Zwanglose Blätter, Nr. 80, vom 20. Dezember 1848

332 kraten und den slavischen Föderalisten macht sich im Cen¬ trum das k. k. Bewußtsein breit, das einen politischen Gegensatz nach beiden Seiten hin bildet. Aber auch zwi¬ schen der Rechten und Linken findet nebst dem nationalen ein politischer Gegensatz statt. In Wien, dem Mittelpunkte des österreichischen Deutsch¬ thums, ist auch der Befreiungskampf für Oesterreich in den Märztagen ausgekämpft worden — und darum wurden auch die Wiener Abgeordneten weniger durch die deutschen, als durch die revolutionären Sympathieen auf die Linke hingewiesen, während die übrigen Deutschen sich blos um die schwarzrothgoldene Fahne sammelten, die von der Bar¬ rikade der Wiener Demokraten wehte, und dabei den Ra¬ dikalismus, der die Barrikade selbst baute, mit in den Kauf nahmen. Den Wiener Deputirten war aber das Deutschthum blos die Parole der Demokratie, die deutsche Fahne nur das Symbol der Freiheit; weniger das Inter¬ esse für die Einheit Deutschlands, als die chimärische Hoff¬ nung auf eine deutsche Republik lenkte ihre Blicke nach Frankfurt hin. Wenn daher bei den Wienern schon wegen der Initiative der Revolution, die sie vor den andern Völ¬ kern Oesterreichs ergriffen hatten, das politische Interesse prävaliren mußte, so trat bei den Czechen gleich von Haus aus die rein=nationale Färbung heraus. Aus nationalen Beweggründen hatten sie mit der Anerkennung des 15. Mai so lange gezögert, bis sie sich der Gunst der Dynastie ver¬ sichert hatten; erst nachdem sie sich in dem Gnadenschein des Monarchen gesonnt, griffen sie mit beiden Händen nach den demokratischen Errungenschaften Wiens. Ihr na¬ tionales Widerstreben gegen den Anschluß an Deutschland suchten sie durch politische Gründe zu rechtfertigen. Darum wurden sie durch den Radikalismus Wiens auf die Rechte gedrängt — und die Plätze, die sie daselbst einnahmen, waren eben nur die natürliche Konsequenz der früheren Proteste, Loyalitätsadressen, überhaupt der ganzen Politik des Nationalcomité's. Sowie die Wiener die deutsche Fahne als das Banner der Demokratie aufpflanzten, so verbanden wieder die Czechen das verhaßte Schwarzgelb mit ihren Landesfarben, um die Augen der Dynastie von Wien ab auf Prag zu lenken und sie auf die Wichtigkeit des Slaventhums für die Aufrechthaltung des monarchischen Prinzips aufmerksam zu machen. Sie trugen die Farben von Oesterreich, die man damals mit Füßen trat, aus rein nationalen Beweggründen; die Wiener legten das schwarzrothgoldene Band, die Nationalfarben von Deutsch¬ land, im Interesse der Freiheit an. Während nun die Politik der Czechen lediglich auf einem Gefühle beruhte, so wurde sie doch mit viel Klugheit und Ueberlegung gel¬ tend gemacht; während die Politik der Linken, die wegen ihrem mehr demokratischen als nationalen Charakter Sache der Reflerion hätte sein sollen, durch die Unreife des Wiener Radikalismus in die Sphäre des Gemüthes, der Dekla¬ mation und Phrase herabgezogen wurde. Die Rechte glich bisher einem stehenden Heere, an dessen Spitze Palacky stand, der mit dem bekannten Sendschreiben an Soiron den Rubikon überschritten hatte; die Linke läßt sich dagegen nur mit einer Freischaar vergleichen, die ohne bestimmte Führung und Organisation von den Bänken der Reitschule, wie von Barrikaden herab, für die Freiheit kämpfte. Die Konfusion des Wiener Radikalismus war es aber welche die Polen zum Anschlusse an diese parlamentarische Frei¬ schaar bestimmte. Ist doch eine jede Konfusion Wasser für ihre Mühle; sie würden sich einen Weltbrand herbei¬ wünschen, wenn sie nur aus den Flammen ihre Adler n den Wolken emporfliegen lassen könnten. Durch ihre spe¬ zifische, antiösterreichische Politik wurden sie zugleich in einen unnatürlichen Gegensatz zu ihren übrigen slavischen Stammgenossen gedrängt, welche im Interesse ihrer Na¬ tionalität ein starkes Oesterreich wünschen mußten; und ebenso giengen die wenigen Italiener, die in dem Reichs¬ tage saßen, ein unnatürliches Bündniß mit den verhaßten Deutschen ein, weil sie eben die deutsche Politik, auf ähn¬ liche Weise wie die Polen, für die italischen Interessen auszubeuten hofften. Dieß ist also ein Bild des Reichstages, der uns kon¬ stituiren soll. Er ist ein getreuer Ausdruck jener dunkeln, unklaren Romantik, welche sich der Völker Oesterreichs seit den Märztagen bemächtigt hat. Beinahe überall ist es die Vergangenheit, welche der Zukunft Gehalt geben soll; man will den ausgelebten Zustand einer vergangenen Pe¬ riode durch revolutionäre Mittel restauriren — denkt aber nicht daran, daß unsere Zeit weder eine dynastische, noch eine nationale Restauration für die Länge bestehen läßt. Die Czechen suchen sich ihre Nationaltracht aus alten Ur¬ kunden zusammen, und träumen sich in die Zeiten Otto¬ kars und Karls IV. zurück; die Walachen in Siebenbürgen leisten darin noch mehr, feiern das Andenken des Kaisers Trajan, des mächtigen Eroberers von Dacien, und träu¬ men von einer Wiederherstellung des alten Daciens, von einer wunderlichen, ins Rumainische übertragenen Fort¬ setzung des griechischen Freiheitskrieges. Am meisten fußt noch die Romantik des Magyarismus auf dem Boden der Wirklichkeit, sie wird daher nur der bitteren, blutigen Nothwendigkeit in einem echt spartanischen Thermopylen¬ kampfe weichen. Das gebrochene Magyarenthum wird wahrscheinlich gleich dem überwundenen Polen eine eigene, spezifische Poesie erzeugen. Zu den Polenliedern werden sich Magyarenlieder gesellen, und wie in jenen der pol¬ nische Adler seine blutenden, gelähmten Schwingen regt, so wird sich auch in diesen der Magyar seiner versunkenen Herrlichkeit mit einem eigenthümlichen, charakteristischen Schmerze erinnern. Es ist dieß das unvermeidliche Loos der Romantik, sobald sie sich in das historische, warm¬ pulsirende Leben hineindrängt: über kurz oder lang wird sie wieder von demselben zurückgestoßen in das Reich der Schatten und Träume. Die Magyaren sind nun in dieser Romantik geboren, sie wurde ihnen durch ihre bisherige Verfassung garantirt — und darum werden sie sich auch von dem bitteren Erwachen aus ihrem schönen, jahrhun¬ dertlangen Traume nicht erholen können. Den Deutschen und Slaven wird es viel leichter sein, ihren unbestimmten nationalen Wünschen durch das österreichische Staatsbür¬ gerthum ein verständiges, begrenztes Maß zu geben! denn sie wurden erst durch die Märzbewegungen an ihr Deutsch¬

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