Ratsprotokoll vom 16. Dezember 1896

Die Section beantragt, Herrn Josef Tureck zum Ausschuss mitgliede der Sparcasse zu bestimmen. Herr Gemeinderath Erb sagt, wenn er in dieser Angelegenhei das Wort ergreife, so müsse er betonen, dass ihm Herr Tureck ein liebwerter Freund ist. Es beliebe aber der Majorität des Gemeinde athes, die Minorität von allen jenen Vertretungskörpern auszuschließen für welche der Gemeinderath Vertreter zu entsenden habe. Nachdem ie Minorität doch ½ des Gemeinderathes ausmache, sei es nicht nur recht und billig, sondern auch parlamentarisch richtig, dass in solche Körperschaften auch Vertreter der Minorität entsendet werden. Redner sagt, wir wollen im Sparcasse=Ausschusse und im Stadt¬ Schulrathe vertreten sein, und wenn ich dem Sectionsantrage zustimme telle ich den Zusatzantrag, dass in zukünftigen Fällen, wo der Gemeinderath für solche Körperschaften Vertreter zu ernennen hat, auch auf die Minorität Rücksicht genommen werde, und dies lieg schon im Interesse einer friedlichen Berathung Herr Gemeinderath Kautsch glaubt, dass dies keiner beson deren Abstimmung bedürfe, sondern als Wunsch zur Kenntnis zu nehmen sei Herr Vice=Bürgermeister Stigler bemerkt, es sei ausgeschlossen dass sich eine Corporation finden könnte, die sich eine Marschrout vorzeichnen lasse. Die Wahlen, die sich im Gemeinderathe vollziehen, beziehen sich auf die Sparcasse und den Stadtschnlrath; in der letzteren wurden Anhänger der Majorität gewählt, und wenn die Gegenpartei die Majorität hätte, würde sie dasselbe thun. (Erb ruft¬ Das ist unanständig.) Redner bemerkt, er lasse sich über Anstand keine Belehrung geben, und fährt fort: Dagegen sitzen im Sparcasse¬ Ausschusse Männer, die einer anderen Richtung angehören, als der Majorität des Gemeinderathes. Der Antrag des Herrn Gemeinde rathes Erb könne nur als ein Wunsch aufgefasst werden, der im gewissen Sinne Beachtung verdient, aber einem Beschlusse, dass den etwaigen Wünschen der Minorität Rechnung getragen werden müsse könnte er nicht beistimmen, das wäre eine gebundene Marschroute, die sich der Gemeinderath nicht vorschreiben lassen kann. Herr Gemeinderath Erb beruft sich auf den parlamentarischen Anstand, und wenn er vorhin das Wort unanständig gebraucht habe so sei damit keine Person bezeichnet worden. Das Wort, gebundene Marschroute, sei nicht richtig angewendet worden, weil er keine Zahlen genannt habe. Merkwürdig sei es, dass Vorredner erst heutezu Einsicht komme, dass es recht und billig sei, den Wünschen der Minorität nachzukommen, was man schon vor 30 Jahren eingesehen haben sollte Herr Vice=Bürgermeister Stigler betont, er sei erst drei Jahr im Gemeinderath und er lehne es ab, in dieser Richtung ein Be¬ lehrung zu erhalten. Die Majoriät des Gemeinderathes sei, wenn Herr Erb auch das noch so oft anzweifelt, aus der freien Wahl de Wählerschaft hervorgegangen. Es gebe hiefür keinen anderen Maßstab. Herr Gemeinderath Dr. Hochhauser bemerkt, es sei heute zum erstenmale, dass von Herrn Erb in den Sparcasse=Ausschuss Politik hineingetragen werde. Er müsse sich dagegen verwahrer dass die heute vorgeschlagene Wahl als eine Parteisache betrachte werde. Er müsse gegen den Zusatzantrag des Herrn Gemeinderathes Erb stimmen Bei der Abstimmung wird der Sectionsantrag einstimmig angenommen, der Zusatzantrag des Herrn Gemeinderathes Erb mit 16 gegen 6 Stimmen abgelehnt. — Z. 28.081. 4. Die Cooperatoren der beiden hiesigen Pfarrämter, sowie der Director und Seelsorger zu St. Anna ersuchen um Ertheilung des Gemeinde=Wahlrechtes Die Majorität der Section beantragt, auf das Ansuchen dermalen nicht einzugehen Dem entgegen stellt der Herr Referent folgenden Antrag „Der löbliche Gemeinderath wolle in Erwägung der im vorliegenden Gesuche klar und bündig dargelegten Gründe den Cooperatoren der beiden katholischen Pfarrämter, sowie dem Director und Seelsorge zu St. Anna das erbetene Wahlrecht bewilligen und um die Ab änderung des § 19/2 b des hierstädtischen Gemeindestatutes im obigen Sinne beim hohen oberösterreichischen Landes-Ausschusse rechtzeiti Zur Begründung seines Minoritätsantrages per — einschreiten.“ verweist Referent auf den Abgeordneten Dr. Beurle, den Führer der Compromissgenossen, welcher der Majorität des Gemeinderathes so nahe stehe. Derselbe habe in der Landtags=Sitzung vom 11. Februar bezüglich des Wahlrechtes für Linz den Antrag eingebracht, es se dieses Wahlrecht den Mitgliedern des bischöflichen Domcapitels den kath. Priestern und Religionslehrern zu verleihen. Dieser Antrag wurde mit 31 Stimmen — gegen einige Stimmen des Gemeinde¬ und Verfassungsausschusses — angenommen. Derselbe Antrag sei auch von Dr. Bahr und Wimhölzl unterstützt worden. Redner finde es sonderbar, dass Steyr, das an Liberalismus der Stadt Linz nicht zurücksteht, diesen Passus nicht aufnehmen will, und den Kaplänen den Weg zur Wahlurne versperrt. Kürzlich wurde ein Kaplan von Dietach nach Steyr versetzt. In der Gemeinde Dietach Gleink könnte er das Wahlrecht noch ausüben, bei seinem Eintritte in das Stadtgebiet Steyr, beim Schnallenthor verliert er dieses Wahlrecht. Er müsse noch betonen, dass die Herren schon 18 Jahr vertröstet wurden, und bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Gemeinderathes könne sicher angenommen werden, dass noch weiter 18 Jahre vergehen, bis diese Angelegenheit zur Berathung kommen wird. Er bitte, diesem Ansuchen der Cooperatoren Folge zu geben. Herr Gemeinderath Lintl unterstützt den Minoritäts=Antrag und bemerkt, die Majorität werde sich doch nicht fürchten, dass diese secht Männer an ihrem Besitzstande etwas wegnehmen werden. Der Hast e gegen die Geistlichen könne doch nicht die Ursache gewesen sein, se eien doch alle Gemeinderäthe christliche Männer. Der Priester die erste Person, die dem Menschen im Leben entgegentrete, bei der Taufe, in der Schule 2c. Und wenn auch der Mensch aus der Schul tritt und sich dann nicht mehr um seinen geistlichen Lehrer kümmert, so lässt er in der schwersten Stunde, am Sterbebette den Prieste Diesen Herren, welche mit rufen, und dieser hilft und tröstet ihn. dem Volke leben, das Volk lieben, diesen Herren verweigert man die Bitte, die dem letzten Canalräumer der Stadt erfüllt wird. Rednet hebt nun die Verdienste des Waisenhaus=Directors und Seelsorger zu St. Anna und seines 30jährigen Wirkens hervor und spricht die Ueberzeugung aus, dass, wenn in diesem Punkte eine Volks abstimmung veranlasst würde, würde die Majorität dafür sein, dass den Priestern das Wahlrecht zukommt Herr Gemeinderath Peteler sieht nicht ein, warum Steyr ein Ausnahme machen soll, wenn man dieses Wahlrecht in Linz gewährt. Er schließe sich den Ausführungen der Vorredner an Herr Gemeinderath Erb sagt: Wenn auch er zu diesem Antrage das Wort ergreife, so wäre es ihm außerordentlich verlockend, sich wieder einmal mit dem ganzen Gemeindestatute zu beschäftigen. Solange er und seine Partei hier sitzen werden, werden sie nicht ruhen und nicht rasten, bis diese schreiende Ungerechtigkeit beseitigt sein wird und wir ein besseres Statut besitzen. Wenn über der Thüre des Steyrer Rathhauses das Wort des Kaisers Franz stünde: „Die Gerechtigkeit ist der Grundstein der Regierung“ hätte es schon längst heruntergerissen werden müssen. Herr Vicebürgermeister Stiglet habe in einer Versammlung erklärt: Wir ändern das Statut des¬ wegen nicht ab, weil wir die Majorität nicht verlieren wollen. Wir wollen nicht von jenen Sesseln aufstehen, auf welche sich andere gern niedersitzen möchten. Damit gestehen die Liberalen zu, dass wi das schlechteste Statut haben, aber mit demselben Terroismus, mit den ie uns niederbeugen wollen, haben sie das Wahlrecht der Coopera¬ toren abgelehnt. Ich bin überzeugt, dass diese Majorität an ihren igenen Terroismus zu Grunde gehen wird. Ein Gebot der Gerech tigkeit sei es, für die intelligenten Kreise einzutreten, und dazu gehören die Cooperatoren, sie haben die Maturitätsprüfung und mehrjährige Facultäts=Studien. Wie Herr Gemeinderath Lint richtig betont habe, kennt kein Mensch die Verhältnisse des Volkes so genau, als der Priester. Er kommt in die ärmste Hütte und in den reichen Palast, er kommt auch zu den Liberalen und diese sehner sich darnach. Ist denn ihre Macht so wackelig geworden, dass sie sich vor diesen sechs neuen Wählern fürchten können? Einmal im Leben sollen Sie gerecht sein, und wenn es je am Platze ist, gerech zu sein, so ist es hier der Fal Herr Gemeinderath Dr. Hochhauser sagt, die Section habe diese Angelegenheit eingehend berathen, und habe sich die Majorität dahir geeinigt, eine Aenderung des Statutes dermalen nicht durchführen zu wollen, weil es nicht dafür stehe, in das Statut ein Loch zu reißen. Ich stimme den Herren bei, dass das Gemeinde=Statut in nächster Zeit zu ändern sein wird und dass diese Zeit nicht mehn lange auf sich warten lassen wird. Bis dahin können sich auch die geistlichen Herren gedulden. Dermalen liegt keine Nothwendigkei vor, das ganze Statut zu ändern, und Theile desselben zu änder sei nicht opportun. Er sei der Ansicht, dass das Statut, betreffen das Wahlrecht, auf eine breite Basis gestellt werden müsse und dass nicht die Cooperatoren allein, sondern eine Menge Leute in Steyn sind, welche auf die Aenderung des Statuts Anspruch haben, und bei dieser Anschauung bleibe er. Herr Vicebürgermeister Stigler erklärt, er sehe nicht ein, wi er mit dem Beschlusse der Rechtssection in Verbindung gebrach werde, wie es Herr Erb gethan hat. Er habe keine Ingerenz au diese Beschlüsse, und Männer mit grauen Haaren werden woh wissen, was sie zu thun haben. Wenn etwas citiert wird, was jemand anderer öffentlich gesagt hat, so muss man das richtig thun, un solche Worte nicht so auslegen, wie man sie gerne haben möchte. Er lehne diesen Anwurf des Herrn Erb ab. Er könnte auch anführen, er habe jemanden sagen hören, es drehe sich bei diesem Ansuchen un die Aenderung des Statutes nur darum, weil die Gegenpartei das Statut eben in ihrem Sinne abgeändert wissen will. Er stimme de Anschauung des Herrn Dr. Hochhauser zu, dass die Aenderung des Gemeinde=Statutes unabweislich sein werde, aber heute handle es sich nur um die Aenderung eines einzelnen Paragraphes, und darauf könne nicht eingegangen werden. Das Heimatsgesetz und die Wahlnovelle werden auch auf die Gemeinde=Wahlordnung vom Einfluss sein, und es wäre daher nicht klug, heute das Gemeinde statut einer Geringfügigkeit wegen zu ändern, um es dann nach späteren Einführungen in kurzer Zeit wieder abändern zu müssen Zweimal sei die Abänderung des Statutes beantragt worden, und zweimal sei dieser Antrag mit großer Majorität abgelehnt worden und nun werde ein drittes Mal versucht, diese wohl überlegten Beschlüsse umzustoßen. Herr Gemeinderath Erb: Wenn er noch einmal auf das Gemeindestatut zurückkomme, müsse er sagen, dass diesmal die Herren chon anders sprechen. Damals habe sich Herr Dr. Hochhauser noch ablehnend verhalten, heute werde schon der Vorschlag gemacht, dass das Statut in 3—4 Monaten abgeändert werden soll. Die 5. Curis des Reichsrathes stehe mit dem Gemeinderathe nicht im Zusammen¬ hange, die Gemeinde ist autonom und könne das Wahlrecht verleihen, wem sie will. Er stehe auch auf dem Standpunkte, dass auch die Arbeiter hier vertreten sein sollen, aber noch höher stehe der Stand punkt der Gerechtigkeit gegen die, die jetzt schon berechtigt sind, das Wahlrecht zu verlangen. — Redner verwahrt sich, dass der Herr Secretär dem Herrn Bürgermeister zuflüstere, wie er eben gesehen habe Redner fährt fort: Schon im Jahre 1878 sei derselbe Antrag vor gelegen und er wolle nicht nachforschen, wer die Ursache war, dass damals das Statut nicht geändert wurde, es sind vergangene Zeiten aber dass die Herren heute abermals mit leeren Phrasen kommet das bedauere er außerordentlich. Es würde nur ein paar Federstriche kosten, um den Cooperatoren das Wahlrecht zu ertheilen. Es ist nicht

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