Zwanglose Blätter, Nr. 75, vom 2. Dezember 1848

312 Wien und die Provinzen. Kein tolleres Versehen kann sein, Gibst einem ein Fest, und lädst ihn nicht ein. Der Kosmopolit. Stämme wollen gegen Stämme pochen, Kann doch einer was der andre kann! Steckt doch Mark in jedem Knochen, Und in jedem Hemde steckt ein Mann. Den Angreifern. Wie wollten die Fischer sich nähren und retten, Wenn die Frösche sämmtlich Zähne hätten. Den Pasquillanten. A. Man hat ein Schimpflied auf dich gemacht, Es hat's ein böser Feind erdacht. B. Dauert nicht so lang in den Landen Als das: Christ ist auferstanden. Der Unverzagte seinen Freunden und Feinden. „Bist du denn nicht auch zu Grund gerichtet? Von deinen Hoffnungen trifft nichts ein!“ Die Hoffnung ist's, die sinnet und dichtet, Und da kann ich noch immer lustig sein. Nicht Alles ist an eins gebunden, Seid nur nicht mit euch selbst im Streit Mit Liebe endigt man, was man erfunden; Was man gelernt, mit Sicherheit. Prinzenhofmeister. Wer ist denn der souveraine Mann? „Das ist bald gesagt: Der, dem man nicht hindern kann, Ob er nach Gutem oder Bösem jagt.“ 8365 Epilog. Diese Pfeile sind von meinem Bogen gekommen, Aber nicht aus meinem Köcher genommen; Sind schon euren Vätern im Fleische gesessen, Haben doch nicht das Treffen vergessen. Schuselka im Reichstage zu Kremsier. (Dessen Rede am 22. November.) Meine Herren! Es sind heute die Blicke Europa's auf das kleine in ländlicher Abgeschiedenheit liegende Krem¬ sier gerichtet, und wahrlich, Kremsier wird jetzt fortan einen Platz in der Geschichte erhalten. Wir müssen aber nun der Welt Rechenschaft geben, warum wir den in Wien abgerissenen Faden wieder in Kremsier anknüpfen. So lange der Reichstag in Wien beschlußfähig war, hat er gegen die Vertagung nach Kremster gestimmt, und aus¬ gesprochen, daß Wien in seiner festbegründeten Eigenschaft als Hauptstadt der Monarchie der Sitz des Reichstages bleiben müsse; auf die dießfalls gemachten Vorstellungen hat Seine Majestät nichts erwiedert. — Bei der letzten Sitzung am 1. November waren noch 136 Mitglieder ver¬ sammelt. Diese Sitzung ist aber eine geheime geblieben, denn ein k. k. General — ein Mann, der, wie es heißt, jetzt als Ministerpräsident die Leitung der Angelegenheiten Oester¬ reichs übernehmen wird (Fürst Schwarzenberg), hat die Thore des Reichstagslokals schließen lassen. Hätte er dieß nicht gethan, so wären damals gewiß mehr als 136 Ab¬ geordnete anwesend gewesen. Diese durch Gewalt herbei¬ geführte geheime Sitzung wurde auf den 15. November vertagt und zwar für Wien um 5 Uhr Nachmittags.- Da sich an jenem Tage die Herren Abgeordneten zu Wien nicht versammelten, und bei dem Umstande, daß sich die meisten jener 136 Herren hier in Kremsier befinden, sehe ich es als Folge parlamentarischer Ueberzeugung an, daß es der Wille der Majorität dieses Hauses ist: in Krem¬ sier tagen zu wollen. Diesem Willen, dieser Majo¬ rität füge ich mich und gehorche ihr, damit keine Spal¬ tungen im Reichstage entstehen, ich spreche aber der Krone und der Regierung das Recht ab, für sich allein einseitig den Reichstag nach Belieben bald da= bald dorthin zu verlegen; denn dieß hieße den Reichstag terrorisiren und in der Entwickelung seiner Aufgabe stören. — Mit dieser meiner Erklärung begnüge ich mich und stelle keinen andern Antrag und wünsche nur: daß das Unglück, welches über das schöne Oesterreich eingebrochen, bald ende und daß namentlich Wien, das in so schwere Leiden ver¬ setzte Wien, durch uns auch seine Errettung finden möge. (Beifall von der rechten und linken Seite.)

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