Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

18 des Erzherzogthums an Böhmen (!) anschließen solle. Der gesunde Sinn der Linzer und Salzburger ließ sich nur einen Moment lang täuschen, daß wirklich die Anarchie in Wien herrsche oder dort die Republik ausgerufen sei. Sie durchblickten es bald, daß eine Camarilla den Kaiser ent¬ führt habe. Es blieb Alles ruhig. S. Wien, 22. Mai. Der Hof befindet sich bereits in Innsbruk und man hat nun schon so ziemlich das ganze Gewebe des schänd¬ lichsten Hochverrathes an der Nation in den Händen. Der Kaiser wußte, als er Mittwoch Abends nach Schönbrunn fuhr, noch nichts davon, daß er nicht mehr in die Burg seiner Väter heute zurückkehren würde. Es war keine Kunst, einen kränklichen, und dabei so seelenguten Mann, wie es der Kaiser ist, durch Mittel, wie man sie angewen¬ det, zur Flucht zu bewegen. Von den hiesigen Ministern ist Hr. Dobblhof bestimmt, sich nach Innsbruk zu begeben; das ungarische Ministerium hat bereits an den Fürsten Eßterhazy den Auftrag ergehen lassen, sich augenblicklich zum Kaiser zu begeben; der Fürst ist auch bereits abgereist. Berichte aus Salzburg melden, daß die Bombelles dort ihre letzte Miene springen ließen, daß sie bereits eine Pro¬ klamation verbreitet hatten, worin gesagt wird, daß Wien im Blut schwimmt, man mit geschwungenen Waffen in das Gemach des Kaisers gedrungen wäre — und die Ruhe ist hier so groß, daß alle Course auf der heutigen Börse sich bedeutend hoben. Die Straße nach Satzburg war am Donnerstag mit Wagen bedeckt, einer will einige 90 gezählt haben, theils Hofwagen, Packwagen und Fuhrwerke von Privaten. Hier erwartet man auf Morgen die Ankunft des Erzherzogs Franz Karl. Erzherzog Rainer ist in Pre߬ burg (?), traut sich aber nicht nach Wien zu kommen. Er könnte es in voller Sicherheit thun, denn wie gesagt, es herrschte nie mehr Ordnung und Ruhe hier als jetzt. Ministerial=Erlasse am 26 Mai 1846 Der Ministerrath hat, um den dringenden Wunsche der Bevölkerung für die Abwendung größerer Gefahren und dem Begehren der akademischen Legion zu entsprechen, be¬ schlossen, nicht auf der Vollziehung der Auflösung und Vereinigung der Legion mit der National=Garde zu behar¬ ren, und erwartet, daß die akademische Legion aus eigenem Antriebe selbst die Bürgschaften anbiethen werde, um die Sicherheit und Rückkehr des Kaisers möglich zu machen. Pillersdorf. Sommaruga. Krauß. Latour. Baumgartner. Die Zusicherungen des Kaisers vom 15. u. 16 Mai d. J. stehen in ihrer ganzen Ausdehnug aufrecht. Die akademische Legion besteht unverändert. Das Militär wird sogleich in die Kasernen abgezogen, und die Thorwachen werden gemeinschaftlich von National¬ Garden, von der akademischen Legion und Militär in glei¬ cher Stärke bezogen. Pillersdorf. Sommaruga. Krauß. Latour. Baumgartner. Das Militär erhält hiermit den Befehl, sogleich abzuzie¬ hen. Den Arbeitern wird zugleich fortan Arbeit verschafft werden, wogegen sie zur Herstellung der Ruhe zu ihrer Ar¬ beit zurückzukehren haben. Pillersdorf. Baumgartner. Kraus. Die Unterzeichneten bestätigen, daß die Truppen der Gar¬ nison sich bereits nach dem Auftrage des Kommandirenden in die Kasernen zurückgezogen haben, und nur über Auf¬ forderung der National=Garde zur Unterstützung derselben aufgebothen werden können. Pillersdorf. Latour. Während dem man die Universität schließen wollte be¬ gab sich eine Person Namens Wiesinger in dem Prater zu den Arbeitern, und both ihnen eine Summe Geldes an, man sprach von 27000 fl. C. M., mit den Bemerken, daß sie ihre Anhänglichkeit an die Studenten fahren lassen, und sich in nichts mehr hinein mischen möchten; siehätten ihrGeldda sollten sie trinken und sich gut geschehen lassen. Die Pro¬ letarier (Ehre dieser Classe, kein Jahrhundert hat solch edlen Arbeitergeist aufzuweisen) waren keine Verräther, sondern nahmen diesen Menschen gefangen und führten ihn sammt seinem Gelde auf die Universität. Gestern kam ein Arbeiter auf die Universität mit einer Banknote von 10 fl. C. M., erzählend, daß ein Herr in Mariahilf ihm diese Banknote gegeben habe um — bei Gelegenheit einen Studenten zu erschlagen. Da der Ar¬ beiter ihn habe festhalten wollen, sei er durch andere Leute befreit worden; er aber — augenscheinlich sehr arm ¬ habe die 10 fl. auf die Adjutantur gebracht um an dem Blutgeld keinen Theil zu haben. Wo nun ist der Prole¬ tarier, wo die Hefe des Volkes zu suchen? Courire sind bereits an Se. Majestät nach Innsbruk abgesendet worden, mit dem Verlangen der Rückkunft Sr. Majestät in 14 Tagen, oder der gnädigen Ernennung ei¬ nes Stellvertreters in der Person eines kaiserl. Prinzen. Die allgemeine Stimme ist in Wien: man hat uns verrathen und verkauft, und Se. Majestät der Monarch wisse von allen den schändlichen Umtrieben der reaktionären Parthei kein Wort. Wien hat einen neuen Sieg über die Reaktion er¬ fochten über eine Parthei, die uns unter das alte verhaßte am 13. März kaum abgeschüttelte Joch der Volks= und Freiheitsfeindlichen Parthei mit blutiger Gewalt durch künstlich hervorgerufene Anarchie beugen wollte. Wien zu bezwingen ist dieser Parthei nicht gelungen, Liebe zur Ord¬ nung und zum Recht hat ihr siegreichen Widerstand gelei¬ stet. Soll es ihr gelingen die Provinzen gegen Wien zu hetzen? Herr Wiesinger ist mit seinen baaren 27000 fl. C. M. von den armen Arbeitern Wiens die er verführen wollte mit Stolz und Hohn zurückgewiesen worden. Wol¬ len wir eine schlechtere Gesinnung haben als diese Arbei¬ ter? Wollen wir uns bestechen laßen, durch die leeren, so oft als lügenhaft entlarvten Worte unserer Feinde! Nein, wir verletzen nie die Würde des Thrones aber wir heben keine Hand auf gegen unsere tief gekränk¬ ten Brüder in Wien, die uns mit ihrem Blute zuerst die wonnevolle Freiheit erkämpften. Oberösterreich wird von der Reaktion nicht besiegt. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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