenfrage zu lösen, vielleicht eher die Finanzsection. Uebrigens glaube er, wenn der Gemeinderath als öffentliche Behörde in dieser Richtung einschreiten würde, er mit den Staatsgrundgesetzen in Conflict kommen müsste, solche Beschlüsse würden auch auf Anstand stoßen. Herr Gemeinderath Erb erwidert, dass die Lösung dieser Frage mit den Staatsgrundgesetzen nichts zu thun habe. Die Ge¬ meinde sei Privatbesitzer wie jeder andere und könne als solcher Grund unb Boden verkaufen, an wen er will, und auch seine Ein¬ käufe besorgen, wo er will. Der Gemeinderath kann solche Beschlüsse fassen, weil solche Beschlüsse auch ohne Anstand z. B. in Graz gefasst worden sind. Auch der Landesausschufs hat derartige Beschlüsse gefasst und stellt nur mehr christliche Thierärzte an. Herr Vicebürgermeister Stigler bemerkt, dass über die Dring¬ lichkeit des Antrages des Herrn Erb gar nicht abgestimmt wurde. Herr Erb behauptet eine erschreckende Ausbreitung des Judenthums in Steyr. Redner macht soeben die Bemerkung, dass Herr Erb im Privatgespräche die Zahl 500 sofort auf 300 jüdischer Einwohner selbst restringierte, also offenbar ganz darüber im Unklaren ist. Er stellt den Antrag, dass das Amt ersucht werde, in der nächsten Sitzung auf Grund amtlicher Erhebungen hierüber zu berichten, denn er glaube, dass in Steyr nicht nur nicht eine erschreckende Zunahme, sondern eher eine Abnahme der jüdischen Bevölkerung zu verzeichnen sei gegenüber den 70er und 80er Jahren. Bei der Abstimmung wird der Dringlichkeitsantrag des Herrn Gemeinderathes Erb mit 16 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Hierauf Schluss der Sitzung.

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