Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

ausgezogen waren, besannen sich eines Besseren und kehr¬ ten ohne Klang und Sang wieder heim. Der Abgeordnete Graf Gustav v. Keller ist vom Reichsverweser zum Reichscommissär für den ganzen Um¬ fang aller südwestlichen deutschen Bundes=Staaten ernannt, um zur Aufrechthaltung der Herrschaft der Geseze alle erforderlichen Truppen zu ergreifen, die etwa erforder¬ lichen Maßregel zu requiriren, selbst Belagerungserklärung und Standrecht zu verkündigen. Preußen. Berlin. Ein am 22. September von dem Abge¬ ordneten von Berg gestellten Antrag auf eine Unwil¬ lenserklärung der Reichsversammlung wegen des Frankfurter Attentats (der Meuchelmord Lichnowsky's und Auerswalds) womit die Aufforderung an die Regierung verbunden war die Centralgewalt mit allen ihr zu Gebothe stehenden Mittel zu unterstützen, ging mit einer Mehrheit von 238 gegen 77 Stimmen durch. Die Hoffnung der Republikaner Berlins ist zu Wasser geworden. Arbeiterhaufen und anderes Volk mit rothen Mützen oder großen rothen Federn am Hute, zogen mit Fahnen und klingendem Spiele am 25. September durch die Straßen. Aber glücklicher Weise that das jetzige Ministerium was das vorige auch hätte thun können: es verstand sich zu einem Erlaß, welcher der Reichsversamm¬ lung genügte, ohne daß er für die Armee verletzend wäre, und das versammelte Volk begnügte sich nur mit un¬ schuldigen Sieges=Demonstrationen. Am Rhein. Auch im Rheinpreußen sollte die rothe Fahne aufgestekt und die Republik verkündet werden. In Köln ließ am 25. September um 5½ Uhr der Commandant der Bürgerwehr, Oberst Engels die Bürgerwehr zur Erklärung auffordern, ob sie für Erhaltung der Ruhe und sicheren Ausführung der nöthigen Verhaftungen stehen könne? Habe er keine Antwort bis 6 Uhr, so werde er die nöthigen militärischen Maßregeln ergreifen. Vier Fünftel der Haupt¬ leute der Bürgerwehr erklärkten sich verneinend, und es rückten um 6 Uhr 2 Bataillone vor das Zeughaus, drei Schwadronen Uhlanen, die vor den Thoren gehalten, zogen ein, die Thore wurden besetzt, und mehrere andere Ba¬ taillone mit Geschütz postirten sich auf den Plätzen und in den Straßen. Trotzdem erhoben sich allenthalben Barri¬ kaden, — auch sammelten sich einzelne Haufen, — es kam jedoch zu keinem Ausbruche. Am 26. liefen die Nachrich¬ ten über Struves verunglückten Einfall ein, auch die aus Berlin kommenden lauteten ganz beruhigend. Die Barri¬ kaden wurden von den Truppen weggeräumt, — die Haupthetzer sind geflohen, — Köln wurde unter Trommel¬ schlag in Belagerungszustand erklärt, die Bürgerwehr auf¬ gelöst, doch vorbehaltlich einer Reorganisation. Schleswig=Holstein. Dadurch, daß die Dänen Deutschlands Schwäche in ihrem vollen Glanze sehen, fühlen sie sich unermeßlich stark; unsere Nachgiebigkeit ist die Quelle ihres Trotzes, unsere Friedensliebe der Sporn ihrer Kriegslust; — dieses legen sie durch ihre „Immediatcommission“ an den Tag. Einstweilen hat die schleswig=holsteinische Regierung die Selbstankündigung dieser Commission mit einem Steckbrief gegen die Herrn Moltke, Hansen und Johannsen beant¬ wortet, und zwar von Rechtswegen. Wir wollen sehen, ob die Dänen jetzt ihre Drohung ausführen und Truppen in Schleswig einrüken lassen, — und wenn es geschieht, wie wird sich Deutschland benehmen? Mit der Kriegfüh¬ rung gegen Dänemark hat es sein Bewandtniß. Hat man seit dem Abschlusse des Waffenstillstandes, also seit einem vollen Monate, doch gar nichts gethan, um sich zu einer wirksamen Kriegsführung in Stande zu setzen, falls der Friede mit Beginn des Frühjahres nicht abgeschlossen wer¬ den sollte. Sechs Monate sind verflossen seit dem Beginn des dänischen Kriegs, und nachdem wir sechs Monate lang zur See auf das schmälichste mißhandelt worden, hat das große mächtige Deutschland auch noch nicht einmal den Kiel zu einem einzigen Kriegsschiff gelegt; — die drei oder vier Kanonenboote die 3 oder 4 Kauffahrer sind aus¬ schließlich mit Privatkräften gebaut und ausgerüstet, der Staat hat sich dabei so gut wie gar nicht betheiligt. Unter solchen Verhältnissen genügt es wohl nicht, wenn Herr v. Schmerling erklärt, daß von einer Anerkennung oder Zulassung der dänischen Immediatcommission nicht die Rede sein könne. Italien. Oesterreichisches: Der Reichsverweser Erzherzog Johann erließ an den Papst ein Schreiben worin er ihm seine wärmste Verehrung ausdrükt und anzeigt, es sei die Absicht des österr. Cabinets aus den lombardischen Pro¬ vinzen einen in seiner Verwaltung unabhängigen Staat zu bilden. In Mailand war wieder einmal eine Revolution, eine Art sicilianische Vesper gegen die Tedeschi angesagt, aber nicht zur Ausführung gebracht worden, — Schrecken und Todesfurcht sind hier doch noch viel größer, als der Haß, Radetzky will keine Furcht zeigen; er ließ an dem¬ selben Tage, am 21. September, an welchem die Revo¬ lution angesagt war, die lombardischen Grenadiere statt der ungarischen die Wache vor seinem Palaste beziehen. Uebrigens läßt man es nicht an der nöthigen Vorsicht fehlen. Sardinien. Karl Albert soll abgedankt haben. Sicilien. Die liparischen Inseln und die Städte Catania, Noto und Girgenti haben sich der neapolitanischen Regierung unterworfen. Messina ist zu einem Freihafen erklärt. Die schöne Stadt liegt größtentheils in Trümmern. Rom. Die Clubs setzen ihre Anstrengungen, welche auf die Befreiung Italiens von der Fremdenherrschaft ge¬ richtet sind, unermüdet fort. Der Volksklubb, Circolo popo¬ lare, hat in Uebereinstimmung mit Ancona und anderen Orten des Kirchenstaates an ganz Europa und an die ita¬ lienischen Fürsten die feierliche Erklärung abgegeben, daß keine von den italienischen oder von fremden Regierungen

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