Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

10 concentriren; bereits sei das Hauptquartier von Mailand nach Lodi verlegt, und in allen Garnisonsstädten das Militär im Aufbruch begriffen. Die Räumung der Lom¬ bardei finde in Folge Einverständnisses mit den vermitteln¬ den Mächten statt; man sei nämlich dahin übereingekom¬ men, daß die lombardische Frage auf schiedsgerichtlichem Wege durch die deutsche Centralgewalt, Frankreich und England entschieden werde. — In einem Theil der Pro¬ vinzen von Como und Veltlin ist am 26. Oktober ein Auf¬ stand ausgebrochen. 400 Mann Veltlins haben sich auf einem festen Punkte auf der Mailänder Route zwischen Riva und der Adda verbarrikadirt. In der Nähe von Collico ist es bereits zu einem Gefechte gekommen. Aus den benachbarten Ortschaften am rechten Ufer des Commer¬ sees ziehen die Einwohner schaarenweise den Veltlinern zu Hilfe. Auf dem Splügnerpaße ist das österreichische Gränz¬ amt beseitigt, ganz wie nach den 5 Märztagen. Der Comman¬ dant des Aufstandes ist ein junger Handelsmann. Er hat unter 23. und 24. Oktober Proklamationen an die Bevöl¬ kerung von Cleven, Veltlin und den Ortschaften am Com¬ mersee erlassen. Diese sind in einem etwas weniger prah¬ lerischen Tone abgefaßt als die nach den 5 Märztagen; sie endigen mit viva I’ Italia, viva l’indipendenza! In Triest ist eine sehr aufgeregte Stimmung bemerk¬ bar, es finden selbst Schlägereien und Verwundungen statt, alle in Folge von politischen Debatten. Es werden auch eine Menge Brandschriften vertheilt, die in Venedig gedrukt und man weiß nicht wie hierher gebracht wurden. Zu¬ gleich erhalten die Glieder des Sicherheitsausschußes und mehre andere einflußreiche Personen anonyme Drohbriefe. Man bemerkt hier seit einiger Zeit viele fremde Gesichter; — man hört öfters rufen: viva la republica! viva i Viennesi! Brünn 26. Oktober. Die blutige Saat, welche die raue Waffengewalt in dem bedrängten Wien gesäct, fängt an auch außerhalb ihre Früchte zu tragen, und in dem Weh', welches die unglückliche Residenz empfindet, beginnt auch das Herz einer brüderlichen Provinz krampfhaft zu pochen. Gestern Vormittags verbreitete sich die Kunde von dem blutigen Barrikadenkampfe Wiens, man erzählte, daß die unglükliche Stadt bereits ein Flammenmeer sei. Die Nachricht wirkte erschütternd auf die hiesige Ein¬ wohnerschaft. Garden und Volk äußerten sich schmerzer¬ füllt und entrüstet über diesen Akt der Militärgewalt; die Stimmung war um so heftiger, als viele der hiesigen Ein¬ wohner theils durch die Bande des Blutes, theils durch innige Freundschaft mit Wien innig verbunden sind. Außerdem hat auch schon der allgemein stokende Verkehr in den Gemüthern eine drohende Bitterkeit erregt. Nachdem sich das Volk in zahlreichen Gruppen um die Hauptwache der Nationalgarde geschaart hatte, wurde der Ruf nach dem Landsturm laut, und nach 1 Uhr Mit¬ tags ertönten die Sturmglocken in den vorzüglichsten Kir¬ chen der Stadt und Vorstädte. Alle Straßen gewannen ein höchst bewegtes Aussehen. Der Generalmarsch rief die Garde unter die Waffen. Die Arbeiter zeigten den höchsten Enthusiasmus für Wien, sie verlangten Waffen und die schnellste Organisi¬ rung des Landsturmes, sie wollen für die Wiener leben und sterben. Das Volk umstellte die Militär=Hauptwache, es rükte Verstärkung heran, und auch ein Theil der Garnison (Schönhals= Infanterie und eine Abtheilung Cavallerie) wurde aufgestellt. Da jedoch hiedurch die Erbitterung des Volkes sich in hohem Grade steigerte, so ertheilte über Ansuchen des Nationalgarden=Majors Hrn. Herlth (als Stellvertreter des Oberkommandanten) der Herr komman¬ dirende General bereitwillig den Befehl zum Abzug des Militärs in die Kasernen. Major Herlth sprach herzliche begütigende Worte zu dem Volke, versichernd wie auch die Garde mit Wien sym¬ pathisire, auch wurde dem Volke ein Assentplatz angewiesen, wo sich Jeder zu dem Hilsszuge für Wien einschreiben könne. Leider wurden auch einige Ercesse verübt. Die Fenster im Rathhause wurden größtentheils eingeschlagen und die Kaserne der Polizeiwache gestürmt. Zu dem Letz¬ teren gab ein Schuß Gelegenheit, der aus den Fenstern der Polizeikaserne auf das Volk gefallen sein soll, nach Andern soll wieder von einem Civilisten hinauf geschossen worden sein. Dieß geschah Abends. Das Volk nahm die wenigen in der Kaserne vorfindlichen Waffen, nebst Trom¬ mel, und zog nun im abentheurlichsten Kriegsschmuke, mit Pechfakeln und unter Vortragung der deutschen Fahne durch die Straßen der Stadt, deren Fenster hell beleuchtet waren, der Garde und den Wienern wurden vielfache Lebe¬ hochs gebracht. Brünn 31. Oktober. Leider wurde heute die schöne Bewegung zu Gunsten Wiens durch Pöbelhaufen verun¬ glimpft, welche sich die Plünderung eines Hauses am Dor¬ nich erlaubten und zuletzt die Maschinenfabrik des Hrn. Braungürdle zu stürmen versuchten. Die Nationalgarde mußte auf die Wüthenden Feuer geben, es fielen 2 Todte und 30 wurden verwundet. Endlich wurde die Ruhe wie¬ der hergestellt. Abends verkündeten Maueranschläge die Ka¬ pitulion Wiens. — Aus Olmüz erfahren wir, daß täglich Züge von Bauern kommen dem Kaiser zu huldigen. Das ist recht hübsch arrangirt. Der Kaiser pflegt diesen Abge¬ ordneten die Hände zu drüken und zu Hause küssen dann die andern Bauern diese gedrükten Hände. 0 sancta Uebrigens gemahnt das an Louis Philipps Kußhändchen. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Hags in Steyr.

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