Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

— 14 setzliche erklären und im Namen der Krone da¬ gegen protestiren.“ Die Würfel sind gefallen. Preußen steht am An¬ fang oder am Ende einer großen Revolution. Die Reichs¬ versammlung schloß ihre Berathung nicht, sondern faßte den Beschluß: „1. daß sie für jetzt keine Veranlassung habe den Sitz ihrer Berathungen zu ändern, sondern dieselben in Berlin fortsetzen werde; 2. daß sie der Krone nicht das Recht zugestehen könne die Versammlung wider deren Wil¬ len zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen; 3. daß sie diejenigen verantwortlichen Beamten, welche der Krone zum Erlasse der verlesenen Bothschaft gerathen, nicht für fähig erachte der Regierung vorzustehen, vielmehr dafür halte, daß dieselben sich schwerer Pflichtverletzungen gegen die Krone, das Land und die Reichsversammlung schuldig gemacht haben.“ Die Deputirten der Rechten und ein Theil des rech¬ ten Centrums sind geflohen — wie Schildwachen, welche ihren Posten verlassen, ohne abgelöst zu sein. Man rüstet von beiden Seiten. Militär rükt gegendie Stadt: die Truppen werden mit scharfen Patronen und Lebensmitteln versehen. Nachmittags 4 Uhr besetzte ein Bataillon Bürgerwehr das Thor und einen Theil der Friedrichsstraße. In der Stadt ist noch alles geordnet und ruhig. Eine Kundmachung von der Reichsversamm¬ lung wird an den Mauereken angeschlagen. Es ist eine Erklärung, daß das Vaterland in Gefahr sei, und eine Aufforderung an die Provinzen die Sache der Freiheit mit Energie aufrecht zu erhalten. Die Chefs der Bürgerwehr¬ Bataillone versammeln sich bei deren Commandanten Rimp¬ ler, und beschließen, die bewaffnete Macht zur Verfügung der Reichsversammlung zu stellen und ein Eindringen der Truppen mit Gewalt zu verhindern. Die Stimmung ist ernst, — man könnte sagen feier¬ lich — in Markt und Gassen. Neuestes aus Berlin. Der König hat die Nationalversammlung nach Bran¬ denburg in das Lokale der Ritter=Akademie verlegt, ferner die Bürgerwehr aufgelöst. Die National=Versammlung hat die beiden dießfälligen Verfügungen des Ministeriums für ungesetzlich erklärt. Hierauf hat der König am 12. d. M. Berlin in Belagerungsstand gesetzt. Das frühere Lokale der Nationalversammlung ist gesperrt worden, das Stadtverordnetenkollegium hat aber denselben sein Lokale angeboten, die Kaufmannschaft von Berlin und Stettin Geldmittel zur Verfügung gestellt. Breßlau, die zweite Stadt Preußens hat sich für die Nationalversammlung erklärt. Inzwischen soll die Ritterakademie abgebrannt sein und der König den Präsidenten der Nationalversamm¬ lung haben verhaften lassen. Die ausgetretene Anzahl Mitglieder der Rechten (70 — 80) haben versichert, so¬ bald der König militärische Gewalt gegen die Versamm¬ lung anwendet, sogleich wieder dieselbe durch ihren Ein¬ tritt zu verstärken. — Nach Berichten der Wienerzeitung. Würtemberg. In der Gegend von Ulm ist ein bedeutendes baieri¬ sches Armeekorps aufgestellt, und von dem Rükmarsch die¬ ser Truppen in ihre respective Garnisonen verlautet zur Zeit nichts, und es wird sich fragen ob nicht die Art wie sich die Schweiz gegen Deutschland und seine Centralge¬ walt in Betreff der auf ihrem Gebiete sich umtreibenden deutschen Flüchtlinge und Wühler benimmt, auch baierische Truppen an der Schweizer Gränze nothwendig macht. Eine Störung der Verhältnisse zu der Eidgenossenschaft wäre für beide Theile sehr zu beklagen. Thatsache ist übrigens daß die Republik Frankreich sich weit mehr ange¬ legen sein läßt mit den deutschen Nachbarstaaten in freund¬ lichen Einvernehmen zu bleiben als dieß von Seite der Schweiz geschieht, die aller Noten ungeachtet die deutschen Flüchtlinge hart an den deutschen Gränzen Deutschlands ungestört ihr Wesen treiben läßt. Die Staatsmänner der Eidgenossenschaft sollten denn doch das „Asylrecht“ mit Bürgschaften umgeben, welche geeignet wären ihren Nach¬ barstaaten Beruhigung gegenüber den Umtrieben der „Rothen“ zu gewähren. Schleswig=Holstein. Die dänische Regierung besteht auf die Wiederauf¬ lösung der neu eingesetzten gemeinsamen Regierung von Schleswig=Holstein. Der englische Geschäftsträger in Ko¬ penhagen, Sir Henry Wynn, an welchen man sich von deutscher und dänischer Seite gewendet, erklärte: er sehe in der Verwirrung, daß alle seine Bemühungen in Ko¬ penhagen und Malmö umsonst gewesen, daß man wieder auf demselben Punkte wie vor Ausbruch des Krieges stehe. Indessen ist sofort ein Courier mit einem Ertradampfer nach London abgegangen um neue Instructionen von Lord Palmerston einzuholen. Italien. Der Einfall der lombardischen Flüchtlinge in Luino und in Chiavenna wurde durch die kaiserlichen Truppen bewältigt; aber in den Kantonen Tessin und Graubündten sind viele Tausende, welche durch die Amnestie sich nicht bestimmen lassen in ihre Heimath zurükzukehren, sondern es vorziehen in größeren Abtheilungen öfters beunruhigende Einfälle zu machen. Unsere freundnachbarlichen Eidgenos¬ sen haben nichts dagegen. Das französische Cabinet hat nochmals auf das Bestimm¬ teste erklärt, Sardinien seinem Schiksale überlassen zu wol¬ len, wenn dessen Heere von neuem gegen Radetzky zu Felde ziehen sollten. Karl Albert wird sich also wohl davor hüthen, und sich sicher nur dann zu einem neuen Kriege verleiten lassen, wenn sich die österreichischen Zustände un¬ gewöhnlich einladend gestalten würden. Großbritanien. Admiral Sir Charles Napier hat von der Admiralität den Befehl erhalten, mit dem Canalgeschwader, das in Portsmouth liegt, sogleich in See zu gehen. Es besteht aus 3 Flaggenschiffen von 120, 92 und 84 Kanonen und aus 4 Kriegsdampfbooten. Das Linienschiff Prince Regent ist zur Verstärkung der Flotte Sir W. Parker's vor Neapel bestimmt. Verantworlicher Redafteur Alex. Inl. Schindler; Mitredattur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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