Zwanglose Blätter, Nr. 79, vom 16. Dezember 1848

selten nationalen Elemente bilden keinen Gegensatz zu dem alten politischen Zwangszustande, sondern nur einen neuen unvernünftigen Gegensatz zu sich selbst; wo dann, weil z. B. die Deutschen in Wien gerade radikal sind, den Sla¬ ven nichts Anderes übrig bleibt, als mit Verleugnung ihrer politischen Ueberzeugung sich mit der altösterreichischen Parthei zu verbinden, um nur den nationalen Gegensatz zu den Deutschen nicht aufzugeben. Daß die Bewohner des durch die Märzrevolution aufgelockerten österreichischen Ländervereines sich zunächst als Deutsche, Slaven u. s. w. und nicht als Bürger eines freien Staates fühlten, ist freilich nur eine bedauerliche, in das befreite Oesterreich hinüberreichende Folge des Metternichismus selbst. Weil jenes alte Oesterreich nur dann politisch ungefährdet eri¬ stiren konnte, wenn es die Geister seiner Völker nieder¬ hielt, und jede Aeußerung der Nationalität, die sich nicht etwa zur Bezähmung eines anderen Volkes verwenden ließ, gewaltsam niederdrückte: so machte sich nach der Be¬ freiung Oesterreichs in den Märztagen zunächst das ge¬ drückte, nationale Bewußtsein auf so ausschließende Weise geltend, daß es gar nicht über sich selbst hinauskommen konnte. Es war ein Wahn, daß die Völker ihre natio¬ nalen Ansprüche der Dynastie gegenüber geltend zu machen glaubten; ein Volk machte sie dem andern gegenüber gel¬ tend, und ein jedes verlor, diesem neuen Gegensatze ganz hingegeben, mehr oder weniger seine feste Stellung, seine volle demokratische Energie, mit der es dem monarchischen Prinzipe hätte imponiren sollen. Dieses behauptete aber, während die Völker Oester¬ reichs ihre Kraft in nationellen Reibungen verzehrten, seine ganze ungebrochene Stärke, und hat auch bereits durch das Bombardement fast aller bedeutenden Hauptstädte der österreichischen Länder gezeigt, wie viel es vermag. Immer hat es durch eine solche strategische Demonstration irgend einer nationalen Parthei einen wesentlichen Dienst erwie¬ sen, und konnte bei seiner egoistischen Gewaltthat nach ir¬ gend einer Seite hin immer auf Popularität hoffen. Win¬ dischgrätz hat durch sein Bombardement von Prag Aner¬ kennungsadressen von den Deutschen geerntet, die Slaven haben bei dem Sturze Wiens theils mittelbar, theils un¬ mittelbar mitgewirkt, die Ruthenen jubeln bei der Nieder¬ lage der Polen in Lemberg und Krakau. Die Völker Oesterreichs haben nicht miteinander gekämpft, um sich zu befreien, sondern sie sind von Wien aus befreit worden, um sich bekämpfen zu können. Die Saat der Drachen¬ zähne, die der Metternichismus über die Länder Oester¬ reichs streute, ist bei der milden Luft der Freiheit aufge¬ gangen zur blutigen Ernte. Die gewaffneten Männer, die aus dem Boden emporstiegen, kämpfen nun gegen¬ einander, statt in geschlossenen Reihen für die Freiheit zu kämpfen. (Fortsetzung folgt.) Rede des Abgeordneten Wagner von Steyr über Oesterreichs Auschluß an Deutschland. Gehalten in der Sitzung der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt am 24. Oktober 1848. (Schluß.) Die Nothwendigkeit ist die ultima ratio nicht blos regum, sondern auch populorum und mundi. Die Nothwendig¬ keit kann daher im einzelnen Falle gebieten, daß wir eine Grenzfestung beibehalten, anstatt sie einer nichtdeutschen feindlichen Nachbarschaft auszuliefern; die Nothwendigkeit kann fordern, daß wir ein Land, welches eine natürliche Gebirgsfestung bildet, nicht mitten von einander schneiden; die Nothwendigkeit hilft überhaupt über viele Fragen hin¬ weg, wo die Nationalität und der Volkswille nicht mehr aushelfen. Daß der Volkswille in Deutsch=Oesterreich durch und durch deutsch ist, kann ich Sie versichern. Das deutsche Nationalgefühl ist überall erst von kurzem Datum. Wenn daher hie und da noch sehr dunkle Begriffe herr¬ schen, so kann man dagegen nichts einwenden. Demun¬ geachtet sage ich, das deutsche Nationalgefühl in Deutsch¬ Oesterreich ist mächtig erwacht, und läßt sich nicht mehr unterdrücken. Man kann wohl von Ausnahmen sprechen, diese Ausnahmen sind vielleicht die Umgebung des Hofes, die Aristokratie, das Beamtenthum und das Militär, hier und da auch Manche, die aus Angst für Kreditverhältnisse Deutsch=Oesterreich nicht von dem übrigen Oesterreich ab¬ getrennt sehen wollen. Meine Herren! Das Gefehlte dieser Ansicht wurde bereits von einem Redner in der vo¬ rigen Woche beleuchtet und bewiesen. Wohl haben ganz natürlich viele Zeitungen in Oesterreich diesen materiellen Punkt immer und ewig hingestellt, und das ist häufig die ganze sogenannte Sympathie für ein ganzes, unge¬ theiltes Oesterreich. Meine Herren! Für den Anschluß Deutsch=Oesterreichs an Deutschland spricht auch die neueste Bewegung. Sie mögen diese nehmen, und mit Augen ansehen, wie sie wollen. Ich würde auch wünschen, daß die Studentenherrschaft einer andern Herrschaft, einer wei¬ sen, freien, geordneten Herrschaft weiche; aber, meine Herren, die ehrliche, die aufrichtige, warme und glühende Begeisterung dieser Jugend ist nicht zu verkennen, sie ist anzuerkennen (Beifall), sie hat mein Herz oft gehoben, und der Grund dieser Bewegung, welche Elemente auch darin sein mögen, ist ein deutscher. Als eine deutsche Be¬ wegung wird sie auch vorzüglich in den Provinzen auf¬ gefaßt. Ich kann hier von einem Lande sprechen, aus dem ich selbst bin, von Oberösterreich. In Oberösterreich sind sehr wenig radikale Momente, und doch hat sich fast Alles mit wenig Ausnahmen für die neueste Bewegung begeistert, weil man den Kern der Bewegung, und von dem Kerne handelt es sich, erkennt. (Beifall.) Man wird mir auf das, was ich von Volkswillen sprach, mit Böh¬

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