Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

Nro. Politische Wochenschau der zwanglosen Blätter. Steyr den 25. November 1848. Deutschland. Auf die am 14. d. M. durch telegraphische Depesche erhaltene Nachricht daß Robert Blum erschossen sei, sind sogleich die Herrn Paux und Pötzl als Reichscommissäre von Frankfurt nach Wien abgegangen, Nach Leipzig war die Nachricht früher gekommen, und am 13. d. M. Nachmittags von den Stadtverordneten im Anschluß an den Stadtrath eine Adresse beschloßen wor¬ den, worin das Ministerium aufgefordert wird den sächsi¬ schen Gesandten in Wien abzurufen und zur Rechenschaft über sein Benehmen in der Blum'schen Angelegenheit zu ziehen, sowie die Revision des Processes zu beantragen. In einer Volksversammlung am Abend, welche in der größten Kirche Leipzigs (Thomaskirche) abgehalten wurde, waren folgende die vorzüglichsten Beschlüsse: Abhaltung einer Todtenfeier für Blum, Versorgung seiner Familie, Zurückforderung seines Leichnams, Antrag bei der Regie¬ rung zur Abberufrung des sächsischen Gesandten aus Wien zur Verantwortung, endlich Abberufung der sächsischen Ab¬ geordneten aus der Nationalversammlung (!) welche das Vertrauen des deutschen Volkes nicht mehr besitzen. Am Abend ein Tumult, wobei das österreichische Consulatswap¬ pen abgerissen wurde (!) ¬ Würtemberg. In der Sitzung der Kammer wurde hinsichtlich Preußens und der Erschießung Blums gestimmt, und zwar ad 1. Beweisen wir daß Schwaben seine Stimme erheben wird, wenn der Freiheit oder der Wohlfahrt irgend eines Stam¬ mes Gefahr droht . . . . . . und ad 2. wurde eine Adresse an die Nationalversammlung folgenden Inhaltes beschlossen: Verletzung der Reichsgesetze durch einen österreichischen Feld¬ herrn, offne Auflehnung gegen das Reichsgesetz ohne Rück¬ sicht auf die Mahnung der Reichsminister, Gefahr der deut¬ schen Einheit, des Einbrechens zügelloser Gewalt und der Entfesselung aller Leidenschaft, des Unterganges der Ord¬ nung seien bevorstehend, im Fall nicht die Reichsgewalt das Steuer mit fester Hand ergreife. Menzel sprach besonders für diesen Antrag: „Deutschland äußerte seine Sympathie durch die Wahl eines österreichischen Prinzen; die beklagenswerthen Ereigniße, das letzte Ereigniß der Schuß — mag man sagen er sei in ein freches Herz gedrungen, so war dieß doch ein deutsches Herz — ging ins Herz der deutschen Nation, Windisch=Grätz hat absichtlich alle Form umgangen, der Hinrichtung ist der Gedanke zu Grunde gelegen ein slavisches Reich zu bilden. Wenn wir diesen Thatsachen gegenüber als Deutsche auf¬ treten, so ist es unser Trost, daß wir nicht daran schuld sind, wenn der Bruch mit Oesterreich eintritt. Wir ha¬ ben Oesterreich die Hand geboten, es hat sie schnöde zu¬ rükgewiesen. Preußen. Der König hat dem Abgeordneten Grabow, der ihn zu einem eutgenkommenden Schritt zu bewegen gesucht, erklärt: „er wisse wohl, daß das was er begonnen, ihm und seinem Hause Gefahr bringen könne; allein er stehe in Gottes Hand; und lieber, als den Rechten der Krone etwas vergeben, wolle er ehrenvoll untergehen.“ Die Reichsversammlung beharrt mit unerschütterlicher Conse¬ quenz auf dem eingeschlagenen Wege. Sie hat durch Pla¬ cat die Maßregel des Belagerungszustandes für ungesetz¬ lich erklärt, und eine Drukschrift abgefaßt, worin das Ver¬ halten des Ministeriums Brandenburg als hochverrätherisch bezeichnet wird und diese dem Staatsanwalt übergeben, mit der Aufforderung: seine Pflicht zu thun. Sie zieht von Lokal zu Lokal um ihre Sitzungen abzuhalten; aber in neuester Zeit haben eine Anzahl Deputirter erklärt, daß sie sich ferner dieser Wanderungen enthalten wollen. Adressen aus 90 Städten erklärten, so lange der Conflict zwischen der Krone und der Reichsversammlung bestehe, erkenne man letztere für die allein beschließende und gesetz¬ gebende Macht. Bemerkenswerth ist, daß schon am 13. d. M. die ere¬ cutiven Polizeibeamten bei dem Polizeipräsidenten von Bar¬ deleben Verwahrung gegen amtliche Mitwirkung bei den gegenwärtigen politischen Maßregeln eingelegt haben, weil diese Maßregeln mit ihrer gesetzlich bestimmten Amtspflicht nicht in Einklang zu bringen seien. Aus dem Meklenburgischen nahen bewaffnete Zuzüge, aus Stettin allein 4000 mit Büchsen Bewaffnete. In Magdeburg ist die Eisenbahndirektion angewiesen keinem Bewaffneten ein Fahrbillet zu geben, und der Bahnhof ist militärisch besetzt. Die Aufregung ist kaum zu beschreiben. Fast 10 tausend Unterschriften von Urwählern erklärten am 13. der Krone die volle Zustimmung der Stadt zu den Verhalten der Reichsversammlung. Die Offiziere des 27. Landwehrregiments sind am 14. zusammengetreten und ha¬ ben sich für die Reichsversammlung erklärt, dieß auch durch Placate mit Unterschrift vom Commandeur und Stabsfeld¬ webel angezeigt. In Berlin hoffen Manche noch auf friedliche Ausglei¬ chung, obwohl niemand sich enträthseln kann, welche Ver¬ einbarungsformel gefunden werden könnte. Italien. Der deutsche Reichsgesandte Heckscher hat während seines Anfenthaltes in Neapel auch die beiden dort vor Anker liegenden englischen und französischen Seeoberbefehls¬ haber besucht: warum wird nicht gesagt; am 11. d. M. ist er wieder in Rom angekommen. Albini, der Admiral der sardinischen Flotte vor Ve¬ nedig hat dem Triumvir Cavedalis erklärt er sei erschie¬ nen um die österreichische Flotte an Feindseligkeiten gegen Venedig zu hindern, und stehe übrigens der venetiani¬ schen Regierung zu Befehl. Am 1. und 2. November ha¬ ben aber ein englischer und ein französischer Dampfer nach Venedig Nachricht gebracht, daß Eygland und Frankreich gegen die Gegenwart der sardinischen Flotte in den vene¬ tianischen Gewässern, die einer Verletzung des Waffenstill¬ standes gleichkomme, protestiren. Am 8. hat aber die Re¬ gierung Sr. Heiligkeit die offizielle Anzeige erhalten, daß die französische Regierung, da sie sehe, daß sie Italien in den gegenwärtigen Verhältnissen nichts nützen könne, ihre Vermittlung in der österr.=italienischen Frage zurükziehe.

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