Die oberösterreichische Messerindustrie

35 worden, so war es üblich, dass dieser noch das erste Jahr bei seinem Lehrmeister arbeitete. Die ge- wöhnliche Arbeitszuweisung war altes Recht der Viergesellen und seit alters her als ein den Gesellen zustehendes Privileg festgelegt. Hauptaufgabe der Viergesellen war es, die Arbeitsvermittlung für die stellenlosen Gesellen durch- zuführen, das "Zuschicken". Ein wandernder Messerergeselle aus einer anderen Stadt, der sich in Steyr um Arbeit bewerben wollte, musste vorher über sein "redliches Abschaiden" bei seinem letzten Meister durch sog, "Kund- schaft" den Nachweis erbringen über seine Person, sein Können etc. Häufig kamen oberländische Gesellen nach Steyr. Diese genossen besondere Begünstigungen. So wurde ihnen auf der Herberge der traditionelle Willkommtrunk gereicht. Hiezu erschien die gesamte Gesellenschaft von Steyr. Diese Begrüßung erfolgte aber erst nach genauer Überprüfung der "Kund- schaft". Es war dies vielleicht, um sich der modernen Terminologie zu bedienen, eine Art Arbeitsbuch, welches über Lehrzeit; Lehrmeister und Arbeitsplätze Aufschluss gab. Nach dem Willkommtrunk er- hielt der fremde Geselle von den Viergesellen Auskunft über die Arbeitsmöglichkeiten in der Stadt. Dem schloss sich das "Zuschicken" an . 1 Wollte ein freigesprochener Jünger in die Gesellenbruderschaft aufgenommen werden, so musste er einen Wochenlohn in der Lade erlegen. Häufig schloss sich daran die sog. Gesellentaufe, wobei der junge Geselle unter mancherlei Ulk in den Kreis seiner Kameraden aufgenommen wurde. Karl VI. wandte sich in seiner Generalordnung aus dem Jahre 1732 gegen die "ungebührlichen Gebräuche bei der Loszählung der Jungen, wie das Hobeln, Schleifen, Predigen, Taufen etc." Bereits zu Beginn des 15. Jhdt., also in der ersten großen Blütezeit des Messererhandwerks, gab es derartig viele Gesellen in Steyr, dass sich der Rat der Stadt dem Begehren der Gesellen auf Bildung einer Bruderschaft nur schwer widersetzen konnte. Das seit alters her überkommene Gewohnheits- recht wurde in Artikel zusammengefasst und diese dem Rat zur Bestätigung vorgelegt, der sie im Jahre 1478 als "Gesellenordnung" annahm. 2 Sie beschäftigt sich vor allem mit dem Verhalten der Gesellen in der Trinkstube; beim Meister und beim Kirchgang. Auch die zweite Gesellenordnung aus dem Jahre 1553 kann als ein Codex von Verhaltungsmaßregeln bezeichnet werden . 3 Die Führung der Bruderschaft oblag dem Zechmeister und den Viergesellen, ab 1553 den Vierge- sellen alleine. Die Bruderschaft wachte auch über die Einhaltung der guten Sitten, sie hatte gottes- dienstliche Aufgaben zu erfüllen. Es gab Gesellengottesdienste, Gesellenaltäre, der gemeinsame Be- such der Fronleichnamsprozession war strenge Pflicht. Nach dem "Handwerksgenerale" aus dem Jahre 1732 hätten alle Gesellenbruderschaften aufgelöst gehört, die der Messerer blieb aber weiter beste- hen. Als im Jahre 1851 der Geselle Ignaz Rath zum Viergesellen gewählt wurde, war der uralte Brauch, dass nur ein Meistersohn Viergeselle sein könne, durchbrochen. Das Kreisamt erklärte unter Berufung auf das "Handwerksgenerale" die Wahl für endgültig und die Bruderschaft als aufgelöst. Auf den Re- kurs Raths folgte ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 24.9.1854, der die Bruderschaft als aufgehoben bestätigte, die Gesellenlade aber weiterbestehen ließ . 4 Das Aufkommen der Werndlschen Waffenfabrik brachte eine grundlegende Änderung der Gege- benheiten, denn der größte Teil der Gesellen strömte in die Fabrik, so dass die handwerksmäßige Bin- dung von selbst verschwand. Die Bruderschaft lebte dann in anderen Rahmen — Krankenunterstüt- zungs-Gesellen-Verein —weiter, doch hatte sie in dieser Form mit den alten Traditionen der Gesellen- bruderschaft nur mehr wenig gemein . 5 Die Durchschnittsarbeitszeit betrug 14 Stunden. Allerdings sei auf die vielen Feiertage der damali- gen Zeit verwiesen sowie auf den "blauen Montag", den alle Anordnungen der Meister nicht beseitig- ten. 6 Arbeitete ein Geselle grundlos einen Tag nicht, so konnte ihm der Meister einen entsprechenden Betrag vom Wochenlohn abziehen. 1 St. A. Steyr, Messererakten. 2 St. A. Steyr, 11/5. 3 a.a.O., Schroffner, Steyrer Eisenindustrie, S. 43. 4 Steyrer Stadtmuseum, 9/0/762. 5 a.a.O., Schroffner, Steyrer Eisenindustrie, S. 44. 6 St. A. Steyr, 1/5/10.

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