Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

Aero Ergänzungsblatt 10. der zwanglosen B Steyr den 8. Juli 1848. ätter. Naturgeschichte des Zopfes. (Politisches Wochenblatt.) Ich bin der Zopf und gehöre mit den Krebsen in dasselbe Geschlecht, denn so oft man mich abschneidet, wach¬ se ich gleich wieder nach, wie die Scheeren der Krebse, die ebenfalls unsterblich sind, nur umgekehrter Natur. Die Krebse nämlich gehen bekanntlich zurück und werden, wenn es so fortgeht, endlich an den ersten Tag vor der Schö¬ pfung anlangen, wo es kein Licht gab, und alles noch im Anfange, und die Erde wüste und leer war. Ich aber wachse kühn und frisch in die Zukunft, und gedeihe bis zu der fabelhaften Länge, daß man ganz Deutschland, Oester¬ reich mit einbegriffen, damit umwinden kann, und dabei bin ich so dick, fest und steif, daß ich einen ordentlichen unübersteiglichen Wall um diese Länder bilde. Dies ist aber nur scheinbar, denn nur die Philosophen und Ideologen in Frankfurt a. M. können nicht drüber hinaus kommen, und deßhalb glauben sie so steif und fest, als ich selbst bin, die Franzosen und Russen könnten auch nicht drüber her¬ ein kommen. Zu meinen außerordentlichsten, naturhistorischen Ei¬ genschaften gehört mein ungeheuer schneller Nachwuchs.. Vor drei Monaten hat man mich in Deutschland, Oesterreich mit einbegriffen, durch einen einzigen gewaltigen Schnitt abgetrennt, aber heute bin ich schon wieder so lang und so dick, wie vor drei Monaten. Das kommt daher, weil ich wie die Amphibien gedeihe zu Wasser und zu Land, im Nacken als wirklicher Zopf, und als Pseudozopf unter der Form von Schnur= Backen= und Zwickelbart, als Kapuzi¬ ner= und Rabbinerbart, als zierlicher Henri-quatre und als wilder, borstiger Schnauzbart des bakonyer Waldes. Ich lebe und gedeihe trefflich in jedem Klima, im Bitter¬ wasser des Despotismus, im Zuckerwasser des idealen Li¬ beralismus, im Salzwasser der konstitutionellen Kritik, und auch im Blutwasser der Revolutionen habe ich meine Le¬ bensfähigkeit dargethan. Meine Erzeugung geschieht wie bei den Würmern im Käse. Ohne Hochzeit bin ich plötzlich da, wo man mich am wenigsten vermuthete; deßhalb bin ich auch unsterblich, denn wie der Phönir aus seiner eigenen Asche wiederer¬ steht, entsteige ich aus meiner eigenen Verwesung durch meine eigenen Infusions= und Samenthierchen, und es ist daher keine Fabel, daß der Zopf, wie die Seele, ewig lebt. In der Farbe bin ich den Chamäleon zu vergleichen, denn ich nehme alle Farben an, wie Zeit und Umstände erheischen. Vor vier Monaten trug ich die aschgraue Far¬ be Metternichs, dann wurde ich weiß plötzlich schlug ich in schwarz=roth=golden um dann in schwarz=gelb hier in weiß=roth=blau, dort in roth=blau weiß und so in infinitum. Man würde mich in dieser Verwirrung als den guten, al¬ ten, ächten Zopf nicht erkennen, wäre die große unver¬ tilgbare, zähe Steifigkeit mir nicht als charakteristisches unverkennbares Zeichen überall beigegeben, woran auch der Criptozopf erkannt wird der wie der verborgene Weich¬ selzopf nicht am Kopf, sondern im Kopf seinen Sitz hat, und zu den thörichsten Ideen, die sich bis zum Wahnsinn steigern können, Veranlassung gibt. Dieser verborgene Zopf passirt unter den verschiedendsten Namen, ist aber immer derselbe. Bei uns ist er unter den Namen „Büreauchef“ sehr berühmt und hat die fire Idee zu glauben, unser Herr¬ gott habe die Welt des Büreaus wegen erschaffen und die Menschen wären da, damit der Herr Büreauchef über sie gebiete gegen eine Remuneration von so und so viel tau¬ send Gulden, nebst Personalzulage und Versorgung des Herrn Sohnes, Schwiegersohnes, sämmtlicher Enkel und Urenkel. Für diese Ausartung des Zopfes gibt es kein Mit¬ tel, selbst Franzosenholz und russische Schwitzbäder fruch¬ ten nichts. Ich glaube aber an meine eigene, unvertilgba¬ re Naturkraft, und werde daher in Deutschland, Oester¬ reich mit einbegriffen, nie ausgerottet werden können. Wenn alle Mächte feindlich gegen mich losziehen, flüchte ich in die deutschen Amtsstuben und Registraturen, und den Herkules möchte ich kennen, der mich aus den Augi¬ stalle des Actenstaubes herausbringt. Dort wurzle ich fest seit Jahrhunderten, habe von Aktenstaub und Dinte mich köstlich genährt, und werde drinnen fortleben in Ewig¬ keitzAmen! Gewerbliches. Grundlinien einer Zeit gemäßen Gewerbege¬ setzgebung. (Schluß.) Besondere Bildung für Gewerbe, Lehrjun¬ genschaft. Die spezielle Gewerbsbildung beginnt mit dem Ein¬ tritte des Lehrjungen in die Lehre, und endet mit der Auf¬ nahme des Gesellen unter die Meister. Des Meisters Pflicht ist es, den Lehrjung nicht als Dienstboth, sondern als heranzubildenden künftigen Ge¬ werbsgenossen zu behandeln, die Sittlichkeit desselben streng zu überwachen, für Fortsetzung des allgemein religiösen und sonstigen bürgerlichen Unterrichtes zu sorgen, mit Eifer sich die Beibringung des zur vollkommenen Erlernung ei¬ nes bestimmten nöthigen Gewerbes angelegen sein zu las¬ sen, stets mit Berüksichtigung dessen, was den jugendlichen Geist und Körper gesund erhalten kann. Der Lehrjunge, vor dessen Aufname die Innung un¬

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