Zwanglose Blätter, Nr. 79, vom 16. Dezember 1848

Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Nro. Steyr am 16. Dezember 1848. 79. Sind's Deutsche, Die mit Posaunen rufen? —— König. Politische Herbstgedanken über Oesterreich. Es ist nun Herbst und die Einflüsse der Jahreszeit scheinen sich auch der Politik mitzutheilen. Ist auch der österreichische Freiheitsbaum noch nicht in seiner Wurzel beschädigt, so haben doch die rauhen Oktoberstürme alle seine Zweige entlaubt — und mit Beklemmung sehen wir nun den Winterfrösten der Restauration — wenigstens für die nächste Zeit — entgegen. Das Drama der Revolution nahm in Wien ein kläg¬ liches Ende; da es von Dilettanten gespielt wurde, so war eben nichts Besseres zu erwarten, als daß am Ende Fürst Windischgrätz als deus ex machina erscheinen werde, um den verwickelten Knoten zu lösen. Diesem unglück¬ seligen Dilettantismus der Revolution haben wir es zu danken, daß das einige, starke Oesterreich, dessen feste Be¬ gründung die glorreiche That seiner befreiten Völker hätte werden können, nun durch einen energischen Erobe¬ rungsakt der Dynastie in ihrem Sinne realisirt wird. Weil die Wiener Radikalen, die Deutschen, Magyaren, Italiener und Slaven nicht mit vereinten Kräften und auf friedlichem Wege den Bau eines neuen Oesterreich be¬ ginnen wollen, so arbeiten Männer des Krieges, wie Ra¬ detzky, Windischgrätz, Simonich, Jellachich, Hammerstein und Puchner daran, vorläufig das alte Oesterreich herzustellen. Sonderbarer Weise tritt jetzt die Reaktion genau in die Fußstapfen der Revolution. Sowie in den Märztagen die Provinzen, weil sie dem für ganz Oester¬ reich erfochtenen Wiener Siege nicht volles Vertrauen schenkten, die Freiheit gleichsam stückweise durch immer neue Petitionen zu erringen strebten: so sucht jetzt die Dynastie ihrerseits das Oesterreich von ehemals stückweise und in den Provinzen und in der Hauptstadt im wahren Sinne des Wortes zu erobern. Sie donnert ihren Völkern aus ihren Kanonen die bittere Lehre zu, daß es ein Oesterreich geben müsse, und in der That zeigte sich am Ende kein anderer Weg, den phantastischen Partikularismus der ein¬ zelnen Nationen zur österreichischen Staatseinheit zurück¬ zuführen. Aber dieses einheitliche Oesterreich muß, nach¬ dem es auf gewaltsame Weise wieder hergestellt worden ist, zum Zweitenmale, jedoch in seiner Totalität, nicht in seinen Theilen, befreit werden. Die Diener der Krone sorgen jetzt durch die Mittel der Gewalt da¬ für, daß es ein einziges Oesterreich gebe; daß dieses Oester¬ reich wieder zum Zweitenmale frei werde, wird die Sorge der Völker sein, nachdem sie sich von jener harten Lektion erholt haben. Die Art und Weise, wie man früher mit der Befreiung des österreichischen Länderkompleres erperi¬ mentirte, hat sich als unhaltbar erwiesen; dem Versuche, Oesterreich dadurch zu befreien, daß man es in ein deutsches Reich, in ein selbständiges Magyarenreich, in den italischen Bund, und allenfalls in das wiederhergestellte Polen all¬ mälig verschwinden lasse, wurde durch die Waffenthaten Radetzky's, durch die Militärmaßregeln des Fürsten Win¬ dischgrätz, durch das Bombardement von Krakau und Lem¬ berg und durch die furchtbaren Rüstungen gegen Ungarn Einhalt gethan. Nun muß aber einerseits die vorgefaßte Idee der Slaven, daß an die Stelle des wiederhergestellten politischen Begriffes eines einheitlichen Oesterreichs der na¬ tionale eines slavischen Oesterreichs gesetzt werden müsse — und andererseits der Wahn einer gewissen Parthei, daß sie jetzt auf dem besten Wege sei, ihr altes Oesterreich zu erobern, gebrochen werden. Wir müssen wieder Oesterreicher werden! Dieß ist die Moral der Oktoberrevolution. Freilich ist diese Lehre vor der Hand für die Völker nicht eben erbaulich und überzeugend, weil sie von der Dynastie pro domo sun durch ihre Generäle gepredigt wird. Aber bald wird man einsehen, daß zur Anerkennung eines untheilbaren Ge¬ sammtstaates noch eine andere Nothwendigkeit, als die der Kanonen drängt. Gegen das unfreie, verknöcherte Oester¬ reich von ehemals giebt es nur den einzigen vernünftigen Gegensatz eines freien, verjüngten Oesterreich von heute; es muß in seiner Totalität wiedergeboren werden, während die Magyaren, Italiener und Deutschen es gerne zer¬ stückeln, und die einzelnen, lebensunfähigen Theile in den Zauberkessel der Medea werfen möchten. Ebenso können sich den Altösterreichern nur die freien Bürger eines kon¬ stitutionellen Föderativstaates, nicht aber Deutsche, Sla¬ ven u. s. w. als solche gegenüberstellen; denn die entfes¬

selten nationalen Elemente bilden keinen Gegensatz zu dem alten politischen Zwangszustande, sondern nur einen neuen unvernünftigen Gegensatz zu sich selbst; wo dann, weil z. B. die Deutschen in Wien gerade radikal sind, den Sla¬ ven nichts Anderes übrig bleibt, als mit Verleugnung ihrer politischen Ueberzeugung sich mit der altösterreichischen Parthei zu verbinden, um nur den nationalen Gegensatz zu den Deutschen nicht aufzugeben. Daß die Bewohner des durch die Märzrevolution aufgelockerten österreichischen Ländervereines sich zunächst als Deutsche, Slaven u. s. w. und nicht als Bürger eines freien Staates fühlten, ist freilich nur eine bedauerliche, in das befreite Oesterreich hinüberreichende Folge des Metternichismus selbst. Weil jenes alte Oesterreich nur dann politisch ungefährdet eri¬ stiren konnte, wenn es die Geister seiner Völker nieder¬ hielt, und jede Aeußerung der Nationalität, die sich nicht etwa zur Bezähmung eines anderen Volkes verwenden ließ, gewaltsam niederdrückte: so machte sich nach der Be¬ freiung Oesterreichs in den Märztagen zunächst das ge¬ drückte, nationale Bewußtsein auf so ausschließende Weise geltend, daß es gar nicht über sich selbst hinauskommen konnte. Es war ein Wahn, daß die Völker ihre natio¬ nalen Ansprüche der Dynastie gegenüber geltend zu machen glaubten; ein Volk machte sie dem andern gegenüber gel¬ tend, und ein jedes verlor, diesem neuen Gegensatze ganz hingegeben, mehr oder weniger seine feste Stellung, seine volle demokratische Energie, mit der es dem monarchischen Prinzipe hätte imponiren sollen. Dieses behauptete aber, während die Völker Oester¬ reichs ihre Kraft in nationellen Reibungen verzehrten, seine ganze ungebrochene Stärke, und hat auch bereits durch das Bombardement fast aller bedeutenden Hauptstädte der österreichischen Länder gezeigt, wie viel es vermag. Immer hat es durch eine solche strategische Demonstration irgend einer nationalen Parthei einen wesentlichen Dienst erwie¬ sen, und konnte bei seiner egoistischen Gewaltthat nach ir¬ gend einer Seite hin immer auf Popularität hoffen. Win¬ dischgrätz hat durch sein Bombardement von Prag Aner¬ kennungsadressen von den Deutschen geerntet, die Slaven haben bei dem Sturze Wiens theils mittelbar, theils un¬ mittelbar mitgewirkt, die Ruthenen jubeln bei der Nieder¬ lage der Polen in Lemberg und Krakau. Die Völker Oesterreichs haben nicht miteinander gekämpft, um sich zu befreien, sondern sie sind von Wien aus befreit worden, um sich bekämpfen zu können. Die Saat der Drachen¬ zähne, die der Metternichismus über die Länder Oester¬ reichs streute, ist bei der milden Luft der Freiheit aufge¬ gangen zur blutigen Ernte. Die gewaffneten Männer, die aus dem Boden emporstiegen, kämpfen nun gegen¬ einander, statt in geschlossenen Reihen für die Freiheit zu kämpfen. (Fortsetzung folgt.) Rede des Abgeordneten Wagner von Steyr über Oesterreichs Auschluß an Deutschland. Gehalten in der Sitzung der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt am 24. Oktober 1848. (Schluß.) Die Nothwendigkeit ist die ultima ratio nicht blos regum, sondern auch populorum und mundi. Die Nothwendig¬ keit kann daher im einzelnen Falle gebieten, daß wir eine Grenzfestung beibehalten, anstatt sie einer nichtdeutschen feindlichen Nachbarschaft auszuliefern; die Nothwendigkeit kann fordern, daß wir ein Land, welches eine natürliche Gebirgsfestung bildet, nicht mitten von einander schneiden; die Nothwendigkeit hilft überhaupt über viele Fragen hin¬ weg, wo die Nationalität und der Volkswille nicht mehr aushelfen. Daß der Volkswille in Deutsch=Oesterreich durch und durch deutsch ist, kann ich Sie versichern. Das deutsche Nationalgefühl ist überall erst von kurzem Datum. Wenn daher hie und da noch sehr dunkle Begriffe herr¬ schen, so kann man dagegen nichts einwenden. Demun¬ geachtet sage ich, das deutsche Nationalgefühl in Deutsch¬ Oesterreich ist mächtig erwacht, und läßt sich nicht mehr unterdrücken. Man kann wohl von Ausnahmen sprechen, diese Ausnahmen sind vielleicht die Umgebung des Hofes, die Aristokratie, das Beamtenthum und das Militär, hier und da auch Manche, die aus Angst für Kreditverhältnisse Deutsch=Oesterreich nicht von dem übrigen Oesterreich ab¬ getrennt sehen wollen. Meine Herren! Das Gefehlte dieser Ansicht wurde bereits von einem Redner in der vo¬ rigen Woche beleuchtet und bewiesen. Wohl haben ganz natürlich viele Zeitungen in Oesterreich diesen materiellen Punkt immer und ewig hingestellt, und das ist häufig die ganze sogenannte Sympathie für ein ganzes, unge¬ theiltes Oesterreich. Meine Herren! Für den Anschluß Deutsch=Oesterreichs an Deutschland spricht auch die neueste Bewegung. Sie mögen diese nehmen, und mit Augen ansehen, wie sie wollen. Ich würde auch wünschen, daß die Studentenherrschaft einer andern Herrschaft, einer wei¬ sen, freien, geordneten Herrschaft weiche; aber, meine Herren, die ehrliche, die aufrichtige, warme und glühende Begeisterung dieser Jugend ist nicht zu verkennen, sie ist anzuerkennen (Beifall), sie hat mein Herz oft gehoben, und der Grund dieser Bewegung, welche Elemente auch darin sein mögen, ist ein deutscher. Als eine deutsche Be¬ wegung wird sie auch vorzüglich in den Provinzen auf¬ gefaßt. Ich kann hier von einem Lande sprechen, aus dem ich selbst bin, von Oberösterreich. In Oberösterreich sind sehr wenig radikale Momente, und doch hat sich fast Alles mit wenig Ausnahmen für die neueste Bewegung begeistert, weil man den Kern der Bewegung, und von dem Kerne handelt es sich, erkennt. (Beifall.) Man wird mir auf das, was ich von Volkswillen sprach, mit Böh¬

329 men und Mähren entgegenkommen. Meine Herren! Was die gar so große Antipathie des slavischen Volkes selbst gegen den Auschluß an Deutschland betrifft, — ich spreche nicht von den aufgeregten Massen, sondern von dem wahren Kerne des Volkes, — so glaube ich nicht daran. Viele wissen gar nicht, was sie wollen; wo aber diese Antipathicen stecken, weiß man, sie stecken in der slavischen Aristokratie, in dem slavischen Gelehrtenthum, welches sich in einem großen slavischen Reiche leichter auszuzeichnen glaubt, als in einem vereinzelten slavischen Gebiete des großen Deutschlands. Kann sich aber Böhmen leicht los¬ trennen, ist es möglich? Es ist fast ganz von Deutschen umgeben, die für die deutsche Sache glühen; Sie werden es in den Zeitungen gelesen haben. Würde es aber mög¬ lich sein, daß ein schmaler Keil, ein slavischer, durch und durch czechischer Keil wirklich so beharrlich in seiner Anti¬ pathie hält, sich lieber an eine ungewisse Zukunft Galli¬ ziens anschließt, und man fragte mich, ohne Aufopferung der deutschen Interessen, also für einen ganz slavischen Keil, wenn dieser beharrlich keinen Verband mit Deutsch¬ land will, was meine Ansicht wäre, ob man mit der Schärfe des Schwertes sie zwingen müßte. Meine Herren! Diese Frage will ich nicht beantworten, und verweise auf die Nothwendigkeit. Dort, wo die Nothwendigkeit gebietet, aber auch nur dort, und inwieweit die eigene Eristenz in Frage gestellt ist, ist es erlaubt, fremde Nationalitäten zu zwingen. Anders gestaltet sich das Verhältniß im Süden; dort ist die eiserne Nothwendigkeit da, dieser muß für Deutschland erhalten werden, dort kommen wir aber auch nicht in Verlegenheit, die Antipathieen für Deutschland sind geringer, die Mischung ist viel bunter, und die dor¬ tigen Interessen sind zu sehr an die deutschen Interessen geknüpft. Meine Herren! Wenn ich den Minoritäts¬ antrag durchgehe, so muß ich aufrichtig aussprechen, daß er nur in dynastischen Interessen sei; wie wenig aber die Parthei der sogenannten Schwarzgelben in Oesterreich einer allgemeinen Sympathie, einer Liebe im Volke sich zu er¬ freuen hat, das wissen Sie selbst aus den Zeitungen. Die Völker ließen sich viel gefallen, es müssen sich auch die Dynastieen etwas gefallen lassen. Meine Herren! Ich bin nicht ohne Pietät, doch möchte ich in dieser Beziehung mit zwei Worten einer Anekdote erwähnen. Der selige Kaiser Franz hatte eine solche Abneigung vor dem Worte „Konstitution,“ daß sein Leibarzt selbst in Beziehung auf An die B Eure Befreiung von den auf dem historischen Rechte beruhenden Lasten, diese Befreiung ist die erste Seg¬ nung, welche der Reichstag den Völkern Oesterreichs ge¬ bracht hat, und welche bereits am 7. September d. J. durch die Zustimmung des Kaisers zum Gesetze geworden ist. Hans Kudlich der Sohn eines schlesischen Bauers war es, der zu¬ *) Eingesendet. Wir glauben nach dem Grundsatze: audiatur et altera pars, gegenüber den maßlosen Angriffen der servilen Wiener Presse, diesen Auf¬ satz aufnehmen zu müssen. Die Red. seine Leibesbeschaffenheit dieses Wort nicht gebrauchen durfte. Jetzt hätte er sich auch daran gewöhnen müssen. (Heiterkeit.) Meine Herren! Ich verkenne nicht, daß Oesterreich noch eine große Zukunft haben kann. Oester¬ reich ist aber geschieden in zwei Theile, in Deutsch¬ Oesterreich und Nichtdeutsch=Oesterreich. Die Zukunft von Deutsch=Oesterreich ist in Deutschland, die Zukunft von Nichtdeutsch=Oesterreich ist im Osten und gegen den Osten, mag sich nun Oesterreich als Bun¬ desstaat, mag sich dasselbe als eine kompakte Masse, als einen ungetheilten slavisch=magyarisch=romanischen Staat gestalten, diese Mission kann es auch auf diese Weise er¬ füllen. Lassen Sie uns daher mit dem nichtdeutschen Oester¬ reich Hand in Hand gehen, lassen Sie uns innigst damit verbinden, lassen Sie uns Schutz= und Trutzbündnisse schließen; aber Deutsch=Oesterreich selbst fordern wir für uns als ein untrennbares Glied, welches zum Körper ge¬ hört. (Auf mehreren Seiten: Bravo!) Ich schließe, nur eine kurze Bemerkung noch. Ich bin kein blinder Verehrer von Revolutionen, schon nach meinem Naturell nicht, aber ich erkenne die Revolution als ein nothwendiges Uebel an, welches darin, in dieser Nothwendigkeit, seine Rechtfertigung, seinen Rechtstitel findet. Die letzte Revo¬ lution in Deutschland und Oesterreich war aber nothwen¬ dig, der Bildungsgang, die Ausbildung der Wissenschaft, das Selbstbewußtsein des Volkes, das Erwachen in jeder Beziehung hat sie verlangt, hervorgerufen. Benutzen Sie jetzt diese Revolution, um keine zweite hervorzurufen. Meine Herren! Ich will hier keinen Schreckschuß machen, es ist nicht meine Art; aber glauben Sie, daß, wenn diese Revolution nicht ganz ausgebeutet wird, wenn Sie Deutsch=Oesterreich fallen lassen, wenn Sie hier nicht als das handeln, als was Sie handeln müssen, nämlich als die Vertreter der Deutschen, die für ihr heiliges Recht sich annehmen müssen, so werden Sie schlimme, sehr schlimme Ereignisse hervorrufen. Thun Sie nichts halb, wir brau¬ chen Sie, Sie brauchen uns. (Stimmen: Sehr wahr!) Entschließen Sie sich daher, und sprechen Sie aus: Unter keiner Bedingung werden wir Deutsch=Oesterreich fallen lassen. Deutsch=Oesterreich gehört zu uns, wie jeder an¬ dere Theil. Rechnen Sie darauf, daß die Herzen Ihnen entgegenschlagen, und, ich will den Fall nicht herbei¬ rufen, — aber erforderlichen Falles, rechnen Sie auch auf unsere Arme. (Bravo!) auern.?) erst**) seine Stimme für Euch erhob, der forderte, daß Euch die ewigen Rechte zurückgegeben werden, die an den Sternen droben hangen unveräußerlich. Kein anderer Stand erfreut sich eines Vertreters von so entschiedener Auffassung seiner Zustände. Für den Bürgerstand, dessen Verhältnisse mannigfaltiger ver¬ flochten sind, der eine viel härtere Bevormundung ertragen mußte und in seinem Gewerbe viel abhängiger ist für diesen Stand ist noch nichts geschehen. Hans Kudlich hat Die Red.

330 durch sein kräftiges Wort den Haß, die Rache der Privi¬ legirten gegen sich aufgerufen, und die Tageblätter Wiens, die jetzt unter dem schwarzgelben Banner erscheinen, be¬ sonders der „Zuschauer“ machen es sich zur Aufgabe, Euern Verfechter und Vertreter Hans Kudlich auf jede erdenkliche Art zu schmähen und zu verleumden. Sie — die jetzt die wahre Schandpresse sind, begnügen sich damit aber nicht, blos auf den Einzelnen alle ihre Lügen zu schleudern, die reine Begeisterung für Recht und Freiheit schmachvoll zu entstellen — wie die Vandalen einst Roms edelste Kunst¬ werke verstümmelten, deren Werth sie nicht kannten, sie fallen auch her über alle Männer, die am Reichstage durch Talent sich auszeichneten und in herrlicher Begeiste¬ rung das Recht der Freiheit, das älter ist als alle Wap¬ penschilder der Welt, vertreten. Sie wollen diese Männer, und mit ihnen auch den Hans Kudlich, hinausdrängen aus den Hallen, in denen jene Grundgesetze ihre Gestaltung erhalten sollen, auf denen allein in Zukunft Staaten bestehen können. Sie, die die Bewegungen der Völker für das Werk einer Umsturzparthei, für das Werk von einigen unerfah¬ renen Schwärmern ausgeben, sind sie denn wirklich so ver¬ blendet, so fremd in der Geschichte der Menschen, daß sie nicht wissen, wie Einzelne über das Volk nur dann etwas vermögen, wenn sie Gefühle und Wünsche aussprechen die längst in der Brust eines Jeden erwacht waren, unt nur des Ausdruckes ermangelten? Die Freiheit, vernünftige gesetzliche Freiheit, ist kein leerer Wahn; sie ist das wahre historische Recht der Völ¬ ker, welches aber im Laufe der Jahrhunderte immer mehr unterdrückt wurde. Ich frage: „was thun denn Jene, welche jetzt ihren gellenden Verdammungsruf über Demokraten und Wühler in die Welt hinausschreien, was thun sie denn für das Volk? Sind sie es vielleicht, welche dem Volke auch nur die Grundwahrheiten über den Staat und dessen Zwecke, über die Rechte und Pflichten des Fürsten und der Staats¬ bürger in faßlicher Art darstellen?“ Nein! Das thun sie nicht; aber sie schmähen und verdächtigen Jene, die es thun, und bemühen sich dem Volke alle jene Män¬ ner zu rauben, die für selbes uneigennützig und ehr¬ lich handeln und schreiben. Das, o Volk! nimm nicht stillschweigend hin! Sprich es aus in kräftigen Worten, daß du bereits so weit er¬ wacht und mündig geworden bist, um deine Freunde von deinen Feinden, um Recht von Unrecht, Wahrheit von Unwahrheit zu unterscheiden. Erinnert Euch, ihr lieben Landleute, an die Geschichte der Gründung des Christenthums! an die Apostel desselben. Es waren Männer aus dem Volke, die von der Wahr¬ heit begeistert auftraten mit einfachen, aber durch die Kraft der Wahrheit eindringenden Worten zu allem Volke spra¬ chen. Wer waren ihre Gegner? waren es die Freunde des Volkes? und hat man nicht selbst Christus beschuldigt: er strebe nach einer irdischen Krone? Die Schriftgelehrten und Pharisäer, welche Sekte auch heutzutage noch weitverbreitet in allen Ständen ihre Glie¬ der hat, diese waren es, welche Jenen, dessen Worte sie nicht widerlegen konnten, tödteten. Haben sie damit auch die Wahrheit getödtet? Nein! denn diese ist göttlich, da¬ her auch unsterblich, und Gott hat sie seither oft und wiederholt geoffenbaret durch einzelne erleuchtete Männer. Diese Wahrheit ist es aber auch, die wir in unseren Tagen brauchen, sollen die Staaten nicht zerfallen wie Kartenhäuser, und soll nicht unser Welttheil mit Blut ge¬ tränkt die schauerliche Lehre erhalten, „daß Völker und Fürsten wie Spreu verweht werden, wenn sie nicht Recht und Wahrheit zu den Grundlagen der Staaten machen.“ Die Tage liegen noch nicht weit hinter uns, in denen Wiens Schicksal noch schwebte und in uns Allen Ein Ge¬ fühl banger Besorgniß darüber waltete. War es ein Verbrechen, wenn Einzelne laut es aus¬ sprachen: „wir dürfen Wien nicht fallen lassen, denn dort steht die Burg des Kaisers, dort sind unsere Vertreter ver¬ sammelt. Es ist unser, des Volkes Recht, das dort be¬ lagert und eingeschlossen wird!“ War es ein Verbrechen, daß Andere, fühlend, welche Interessen uns Alle an das Herz der Monarchie knüpfen, wo unsere Jünglinge den Heldenkampf für die Freiheit wagten, — selbst hinzogen und in die Reihen der Kämpfer sich stellten? Sind es jetzt nicht dieselben Gefühle, die von den Behörden selbst aufgerufen werden, um Gaben jeder Art für die Verun¬ glückten zu sammeln? Diese Gefühle, welche auch Hans Kudlich ausge¬ sprochen hat, diese will man ihm und Anderen jetzt zum Verbrechen machen! Aber davon spricht und schreibt man nicht, daß er bei der Erstürmung des Zeughauses als Par¬ lamentär, während der Fahnenträger an seiner Seite er¬ schossen wurde, im ärgsten Kugelregen unerschüttert stand und Hunderten unserer Brüder das Leben rettete! Dieß sind Thaten jenes Muthes und jener Schwär¬ merei, deren die seelenlosen Diener jeder Gewalt nicht fähig sind, die sie daher auch nicht begreifen. Fürst Windischgrätz, wenn er die elende Kriecherei der Presse seit dem 1. November kennen würde, müßte sie ent¬ rüstet zerschlagen lassen. Landleute! die Ihr jetzt als freie Staatsbürger auf Euern Höfen in dem Vaterlande wohnet, zeigt Euch auch als solche. Versammelt Euch in Euern Dörfern, laßt Euch durch einen ehrlichen Mann ein freies kräftiges Wort aufsetzen und sendet es dem Reichstage. Verlangt alsbald, daß an die Stelle politischer Verfolgung die Versöhnung trete; verwahrt Euch gegen den Vorwurf der Undankbar¬ keit und lasset nicht zu, daß man die besten, edelsten und aufgeklärtesten Männer aus den Reihen Eurer Vertreter verleumde und hinausdränge. Dieß ist eine Handlung, die Euer Interesse Euch ebenso gebietet, als es freier deutscher Männern würdig ist. Schilcher. Puchberg am 16. Dezember 1848. Mit einem Anzeiger Nr. 38 und einer politischen Wochenschau Nr. 10. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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