Zwanglose Blätter, Nr. 79, vom 16. Dezember 1848

330 durch sein kräftiges Wort den Haß, die Rache der Privi¬ legirten gegen sich aufgerufen, und die Tageblätter Wiens, die jetzt unter dem schwarzgelben Banner erscheinen, be¬ sonders der „Zuschauer“ machen es sich zur Aufgabe, Euern Verfechter und Vertreter Hans Kudlich auf jede erdenkliche Art zu schmähen und zu verleumden. Sie — die jetzt die wahre Schandpresse sind, begnügen sich damit aber nicht, blos auf den Einzelnen alle ihre Lügen zu schleudern, die reine Begeisterung für Recht und Freiheit schmachvoll zu entstellen — wie die Vandalen einst Roms edelste Kunst¬ werke verstümmelten, deren Werth sie nicht kannten, sie fallen auch her über alle Männer, die am Reichstage durch Talent sich auszeichneten und in herrlicher Begeiste¬ rung das Recht der Freiheit, das älter ist als alle Wap¬ penschilder der Welt, vertreten. Sie wollen diese Männer, und mit ihnen auch den Hans Kudlich, hinausdrängen aus den Hallen, in denen jene Grundgesetze ihre Gestaltung erhalten sollen, auf denen allein in Zukunft Staaten bestehen können. Sie, die die Bewegungen der Völker für das Werk einer Umsturzparthei, für das Werk von einigen unerfah¬ renen Schwärmern ausgeben, sind sie denn wirklich so ver¬ blendet, so fremd in der Geschichte der Menschen, daß sie nicht wissen, wie Einzelne über das Volk nur dann etwas vermögen, wenn sie Gefühle und Wünsche aussprechen die längst in der Brust eines Jeden erwacht waren, unt nur des Ausdruckes ermangelten? Die Freiheit, vernünftige gesetzliche Freiheit, ist kein leerer Wahn; sie ist das wahre historische Recht der Völ¬ ker, welches aber im Laufe der Jahrhunderte immer mehr unterdrückt wurde. Ich frage: „was thun denn Jene, welche jetzt ihren gellenden Verdammungsruf über Demokraten und Wühler in die Welt hinausschreien, was thun sie denn für das Volk? Sind sie es vielleicht, welche dem Volke auch nur die Grundwahrheiten über den Staat und dessen Zwecke, über die Rechte und Pflichten des Fürsten und der Staats¬ bürger in faßlicher Art darstellen?“ Nein! Das thun sie nicht; aber sie schmähen und verdächtigen Jene, die es thun, und bemühen sich dem Volke alle jene Män¬ ner zu rauben, die für selbes uneigennützig und ehr¬ lich handeln und schreiben. Das, o Volk! nimm nicht stillschweigend hin! Sprich es aus in kräftigen Worten, daß du bereits so weit er¬ wacht und mündig geworden bist, um deine Freunde von deinen Feinden, um Recht von Unrecht, Wahrheit von Unwahrheit zu unterscheiden. Erinnert Euch, ihr lieben Landleute, an die Geschichte der Gründung des Christenthums! an die Apostel desselben. Es waren Männer aus dem Volke, die von der Wahr¬ heit begeistert auftraten mit einfachen, aber durch die Kraft der Wahrheit eindringenden Worten zu allem Volke spra¬ chen. Wer waren ihre Gegner? waren es die Freunde des Volkes? und hat man nicht selbst Christus beschuldigt: er strebe nach einer irdischen Krone? Die Schriftgelehrten und Pharisäer, welche Sekte auch heutzutage noch weitverbreitet in allen Ständen ihre Glie¬ der hat, diese waren es, welche Jenen, dessen Worte sie nicht widerlegen konnten, tödteten. Haben sie damit auch die Wahrheit getödtet? Nein! denn diese ist göttlich, da¬ her auch unsterblich, und Gott hat sie seither oft und wiederholt geoffenbaret durch einzelne erleuchtete Männer. Diese Wahrheit ist es aber auch, die wir in unseren Tagen brauchen, sollen die Staaten nicht zerfallen wie Kartenhäuser, und soll nicht unser Welttheil mit Blut ge¬ tränkt die schauerliche Lehre erhalten, „daß Völker und Fürsten wie Spreu verweht werden, wenn sie nicht Recht und Wahrheit zu den Grundlagen der Staaten machen.“ Die Tage liegen noch nicht weit hinter uns, in denen Wiens Schicksal noch schwebte und in uns Allen Ein Ge¬ fühl banger Besorgniß darüber waltete. War es ein Verbrechen, wenn Einzelne laut es aus¬ sprachen: „wir dürfen Wien nicht fallen lassen, denn dort steht die Burg des Kaisers, dort sind unsere Vertreter ver¬ sammelt. Es ist unser, des Volkes Recht, das dort be¬ lagert und eingeschlossen wird!“ War es ein Verbrechen, daß Andere, fühlend, welche Interessen uns Alle an das Herz der Monarchie knüpfen, wo unsere Jünglinge den Heldenkampf für die Freiheit wagten, — selbst hinzogen und in die Reihen der Kämpfer sich stellten? Sind es jetzt nicht dieselben Gefühle, die von den Behörden selbst aufgerufen werden, um Gaben jeder Art für die Verun¬ glückten zu sammeln? Diese Gefühle, welche auch Hans Kudlich ausge¬ sprochen hat, diese will man ihm und Anderen jetzt zum Verbrechen machen! Aber davon spricht und schreibt man nicht, daß er bei der Erstürmung des Zeughauses als Par¬ lamentär, während der Fahnenträger an seiner Seite er¬ schossen wurde, im ärgsten Kugelregen unerschüttert stand und Hunderten unserer Brüder das Leben rettete! Dieß sind Thaten jenes Muthes und jener Schwär¬ merei, deren die seelenlosen Diener jeder Gewalt nicht fähig sind, die sie daher auch nicht begreifen. Fürst Windischgrätz, wenn er die elende Kriecherei der Presse seit dem 1. November kennen würde, müßte sie ent¬ rüstet zerschlagen lassen. Landleute! die Ihr jetzt als freie Staatsbürger auf Euern Höfen in dem Vaterlande wohnet, zeigt Euch auch als solche. Versammelt Euch in Euern Dörfern, laßt Euch durch einen ehrlichen Mann ein freies kräftiges Wort aufsetzen und sendet es dem Reichstage. Verlangt alsbald, daß an die Stelle politischer Verfolgung die Versöhnung trete; verwahrt Euch gegen den Vorwurf der Undankbar¬ keit und lasset nicht zu, daß man die besten, edelsten und aufgeklärtesten Männer aus den Reihen Eurer Vertreter verleumde und hinausdränge. Dieß ist eine Handlung, die Euer Interesse Euch ebenso gebietet, als es freier deutscher Männern würdig ist. Schilcher. Puchberg am 16. Dezember 1848. Mit einem Anzeiger Nr. 38 und einer politischen Wochenschau Nr. 10. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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