Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

eingeleiteten Verhandlungen, je die Volkssanction erhalten werde, wenn sie nicht die gänzliche und endliche Räumung von der Fremdenherrschaft und die völlige Unabhängig¬ keit zur Hauptbasis habe. Frankreich. Paris. Man erwartete mit vieler Neugier die An¬ kunft Ludwig Napoleons, des Erprätentenden und jetzigen Volksrepräsentanten, welche denn auch am 26. September erfolgte. Der Bürger Ludwig Napoleon bestieg die Tri¬ büne, sprach von über ihn ergangene Verläumdungen, von Dankbarkeit gegen die Republik, welche ihm die glückliche Lage bereitet, sein Vaterland nach 33 Jahren Exil wieder zu sehen, und von Anwendung all' seiner Kräfte an der Befestigung der Republik zu arbeiten. Man weiß seine Hoff¬ nungen auf die Präsidentenwürde in der Nationalversamm¬ lung; und obwohl diesen in der Verfassung selbst ein Rie¬ gel vorgeschoben wurde, wo es Art. 42 heißt: „der Präsi¬ dent muß geborner Franzose sein, und darf die Eigen¬ schaftals Franzose nie verlorenhaben, er muß dreißig Jahre zurückgelegt haben und zur Zeit seiner Wahl das französische Gebiet wenigstensseit 5 Jahren ununterbrochen bewohnen“, der Prinz hat sich aber in das Schweizer=Bürgerrecht aufnehmen lassen, so haben dagegen selbst einige Geldleute der City bereits Wetten angestellt, daß Prinz Ludwig Napoleon nächstens Kaiser von Frankreich sein werde. Wenn es nun auch einige gibt, welche sagen, der Bonapartismus in Frankreich liege mit Bonaparte bei den Invaliden begra¬ ben, und der Prinz habe von seinem großen Oheim nichts als den Namen geerbt; so hat Cavaignac dennoch an ihm einen gefährlichen Gegner. Mit Louis Blanc im Bunde, von den Clubbs unterstützt, wird dieser Ludwig Napoleon, dieser Mann von Boulogne, dieser Gefangene zu Ham, diese Nullität, ein Nebenbuhler Cavaignacs für die Präsi¬ dentenwürde, um dann von den Sektenmännern als über¬ flüssige Puppe zur Seite gestellt zu werden. Cavaignac hat einen harten Stand, auf ihm ruhen die nächsten Ge¬ F. W. A. schicke Frankreichs. Motto aus Kassandra's Gesängen. Eine deutsche Stimme über das königl. Reseript vom 3. d. M. In Folge der in Ungarn vorgefallenen neuesten Er¬ eignisse (über die wir übrigens, Dank der unpartheiischen Wienerzeitung, noch immer in großem Dunkel schweben) wurde der Capitän=Lieutenant der bei Hofe zu Wien dienstthuenden ungarischen Nobel garde, Adam Recsey v. Recse zum ungarischen Ministerpräsidenten mit dem Auftrage ernannt, ein neues Ministerium zu bilden. An diesem mit dem Hoftone und den Hofränken wohl ver¬ trauten Cavalier hofft wohl die Camarilla zu Schönbrunn einen Mann zu finden, der allezeit bereit sein wird, Alles, was man ihm immer vorlegen mag, zu contrasigniren. Und sie scheint sich nicht getäuscht zu haben. Recsey hat das königl. Rescript vom 3. Oktober contrasignirt — es bleibt ihm nichts mehr zu thun übrig. Wie ist dieses Re¬ script entstanden? Von wem ist der Gedanke? Von wem die Ausführung? Wir wissen es nicht! Der Kaiser hat es wahrscheinlich nicht entworfen und nicht verfaßt, er hat es nur unterschrieben. Wer hat es denn verfaßt? Gewiß Jemand in der Nähe des Kaisers zu dem der Monarch Vertrauen hat — ach! und es ist Niemand in der Nähe des Kaisers zu dem das Volk Vertrauen hätte! Das erwähnte königl. Rescript ist lediglich an den ungarischen Reichstag gerichtet, und behauptet mit dürren Worten in seinem Eingange, das Repräsentantenhaus habe am 27. September einen Entschluß gefaßt, in Folge dessen der Graf Lamberg ermordet worden sei. Das ist viel gesagt und läßt sich nicht rechtfertigen. Der Kaiser ist allerdings für diese Aeußerung nicht verantwortlich, wohl aber der verantwortliche Minister Recsey, der sie mitunterschrieb. Jener Entschluß war: das Manifest, das den Grafen Lamberg sandte, da es nicht gegengezeichnet war, als ungültig zu erklären. Ist es eine nothwendige Folge dieses Entschlusses daß ein wilder Haufe den Grafen morden mußte? Oder hat das Repräsentantenhaus diesen Haufen gedungen? In seinen sieben Artikeln löst das Rescript den unga¬ rischen Reichstag auf, erklärt in blinder, unnützer Hast seine nicht sanktionirten Beschlüsse (die ohnehin schon nach dem ungarischen Grundgesetze keine Gültigkeit haben) für null und nichtig, und ernennt den Jellachich zum Civil= und Militärgouverneur von Ungarn mit unumschränkter Vollmacht. Das Schicksal dieses Mannes ist einzig in der Geschichte, und seine glänzenden Erlebnisse stellen die österreichische Kai¬ serkrone in tiefen Schatten. Nach den Märztagen wurde er durch ein von den konstitutionellen Ministern gegenge¬ zeichnetes Manifest des Kaisers als Hochverräther erklärt keine contrasignirte, mithin keine gültige Verfügung hat seither diesen Ausspruch des Kaisers aufgehoben, und plötzlich erklärt ohne alle Motivirung ein contrasignirtes Manifest desselben Kaisers denselben Mann zum unum¬ schränkten Befehlshaber in demselben Reiche, an dem er zum Hochverräther geworden ist! Das ist eine schwin¬ delnde Politik, es mögen ihre Träger zusehen, daß sie nicht fallen. Oder ist Jellachich vielleicht gegenüber dem Kaiser von Oesterreich Hochverräther geblieben, und nun gegenüber dem König von Ungarn loyal geworden? Man spielt ein gewagtes Spiel. Jellachich gestern noch Partheimann, dem der Kaiser das Kommando abnahm um durch einen Dritten, Namens Lamberg, den Streit

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