Die oberösterreichische Messerindustrie

119 Dass die Ausmaße der bundesverbürgten Kredite ebenso unzulänglich sind wie die Obergrenze der sichtlich engherzig gehandhabten und überdies recht kostspieligen Exportrisikohaftung, soll hier nicht weiter zur Debatte stehen, obzwar ein Vergleich mit den meisten der gefährlichsten Konkurrenten nicht zu Gunsten Österreichs ausfällt. Aber selbst wenn die beiden genannten Zweige der österreichischen Exportförderung dem Finan- zierung- und Risikobedürfnis der Ausfuhrwirtschaft zu entsprechen scheinen, dann sollte auf keinen Fall übersehen werden, dass sie doch praktisch das Vorliegen von Aufträgen ausländischer Besteller zu r 1 Voraussetzung haben, eine Voraussetzung, die der Laie nur allzu oft als Selbstverständlichkeit betrachtet. Selbst preislich und qualitativ noch so konkurrenzfähige Erzeugnisse wie etwa unsere Österreichi- schen Besteckwaren, werden auf einem Exportmarkt der davon keine Kenntnis hat, keinen Abnehmer finden, dies umso weniger, je mannigfaltiger das Angebot in qualitativer Beziehung gestaltet, je grösser die Zahl der Konkurrenten, mit einem Wort, je undurchsichtiger der Markt ist. Die Binsenwahrheit, dass es für einen Käufermarkt leichter ist zu fabrizieren als dortselbst Abneh- mer zu finden, kann nicht oft genug wiederholt werden. Je schwächer aber der Konjunkturauftrieb, desto mehr Gewicht kommt den absatzwirtschaftlichen Anstrengungen der Betriebe zu. Ein immer noch in weiten Kreisen verbreiteter Optimismus wiegt sich in der Selbsttäuschung, dass im Falle eines Rückganges des Inlandgeschäftes der Auslandsmarkt ein Sicherheitsventil zu bieten vermag. Bei der engen wirtschaftlichen Verflechtung der europäischen Wirtschaftsgebiete ist es doch so, dass krisenhafte Erscheinungen nicht vor Landesgrenzen Halt machen, sondern alle Staaten betreffen. Gerade die Weltwirtschaftskrise hat der österreichischen Messerindustrie deutlichst vor Augen ge- führt, dass zur Zeit der Absatzstockung im Inland auch im Ausland nichts zu holen war, insbesonders dann nicht, wenn man am Markt nicht eingeführt war. Es ist aber doch meistens so, dass erst mehrjährige Einführungsarbeit zu einem Erfolg zu führen vermag. Marktaufschließung bildet ebenso eine Voraussetzung für den Vertrieb wie Bohr- oder Schürf- versuche für die Aufschließung von Bodenschätzen. Die harte Tatsache, dass schon eine Erkundungsreise nach den wichtigsten afrikanischen Märkten und Handelsplätzen von einer sechswöchigen Dauer einen Aufwand von mindestens 60 – 70.000 Schil- ling erfordert, kennzeichnet das Ausmaß der vor allem für einen mittleren Betrieb kaum tragbaren Anfangsinvestition. Eine planmäßige Markterschließung verlangt zunächst die gründliche Feststellung des Bedarfs, der Konkurrenzverhältnisse, sowie der in Frage kommenden Vertriebsorganisation ein- schließlich der neben der persönlichen etwa notwendigen Werbung durch Reklame, der Einrichtung eines Kundendienstes, oft auch eines Vorratslagers. Wie verhält sich nun wettbewerblich der Start Österreichs zu dem seiner stärksten europäischen, amerikanischen und asiatischen Konkurrenz? Die Vorteile der großen Exportländer scheinen deutlich auf. Von dem durch Vorzugszölle bezie- hungsweise Zollfreiheit gegebenen, wenn heute auch territorial weit eingeschränkten Vorsprung der Kolonialmächte abgesehen, verfügen die führenden Staaten des Welthandels, besonders Großbritan- nien, ebenso Frankreich, die Niederlande, Belgien, heute natürlich auch die USA, in weiten überseei- schen Gebieten über Niederlassungen, die dem Handel oder auch der Erzeugung dienen, ferner über finanziell abhängige Unternehmungen, die mehr oder wenigeren den Warenbezug aus dem Lande des Stammhauses bzw. finanzierenden Unternehmung gebunden sind. Darüber hinaus besteht vielfach eine nicht zu unterschätzende Bevorzugung aus dem Gefühle nationaler Zusammengehörigkeit, wie in den englischen Dominien, ja selbst den übrigen Commonwealth - Ländern, ein good-will, dem gegen- über das Ressentiment gegen die alten Kolonialherren nicht überschätzt werden sollte. Diese nach Tausenden und Abertausenden zählenden Bindungen stellen gegenüber einem Export- lande, das vor 12 Jahren sozusagen von neuem zu beginnen hatte und auch in der Besteckbranche auf vielen Märkten überhaupt noch nicht einmal erschienen ist, eine Überlegenheit an wohlorganisierten Marktbeziehungen dar, die sich deutlich in den Zahlen der Einfuhrstatistiken der ehemaligen und der bestehenden Kolonien spiegelt. Aus der Erkenntnis der primären Bedeutung der Herstellung und der Intensivierung des 1 Oberparleitner Karl: "Initiale Exportförderung" in Die Industrie, Offizielles Organ der Vereinigung österreichi- scher Industrieller, 57. Jahrg., Nr. 19, Wien, 2.5.1957.

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