Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

Aero Ergänzungsblatt de zwanglosen Blätter. Steyr den 26. August 1848. Die jüngsten Arbeiterunruhen in Wien. Es freut uns in der Lage zu sein aus Freund Frankls vortrefflicher Abendzeitung unserem Lesekreise einen Artikel mitzutheilen, der eine gediegene Schilderung des Arbeiter¬ tumultes enthält, der in Folge des mit Recht verminderten Tagelohnes der Arbeiter entstand, und allerdings durch die Vorsichtsmaaßregeln von Seite des Ministers der öffentli¬ chen Arbeiten hätte vermieden werden können. Bei uns in der Provinz waren schon wieder die übertriebensten Ge¬ rüchte über diese Bewegung ausgesprengt und natürlich wurde von einer gewissen Partei, die dort immer den mei¬ sten Muth zeigt, wo mit dem Maule gefochten wird, wie¬ der alle Schuld auf die Studenten geschoben, die sich schon im März das große Verbrechen zu Schulden kommen lie¬ ßen, die verdammte Freiheit zu erkämpfen, die den böhmi¬ schen Colonisten, den Reaktionsräthen, den rothnasigen In¬ quisitoren und den ewig süßschmunzelnden Schleppträgern des Absolutismus so unbequem ist. Man ließ die Studen¬ ten schon wieder mit den Arbeitern Barrikaden bauen u. dgl. m. Frankl ist ein Ehrenmann — sein Bericht unterrichte und beruhige uns. Hier folgt er: „Wir möchten ihn streichen, den gestrigen Tag, wie wei¬ land Sedlnitzky, der als Mädchenverfuhrer in einem Straßen¬ plakate eben ausgerufen wird, einen Gedanken, der ihm fatal war. Die Thatsache steht fest, daß die Arbeiter sich bezahlen und — lässig arbeiten, daß sie ein imenses Kapital bereits aufge¬ braucht und noch nichts Erklekliches zu Stande gebracht haben, daß Niemand Akkordarbeiten zu unternehmen wagt, weil er keine fleißigen Arbeiter findet. Thatsache ist es, daß jetzt, wo noch keine Heitzung nöthig ist, auch die Lebensmittel bedeutend billiger sind und daß die Leute auf dem Lande, dann die hiesi¬ gen Fabrikanten klagen, keine Arbeiter bekommen zu können. Angesichts so vieler Thatsachen und des Umstandes, daß die Geldmittel nicht mehr ausreichen, war das Ministerium in sei¬ nem vollen Rechte, den Arbeitslohn, vorläufig den der Weiber, um 25% herabzusetzen. Daß die Arbeiterinnen damit nicht zu¬ frieden waren, versieht sich von selbsi, sie kamen in Massen, aber ohne irgend ein Geräthe in die Stadt und verlangten na¬ mentlich vom Sicherheitsausschuß Abhilfe. Diesem aber war von der Minisierialverfugung nichts bekannt geworden. Beginnt man diesen Ausschuß absichtlich zu umgehen? um ihn, wozu man nicht Muth zu haben scheint, sich selbst auflösen zu ma¬ chen. Oder weiß man, daß er ohnehin nicht mehr lebt, und daß nur Manche in ihm ehrgeizig genug sind, um ihren Ein¬ fluß nicht zu verlieren. Schade, daß dieser im Beginne so wohlthätig wirkende Ausschuß durch seine jetzige aufdrängliche Rolle seine ursprünglichen Verdiensie in Schatten fiellt. Seinem Motiv, daß der Gemeinderath nicht energisch, nicht freisinnig geung wirke, um beruhigt die eigenen Funktionen ihm zu über¬ lassen, wollen wir nicht anfechten. Dann aber befehle das Mi¬ nisterium eine Reorganisation dieser nur inwendig Schwarz¬ gold=rothen, die bekanntlich diese Farben bei der Ankunft des Kaisers unter die Weste knöpften. Doch wir wollen von gestern von der Arbeiterunrube sprechen. Die Arbeiter kamen zwar in Massen, aber unbewaffnet und bittend, erst als sie eine abschlä¬ gige Antwort erhielten, fingen sie vor dem Gemeindehause zu katzenmusiziren an. In der Wipplingerstraße und auf dem Ju¬ denplatze siurmte nun die Nationalgarde mit gefalltem Bajonnete in die laut aufheulende und fliehende Menge. Die reitende Gar¬ de sprengte ebenfalls vor. Es kamen mehrere Verwundungen vor. Die Munizivalgarde schwang die Säbel. Einem solchen Helden, gegenuber der waffenlosen Menge paßirte es nun, daß ein Weib ihm den Säbel entriß, und vom Jndenplatz durch die Schultergasse verfolgt, sich die Waffe nicht entwinden ließ und mit ihr auf die Universität eilte, um sie dem inspizirenden Hauptmann zu übergeben. — Wir wissen nicht, ob es nöthig war, gegen Waffenlose mit gefälltem Bajonnete anzusturmen? Wurden die Garden insultirt? Wir geben aber zu bedenken, das Militär, dessen Advokaten wir niemals gewesen sind, hätte dergleichen gethan, welches Halloh wäre entstanden! Als nach Mittag die akademische Legion patroullirend ohne aufge¬ pflanztes Bajonnet durch die Straßen der Stadt zog, brachte dies eine sehr gute Wirkung hervor — bei den Arbeitern Einzelne Nationalgarden riefen den Marschirenden zu: „Bajon¬ net aufgepflanzt!“ Um 4 Uhr etwa rückte die 8. Mediziner¬ kompagnie, der sich mehrere Akademiker und zwei Nationalgarden angeschlossen hatten, gegen das Schottenthor. Hier waren Gar¬ den aufgestellt. Von außen her schrie und tobte es, und mach¬ tige Stöße wiederhallten vom Thore. Auf die Frage, was es sei, hieß es, die Arbeiter wollen eindringen, um die aus ihrer Mitte Inhaftirten zu befreien. Die Mediziner entschlossen sich sogleich, hinauszugehen, und es gelang ihnen in kurzer Zeit, die höchst Aufgeregten zu beruhigen. Die Offiziere Tizins und Frankl schlugen ihnen vor, eine Deputation, die sie begleiten wollten, aus sich zu wählen und die Befreiung ihrer Kameraden zu erbitten. Dies wurde freudig angenommen, und die Menge wurde ruhig, indem den Hauptlärmern von den einzelnen Gar¬ den freundlich zugesprochen wurde. Plötzlich sprengte vom Glacis her berittene Garde mit gezogenem Säbel heran, und rief: Wir arretiren Jeden, der mit einer Schaufel oder Krampe bewaff¬ net ist. Die Akademiker ersuchten, die Herren möchten sich ruhig verhalten, indem die Arbeiter (es mögen in der grossen Masse höchstens 20 mit Schaufeln dagestanden haben) die Ant¬ wort der Deputation abwarteten. „Wir sind Staatsburger!“ rief Einer der Herren, jusi eben jener Kompagnie entgegen, die zu großem Theile aus graduirten Aerzten besteht, sie hat in ihrer Mitte den Dekan der mediz. Fakultät, den Direktor der mediz. Studien u. s. w. Gegen einen Akademiker wurde sogar ein Säbel geschwungen und das Wort Gefindel soll sogar vor gekommen sein. Die Besonnenheit des Hauptmanns Dr. Wurmb rettete vor einer gewiß heftigen Szene, die gerade an diesem Tage von den traurigsten Folgen hatte werden können. Er ließ die Garden antreten, und mit den Worten: „Erhalten Sie, meine Herren, die von uns geschaffene Ruhe!“ kommandirte er „Marsch!“ Die 8. Medizinerkompagmie wird übrigens die Herren Reiter vor ein Ehrengericht fordern. Als später die Garden mit der Devutation zurückkehrten und verkundeten, daß die Juhaftirten mit Ausnahme Jener, die schuldig befunden sind, freigegeben werden, jubelten sie laut, und gingen friedlich aus¬ einander. Mitten durch alle diese Szenen ging wieder das Ge¬ rücht von der Auflösung der akademischen Legion, so daß Mini¬ ster Doblhoff eine eigene entschieden widersprechende Note erließ. Man sprach von den Bemuhungen des Dr. v. Vivenot und Professor Hofer, in Beziehung einer Auflösung. — Der Ge¬ meinderath, hieß es, hat das Militär regutrirt, und dieses se in den Casernen konsignirt, die Kanonen vorgespannt; daber seine Kundmachung, als sie Abends auf der Universitat ange¬ schlagen wurde, bald von einem schwarzgelben Rande umgeben, eine zweite mit einem Zopfe versehen wurde. So viel scheine gewiß, so weit uns die Geschehnisse des gestrigen Tages bekannt geworden sind, daß der gestrige fatale Tag hatte völlig vermie¬ den werden können, wenn das Minisierium der Arbeit unter Darlegung der sehr stichhältigen Gründe, warum der Lohn herabgesetzt wird, die Arbeiter als gute Patrioten angerufen, und sie so ins Vertrauen gezogen hätte, daß auch sie in dem bedrangten Momente ein Opfer bringen mußten. Diese Ver¬ siändigung hätte acht Tage vorher Statt finden müssen, damit die Arbeiterinnen sich auch darnach einrichten können; keines¬ falls sollte aber die kurz vorbereitete Ausfuhrung an dem Tage gegeben werden, wo man bereit war, mehrere Tausende fur

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