Zwanglose Blätter, Nr. 80, vom 20. Dezember 1848

Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Nro. Steyr am 20. Dezember 1848. 80. Das Leben wird sich neu gestalten — Ein unaufhaltbar freier Drang Zerreißt als Blitz die Macht der alten Versunk'nen Zeit mit lautem Klang. Herrmann Rollett. Politische Herbstgedanken über Oesterreich. (Schluß.) Die Schuld der österreichischen Nationen besteht darin, daß eine jede ihr unvermitteltes, nationales Bewußtsein zum politischen Bewußtsein erhebt; daß die Deutschen nur ein deutsches Reich, die Magyaren ein selbständiges Ma¬ gyarenreich, die Italiener einen italischen Bund, die Slaven ein slavisches Oesterreich, zwar einen Föderativstaat, aber im Sinne des Slavenkongresses gelten lassen wollen. Aber durch ein vernünftiges, nach dem Grundsatze der Gleich¬ berechtigung der Nationalitäten durchgeführtes Föderativ¬ system, welches in Oesterreich nothwendig realisirt werden muß, wird das durch die Märzereignisse geweckte National¬ gefühl keineswegs paralysirt werden. Ja die unmittelbare, nationale Eristenz wird vielmehr die feste Basis sein, von dem sich unsere Völker zu dem Interesse für den öster¬ reichischen Gesammtstaat erheben, weil in dieser weiteren Form des politischen Lebens ihren engeren nationalen Be¬ dürfnissen volle Rechnung getragen wird. Sie brauchen dann nicht einmal auf ihren autonomen Landtagen ihr na¬ tionales und politisches Bewußtsein zu trennen, und kön¬ nen dort blos als Deutsche, Slaven u. s. w. ihre Inter¬ essen berathen; aber auf dem Staatenkongresse zu Wien werden sie als Oesterreicher erscheinen müssen. Auf diese Weise wird das rationelle Sonderbewußtsein für das all¬ gemeine politische Leben von Oesterreich ein werthvolles sein, weil die einzelnen Völker mit diesem egoistischen, aber warmen, lebendigen Interesse den Gesammtstaat aufrecht erhalten werden; und das allgemeine österreichische Be¬ wußtsein wird eben nur als der billige Preis gelten, um den man Slave, Deutscher u. s. w. sein darf. Nur durch ein vernünftiges Föderativsystem wird also die nationale Reaktion, die hartnäckigste und gefährlichste, die es geben kann, glücklich besiegt und das vorzüglichste Hinderniß der freien Entwickelung Oesterreichs überwunden werden, wel¬ ches eben in der Lösung politischer Fragen durch nationale Partheien besteht. Ein Staatenkongreß kann allein die Rechte des österreichischen Volkes gegenüber der öster¬ reichischen Krone wahren, was ein solcher Völkerkongreß, wie es der bisherige Reichstag gewesen, mit seinen stehen¬ den nationellen Majoritäten und Minoritäten niemals ver¬ mag. Wir haben ja in den Oktobertagen die politische Unfähigkeit des Reichstages auf bittere Weise erfahren, wir haben gesehen, daß er in seiner jetzigen Zusammen¬ setzung die Sache der Freiheit nicht zu führen im Stande ist. Er hat zu schroffe und unüberwindliche Gegensätze in sich selbst, als daß er mit Uebergehung der Partheiunter¬ schiede sich der Reaktion hätte energisch gegenüberstellen können. Daher kam es, daß gerade zur bedenklichsten Zeit jener folgenschwere Riß im Reichstage erfolgte, daß ein guter Theil der Abgeordneten die gesetzliche österreichische Freiheit, da wo sie von unten und oben in gleicher Weise gefährdet war, feig und treulos im Stiche ließ, und selbst die Provinzen theilweise zu einem politischen Selbstmorde, d. i. zur Desavouirung des Reichstages verleitete. Die Wiener Oktoberrevolution hat eine weit gründlichere Kritik unserer Konstituante geliefert, als ich es hier auf dem Pa¬ piere thun kann; da sie aber dennoch in Kremsier sich wieder versammeln will, um zur Berathung der Grund¬ rechte zu schreiten, so wollen wir doch einige Rückblicke auf die bisherige Stellung ihrer Partheien werfen, damit wir wissen, was wir von ihrer ferneren Thätigkeit zu er¬ warten haben. Will man sich durch ein ziemlich bezeichnendes Bild die eigentliche Bedeutung der Rechten, der Linken und des Centrums im Wiener Reichstage deutlich machen, so denke man sich, daß dort das Nationalcomité von Prag, der Sicherheitsausschuß von Wien und der Landtag von Inns¬ bruck gemeinschaftlich miteinander tagen. Auf der Linken sitzen die Wiener Demokraten und die entschiedenen Deutschen, die für ein Aufgehen des deutschen Oesterreichs im Reiche schwärmen, nebst einigen italienischen und polnischen Kampf¬ genossen. Auf der Rechten die geschlossene Phalaur d Slaven, deren belebender Pulsschlag die czechische Poli die Politik Palacky's ist. Zwischen den deutschen Demo¬

332 kraten und den slavischen Föderalisten macht sich im Cen¬ trum das k. k. Bewußtsein breit, das einen politischen Gegensatz nach beiden Seiten hin bildet. Aber auch zwi¬ schen der Rechten und Linken findet nebst dem nationalen ein politischer Gegensatz statt. In Wien, dem Mittelpunkte des österreichischen Deutsch¬ thums, ist auch der Befreiungskampf für Oesterreich in den Märztagen ausgekämpft worden — und darum wurden auch die Wiener Abgeordneten weniger durch die deutschen, als durch die revolutionären Sympathieen auf die Linke hingewiesen, während die übrigen Deutschen sich blos um die schwarzrothgoldene Fahne sammelten, die von der Bar¬ rikade der Wiener Demokraten wehte, und dabei den Ra¬ dikalismus, der die Barrikade selbst baute, mit in den Kauf nahmen. Den Wiener Deputirten war aber das Deutschthum blos die Parole der Demokratie, die deutsche Fahne nur das Symbol der Freiheit; weniger das Inter¬ esse für die Einheit Deutschlands, als die chimärische Hoff¬ nung auf eine deutsche Republik lenkte ihre Blicke nach Frankfurt hin. Wenn daher bei den Wienern schon wegen der Initiative der Revolution, die sie vor den andern Völ¬ kern Oesterreichs ergriffen hatten, das politische Interesse prävaliren mußte, so trat bei den Czechen gleich von Haus aus die rein=nationale Färbung heraus. Aus nationalen Beweggründen hatten sie mit der Anerkennung des 15. Mai so lange gezögert, bis sie sich der Gunst der Dynastie ver¬ sichert hatten; erst nachdem sie sich in dem Gnadenschein des Monarchen gesonnt, griffen sie mit beiden Händen nach den demokratischen Errungenschaften Wiens. Ihr na¬ tionales Widerstreben gegen den Anschluß an Deutschland suchten sie durch politische Gründe zu rechtfertigen. Darum wurden sie durch den Radikalismus Wiens auf die Rechte gedrängt — und die Plätze, die sie daselbst einnahmen, waren eben nur die natürliche Konsequenz der früheren Proteste, Loyalitätsadressen, überhaupt der ganzen Politik des Nationalcomité's. Sowie die Wiener die deutsche Fahne als das Banner der Demokratie aufpflanzten, so verbanden wieder die Czechen das verhaßte Schwarzgelb mit ihren Landesfarben, um die Augen der Dynastie von Wien ab auf Prag zu lenken und sie auf die Wichtigkeit des Slaventhums für die Aufrechthaltung des monarchischen Prinzips aufmerksam zu machen. Sie trugen die Farben von Oesterreich, die man damals mit Füßen trat, aus rein nationalen Beweggründen; die Wiener legten das schwarzrothgoldene Band, die Nationalfarben von Deutsch¬ land, im Interesse der Freiheit an. Während nun die Politik der Czechen lediglich auf einem Gefühle beruhte, so wurde sie doch mit viel Klugheit und Ueberlegung gel¬ tend gemacht; während die Politik der Linken, die wegen ihrem mehr demokratischen als nationalen Charakter Sache der Reflerion hätte sein sollen, durch die Unreife des Wiener Radikalismus in die Sphäre des Gemüthes, der Dekla¬ mation und Phrase herabgezogen wurde. Die Rechte glich bisher einem stehenden Heere, an dessen Spitze Palacky stand, der mit dem bekannten Sendschreiben an Soiron den Rubikon überschritten hatte; die Linke läßt sich dagegen nur mit einer Freischaar vergleichen, die ohne bestimmte Führung und Organisation von den Bänken der Reitschule, wie von Barrikaden herab, für die Freiheit kämpfte. Die Konfusion des Wiener Radikalismus war es aber welche die Polen zum Anschlusse an diese parlamentarische Frei¬ schaar bestimmte. Ist doch eine jede Konfusion Wasser für ihre Mühle; sie würden sich einen Weltbrand herbei¬ wünschen, wenn sie nur aus den Flammen ihre Adler n den Wolken emporfliegen lassen könnten. Durch ihre spe¬ zifische, antiösterreichische Politik wurden sie zugleich in einen unnatürlichen Gegensatz zu ihren übrigen slavischen Stammgenossen gedrängt, welche im Interesse ihrer Na¬ tionalität ein starkes Oesterreich wünschen mußten; und ebenso giengen die wenigen Italiener, die in dem Reichs¬ tage saßen, ein unnatürliches Bündniß mit den verhaßten Deutschen ein, weil sie eben die deutsche Politik, auf ähn¬ liche Weise wie die Polen, für die italischen Interessen auszubeuten hofften. Dieß ist also ein Bild des Reichstages, der uns kon¬ stituiren soll. Er ist ein getreuer Ausdruck jener dunkeln, unklaren Romantik, welche sich der Völker Oesterreichs seit den Märztagen bemächtigt hat. Beinahe überall ist es die Vergangenheit, welche der Zukunft Gehalt geben soll; man will den ausgelebten Zustand einer vergangenen Pe¬ riode durch revolutionäre Mittel restauriren — denkt aber nicht daran, daß unsere Zeit weder eine dynastische, noch eine nationale Restauration für die Länge bestehen läßt. Die Czechen suchen sich ihre Nationaltracht aus alten Ur¬ kunden zusammen, und träumen sich in die Zeiten Otto¬ kars und Karls IV. zurück; die Walachen in Siebenbürgen leisten darin noch mehr, feiern das Andenken des Kaisers Trajan, des mächtigen Eroberers von Dacien, und träu¬ men von einer Wiederherstellung des alten Daciens, von einer wunderlichen, ins Rumainische übertragenen Fort¬ setzung des griechischen Freiheitskrieges. Am meisten fußt noch die Romantik des Magyarismus auf dem Boden der Wirklichkeit, sie wird daher nur der bitteren, blutigen Nothwendigkeit in einem echt spartanischen Thermopylen¬ kampfe weichen. Das gebrochene Magyarenthum wird wahrscheinlich gleich dem überwundenen Polen eine eigene, spezifische Poesie erzeugen. Zu den Polenliedern werden sich Magyarenlieder gesellen, und wie in jenen der pol¬ nische Adler seine blutenden, gelähmten Schwingen regt, so wird sich auch in diesen der Magyar seiner versunkenen Herrlichkeit mit einem eigenthümlichen, charakteristischen Schmerze erinnern. Es ist dieß das unvermeidliche Loos der Romantik, sobald sie sich in das historische, warm¬ pulsirende Leben hineindrängt: über kurz oder lang wird sie wieder von demselben zurückgestoßen in das Reich der Schatten und Träume. Die Magyaren sind nun in dieser Romantik geboren, sie wurde ihnen durch ihre bisherige Verfassung garantirt — und darum werden sie sich auch von dem bitteren Erwachen aus ihrem schönen, jahrhun¬ dertlangen Traume nicht erholen können. Den Deutschen und Slaven wird es viel leichter sein, ihren unbestimmten nationalen Wünschen durch das österreichische Staatsbür¬ gerthum ein verständiges, begrenztes Maß zu geben! denn sie wurden erst durch die Märzbewegungen an ihr Deutsch¬

4525:8 oder Slaventhum kräftig erinnert: unter der Zwangherr¬ schaft von ehemals waren sie Oesterreicher gewesen, und können es mithin durch freien Entschluß in dem zukünf¬ tigen Oesterreich wieder werden. Aber der Magyar weif sich nicht darauf zu besinnen, daß er je Oesterreicher ge¬ wesen sei; denn er hat von jeher nur als Magyar ge¬ golten, von jeher nur einen König von Ungarn, aber keinen Kaiser von Oesterreich gekannt. Wie sonderbar steht nun dieser unklaren Romantik der nationalen Bestrebungen die Begriffsverwirrung gegenüber, die in der Politik der Krone herrscht! Der Unklarheit des Gemüthes dort entspricht hier die Unklarheit des Kopfes. Die nie zu sühnende Schuld der dynastischen Politik Oester¬ reichs besteht darin, daß sie anfangs in die politischen Irrthümer ihrer Völker eingieng, und nachdem sie dadurch die Verwirrung des Volksurtheiles auf's Höchste gesteigert hatte, ihre eigene Inkonsequenz an ihren Nationen auf grausame Weise strafte. So fand sie am Ende keine an¬ dere Sprache, als die Kanonen, um sich ihren Völkern verständlich zu machen. In den Märztagen schwenkte der Kaiser selbst die deutsche Fahne vor dem jauchzenden Volke, er ordnete seibst die Wahlen für das Frankfurter Parla¬ ment an, und ließ sogar den Erzherzog Johann als Reichs¬ verweser dahin abgehen. Jetzt forderte Windischgrätz im Namen des Kaisers die Aussteckung der schwarzgelben Fahne in Wien, und verhöhnte durch die Hinrichtung Robert Blums vor aller Welt die deutsche Nationalversammlung. Auch die Magyaren wurden so lange als möglich in dem Wahne erhalten, daß die Dynastie in ihre Politik eingehe; das verwegene Spiel wurde sogar so weit getrieben, daß man den Erzherzog Stephan seinen berühmten Feldzug gegen den „lieben Baron“ Jellachich antreten ließ. Jetzt hat der Letztere im Vereine mit Windischgrätz dazu beige¬ tragen, die Wiener durch die Tapferkeit seiner kroatischen Schaaren zum schuldigen Gehorsame zurückzubringen. So wie damals in Stephans Person der Erzherzog mit dem Palatin in einen sonderbaren Widerspruch gerieth, als er in die Aufforderung des ungarischen Reichstages, sich an die Spitze der magyarischen Truppen zu stellen, einwil¬ ligte — so wird jetzt in der Person des Erzherzogs Jo¬ hann ein ähnlicher Widerspruch eintreten, wenn er als Reichsverweser die Beschlüsse der deutschen Nationalver¬ sammlung in Bezug auf die Hinrichtung Blums Oester¬ reich gegenüber wird erequiren sollen; und es ist nicht leicht abzusehen, welchen Wirren wir entgegen gehen, ehe unser Verhältniß zu Deutschland definitiv entschieden wird. Einige Worte aus Berlin über Preußens neue Verfassungsurkunde. Wir sind heute als konstitutionelle Staatsbürger auf¬ gewacht, da gestern Abend unerwartet plötzlich die Auf¬ lösung der Nationalversammlung erfolgt und die oktroyirte Verfassung*) das Licht der Welt erblickt hat. Die Aktenstücke, um welche es sich handelt liegen vor Ihren Augen, hier haben sie einen gewisser¬ maßen betäubenden Eindruck hervorgerufen. Man hat das nicht erwartet, was freiwillig gegeben wurde, und über¬ sieht im ersten Augenblicke, daß eigentlich noch nichts fest steht, daß diese Verfassung nichts ist als ein Verfassungs¬ entwurf, der nun mit zwei Kammern wieder vereinbart werden soll, was seine großen Schwierigkeiten haben dürfte, und daß — um sprichwörtlich zu reden — nicht Alles Gold ist, was glänzt! Aber man hält den Sperling in der Hand immer für besser, als die Taube auf dem Dache, und wird in der nächsten Zeit sich auch nicht eher davon überzeugen, daß Vieles zu wünschen übrig bleibt, bis man praktisch die Mängel kennen lernt. Die Verfassung, wie sie vorliegt, ist ein wunderliches Gemisch von demokra¬ tischen, aristokratischen und bureaukratischen Gedanken, die fast nirgends zum vollen Durchbruche kommen, und fast alle ihre Widerhaken haben. Man hat den ersten Regie¬ rungsentwurf, den Camphausen einbrachte, zusammen¬ gemischt mit den Entwürfen der Kommission und der Cen¬ tralabtheilung, und dann allerlei Abänderungen hinzuge¬ *) Diese Bezeichnung ist unrichtig. Es ist nichts als ein Verfassungsentwurf, für König und Voll nicht früher von verbindender Kraft, als bis Ersterer densel¬ Die Red. ben beschworen hat than. Die Worte „von Gottes Gnaden“ sind der Eingangsformel wieder hinzugefügt worden, so ist auch der §. 1 wieder hergestellt, wie er war, nach welchem alle Landestheile in ihrem gegenwärtigen Umfange das Staatsgebiet bilden, und den Polen keine besonderen Ver¬ fassungsrechte zustehen. Der Adel ist gar nicht erwähnt, §. 4 sagt nur, daß keine Standesvorrechte stattfin¬ den (die Worte: keine Standesunterschiede sind gestrichen.) Der Adel wird daher weiter grünen und blühen, wie bisher, und nichtsnutzige Adelige auch fernerhin zu Bürgerlichen degradirt werden. — Die Presse ist frei, und dieser §. 24 ist der klarste und beste in der ganzen Verfassung. Er ist wörtlich aus dem Entwurfe der Cen¬ tralabtheilung übergegangen, wie überhaupt Alles, was anerkennungswerth für das Volk ist und dessen Rechte und Freiheit begründet, aus den Arbeiten der National¬ versammlung herrührt. Die Volksversammlungen sind durch Polizeiverbote und Anmeldungen 24 Stunden vorher, sehr wesentlich beschränkt, dagegen hat man die Vereine unangetastet gelassen. Das wichtige Kapitel über Kirche und Schule, die Freiheit des Unterrichtes und die unentgeltliche Ertheilung desselben in den Volksschulen ist ebenfalls aus den Arbeiten der Nationalversammlung an¬ genommen worden. Dem Könige ist das unbedingte Veto zugesprochen, was der liberalen Parthei großen Schmerz erregen wird. Die Abgeordneten der ersten Kam¬ mer sollen weder Diäten noch Reisegeld erhalten. Dieß bildet einen starken Census; es können nur wohlhabende

331 Männer gewählt werden, endlich aber soll bei der Revi¬ sion noch zu unterscheiden sein, ob der König nicht einen Theil der Mitglieder ernennt (also eine Pairie) und ob die Oberbürgermeister und die Abgeordneten der Universi¬ täten und die Akademien nicht darin Platz nehmen (Ka¬ pazitäten.) Diese erste Kammer wird also jedenfalls eine Kammer der Notabeln und ein so schwerer Hemmschuh für die Volkskammer sein, wie in anderen Staaten. Zu sol¬ chen Bestimmungen paßt die völlig freie Presse ebenso wenig, wie die aus Urwahlen hervorgegangene zweite Kammer und andere ganz demokratische Grundlagen, die den heftigen Kampf in kurzer Zeit unvermeidlich machen. Am anstößigsten aber ist §. 110, wo die wichtigsten Rechte des Volkes ohne Weiteres durch zu verhängenden Bela¬ gerungsstand aufgehoben werden können, und dieser völlig legalisirt wird. Fast noch mehr Mißtrauen muß es einflößen, wenn die oktroyirte Verfassung jetzt weder vom Könige, noch von den Beamten, noch vom Heere beschworen werden soll, was provisorisch und vorbehaltlich der Revi¬ sion geschehen müßte; König, Heer und Beamten sollen aber erst den Eid leisten, wenn die Revision vollendet ist, bei der man sich ersichtlich die Hände frei halten will und dafür die gegebene Verfassung in der Luft schweben läßt, als Entwurf der, wenn das Glück gut ist, wohl in dem¬ selben Wege, wie er gegeben, auch abgeändert werden kann, da ein Geschenk den Werth aller Geschenke hat. Zur Geschichte des Tages. In Pettau in Steyermark ist der Vorspannscourrier Kohut von zwei Offizieren, wegen Verspätung ihrer Vor¬ spanne, ermordet worden. Der Unglückliche hinter¬ läßt eine Familie von acht Personen, für deren Versor¬ gung der Feldzeugmeister Nugent sich bereits verwendet haben soll. Die Offiziere sind verhaftet, und das Mini¬ sterium wird wohl strengstens darüber wachen, daß sie ihrer verdienten Strafe nicht entgehen. In unserer Provinz macht die Entfernung des bis¬ herigen Landeschefs Skrbensky, noch mehr aber die Er¬ nennung des Deputirten Dr. Fischer von Salzburg zu seinem Nachfolger den freudigsten Eindruck. Die Hofschauspieler in Wien haben dem Grafen Die¬ trichstein bei seinem Abtreten von der Hoftheaterintendanz eine Dankadresse überreicht. Es ist darin sogar von „der edeln Begeisterung des Grafen für die Kunst“ die Rede. Was liegt einem rechten Komödianten daran, ob er um Einmal mehr oder weniger Komödie spielt. 6 Die Wiener Zeitung vom 15. d. M. bringt folgenden Erlaß, in Folge dessen das Vertrauen zum Ministerium Stadion= Bach nur gewinnen könnte: „Man hat mit Bedauern wahrgenommen, daß ein Theil der Wiener Tagespresse, insbesondere die Journale: „Schild und Schwert,“ die „Geißel,“ das „Monarchisch¬ konstitutionelle Oesterreich,“ eine Richtung eingeschlagen, deren Wirkung auf die öffentliche Meinung nicht minder nachtheilig sein muß, als die frühere Zügellosigkeit der radikalen Presse. Das in einigen dieser Tagesblätter, welche die Be¬ günstigung genießen, ihre Ansichten zu vertreten, sich kund¬ gebende Hervortreten mit offenbar den Prinzipien eines konstitutionellen Staates widerstreitenden Tendenzen, die Aufreizung zum Hasse gegen ganze Klassen von Staats¬ bürgern und gegen Religionsgenossenschaften, überhaupt die Schimpf= und Schmähartikel kann die Regierung, welche durch die Konzessionirung dieser Blätter einen Theil der moralischen Verantwortlichkeit für deren Haltung auf sich genommen hat, nicht länger dulden. Der Belagerungszustand soll eine freie Diskussion nicht hindern, nur darf diese keine Persönlichkeiten behandeln, sie muß leidenschaftsfrei bleiben, und so lange die Tages¬ presse die verschiedenen politischen Meinungen in einer ruhigen besonnenen, wenn auch freien Sprache erörtert, soll und wird sie auch nicht beanstandet werden. Die Regierung will ja endlich den gesetzlichen Fort¬ schritt, und sie glaubt darum auch das allgemeine Ver¬ trauen, das ihr diesen ernstlichen Willen begründen soll, zu verdienen. Die Regierung findet sich demnach auch zur öffent¬ lichen Erklärung veranlaßt, daß sie Uebergriffe der Tages¬ presse, wodurch die politischen Leidenschaften ohne Unter¬ schied der Richtung aufgereizt, einzelne Klassen der Staats¬ bürger, Religionsgenossenschaften mit Hohn, Spott und Schmähungen überschüttet werden, nicht dulden wolle. Jede Uebertretung wird daher die unmittelbare Unterdrückung des betreffenden Blattes unnachsichtlich zur Folge haben. In dieser Richtung sind bereits die eindringlichen War¬ nungen an die Redaktionen der verschiedenen Tageblätter ergangen. Die mit der Ueberwachung der Tagespresse während des Belagerungszustandes beauftragte vollziehende Gewalt hält sich verpflichtet diese Grundsätze, welche ihr Verfahren regeln sollen, zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.“ Wien am 14. Dezember 1848. Welden, Feldmarschall=Lieutenant, Civil= und Militär=Gouverneur. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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