Zwanglose Blätter, Nr. 75, vom 2. Dezember 1848

Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Nro. Steyr am 2. Dezember 1848. 75. Warum werden die Dichter beneidet? Weil Unart sie zuweilen kleidet. Goethe. Altmeister Goethe als Epigrammatist dieser Tage. Der Friedensbringer. Der entschließt sich doch gleich, Den heiß' ich brav und kühn! Er springt in den Teich, Dem Regen zu entflieh'n. Deutschland am 15. November 1848. Die Art erklingt, da blinkt schon jedes Beil, Die Eiche fällt — und jeder holzt sein Theil. Le chevalier fantastique. „So still und so sinnig! Es fehlt dir was, gesteh' es frei!“ Zufrieden bin ich - Aber mir ist nicht wohl dabei. Die Gemäßigten. Die Deutschen sind ein gut Geschlecht, Ein jeder sagt: „Will nur was recht. Recht aber soll vorzüglich heißen, Was ich und meine Gevattern preisen. Das Uebrige ist ein weitläufig Ding, Das schätz' ich lieber gleich gering.“ Er. Ich schreibe nicht euch zu gefallen, Ihr sollt was lernen! Sie. „Ist denn das klug und wohl gethan? Was willst du Freund' und Feinde kränken?“ Er. Erwachs’ne geh'n mich nichts mehr an, Ich muß nun an die Enkel denken. Wer in der Weltgeschichte lebt — Dem Augenblick sollt' er sich richten? Wer in die Zeiten schaut und strebt, Nur der ist werth zu sprechen und zu dichten. Pensionirter Staatsrath. Ruhig soll ich hier verpassen Meine Müh' und Fleiß; Alles soll ich gelten lassen, Was ich besser weiß! —? Konstituirende Reichstage. Viele Köche versalzen den Brei, Bewahr' uns Gott vor vielen Dienern! Wir aber sind, gesteht es frei, Ein Lazareth von Medizinern. Ein Sohn der neuen Zeit und die Kinder des Rathskellers. Sie. „Warum willst du dich von uns Und unsrer Meinung entfernen?“ Unbeschränkte Vollmacht. Du treibst mir's gar zu toll - Ich fürcht' es breche! Nicht jeden Wochenschluß Macht Gott die Zeche.

312 Wien und die Provinzen. Kein tolleres Versehen kann sein, Gibst einem ein Fest, und lädst ihn nicht ein. Der Kosmopolit. Stämme wollen gegen Stämme pochen, Kann doch einer was der andre kann! Steckt doch Mark in jedem Knochen, Und in jedem Hemde steckt ein Mann. Den Angreifern. Wie wollten die Fischer sich nähren und retten, Wenn die Frösche sämmtlich Zähne hätten. Den Pasquillanten. A. Man hat ein Schimpflied auf dich gemacht, Es hat's ein böser Feind erdacht. B. Dauert nicht so lang in den Landen Als das: Christ ist auferstanden. Der Unverzagte seinen Freunden und Feinden. „Bist du denn nicht auch zu Grund gerichtet? Von deinen Hoffnungen trifft nichts ein!“ Die Hoffnung ist's, die sinnet und dichtet, Und da kann ich noch immer lustig sein. Nicht Alles ist an eins gebunden, Seid nur nicht mit euch selbst im Streit Mit Liebe endigt man, was man erfunden; Was man gelernt, mit Sicherheit. Prinzenhofmeister. Wer ist denn der souveraine Mann? „Das ist bald gesagt: Der, dem man nicht hindern kann, Ob er nach Gutem oder Bösem jagt.“ 8365 Epilog. Diese Pfeile sind von meinem Bogen gekommen, Aber nicht aus meinem Köcher genommen; Sind schon euren Vätern im Fleische gesessen, Haben doch nicht das Treffen vergessen. Schuselka im Reichstage zu Kremsier. (Dessen Rede am 22. November.) Meine Herren! Es sind heute die Blicke Europa's auf das kleine in ländlicher Abgeschiedenheit liegende Krem¬ sier gerichtet, und wahrlich, Kremsier wird jetzt fortan einen Platz in der Geschichte erhalten. Wir müssen aber nun der Welt Rechenschaft geben, warum wir den in Wien abgerissenen Faden wieder in Kremsier anknüpfen. So lange der Reichstag in Wien beschlußfähig war, hat er gegen die Vertagung nach Kremster gestimmt, und aus¬ gesprochen, daß Wien in seiner festbegründeten Eigenschaft als Hauptstadt der Monarchie der Sitz des Reichstages bleiben müsse; auf die dießfalls gemachten Vorstellungen hat Seine Majestät nichts erwiedert. — Bei der letzten Sitzung am 1. November waren noch 136 Mitglieder ver¬ sammelt. Diese Sitzung ist aber eine geheime geblieben, denn ein k. k. General — ein Mann, der, wie es heißt, jetzt als Ministerpräsident die Leitung der Angelegenheiten Oester¬ reichs übernehmen wird (Fürst Schwarzenberg), hat die Thore des Reichstagslokals schließen lassen. Hätte er dieß nicht gethan, so wären damals gewiß mehr als 136 Ab¬ geordnete anwesend gewesen. Diese durch Gewalt herbei¬ geführte geheime Sitzung wurde auf den 15. November vertagt und zwar für Wien um 5 Uhr Nachmittags.- Da sich an jenem Tage die Herren Abgeordneten zu Wien nicht versammelten, und bei dem Umstande, daß sich die meisten jener 136 Herren hier in Kremsier befinden, sehe ich es als Folge parlamentarischer Ueberzeugung an, daß es der Wille der Majorität dieses Hauses ist: in Krem¬ sier tagen zu wollen. Diesem Willen, dieser Majo¬ rität füge ich mich und gehorche ihr, damit keine Spal¬ tungen im Reichstage entstehen, ich spreche aber der Krone und der Regierung das Recht ab, für sich allein einseitig den Reichstag nach Belieben bald da= bald dorthin zu verlegen; denn dieß hieße den Reichstag terrorisiren und in der Entwickelung seiner Aufgabe stören. — Mit dieser meiner Erklärung begnüge ich mich und stelle keinen andern Antrag und wünsche nur: daß das Unglück, welches über das schöne Oesterreich eingebrochen, bald ende und daß namentlich Wien, das in so schwere Leiden ver¬ setzte Wien, durch uns auch seine Errettung finden möge. (Beifall von der rechten und linken Seite.)

313 Zur Geschichte des Tages. Auch Herr Anton Ritter von Spaun hat jetzt de dato 26. November 1848 in der deutschen Anschlußfrage sein entscheidendes Votum gegeben, das sich in dem Satze kon¬ zentrirt: „Nur Oesterreichs Völker mit ihrer Regierung sind berufen zu erklären, unter welchen Bedingnissen, mit welchen Mitteln und Gebieten sie sich dem großen Deutsch¬ lande anschließen wollen oder können.“ Bezüglich dieses Ausdruckes „können“ dürfte eine freimüthige und gründ¬ liche Untersuchung des Verhältnisses der März= und Mai¬ revolution, der kaiserlichen Zugeständnisse und der prag¬ matischen Sanktion zu einander sehr fruchtbar sein, aber die Witterung ist dem Unternehmen nicht gün¬ stig. Doch erlauben wir uns zu bemerken, daß wir der Meinung sind, Niemand Anderer als Oesterreichs Völker und ihre Regierung hätten unsere Abgeordneten nach Frank¬ furt geschickt, und nach der beschlossenen Geschäftsordnung, da man doch wußte, wie die Stimmen der Einzelnen sich zu denen der Majorität verhalten würden, dieselben dort belassen, mithin hatten sich Oesterreichs Völker und ihre Regierung den Eventualitäten einer Majorität ohne Protest im Voraus unterworfen. Irren wir uns aber in alledem, warum wurden dann unsere Deputirte nach Frank¬ furt geschickt? Doch nicht blos darum, um das damals für konstitutionelle Freiheit und seine Nationalität begei¬ sterte Volk vorderhand zu beschäftigen und zu beschwichtigen? Man fängt jetzt in einigen Wahlbezirken an in den konstituirenden Reichstag mit Vorliebe und allerdings zum Danke einer Parthei, höhere Staatsbeamte zu wählen. Man führt an, daß ihre Praris unter dem alten Systeme für die Belebung des neuen von großem Nutzen sein werde. Somit müßte der, welcher in seinem Leben am heftigsten an den Zähnen litt, der beste Zahnarzt sein. Gewisse praktische Handgriffe sind freilich unentbehrlich, aber die erwirbt ein fündiger Kopf in fünf Jahren ebenso leicht, als in fünfzig, und ebenso verhält es sich auch mit den positiven Grundlagen — aber zu einem Deputirten, wie er sein soll, gehören wohl höhere Fähigkeiten, als z. B. zu einem Kreishauptmanne, wie er (damals als er's wurde) sein sollte. Zufällig fällt uns hier eine Anekdote aus dem Leben des berühmten englischen Schauspielers Garrik ein. Als man in ihn drang eine Deputirtenstelle anzunehmen, sagte er: Ich will lieber auf dem Theater eine große Rolle spielen, als im Parlamente die Rolle eines Dummkopfes. & Die zwei Partheien, welche einander gegenüber stehen, sind die demokratische und die konservative die man auch schwarzgelb schilt. Beide befinden sich in der nämlichen Lage. Die Demokraten ergehen sich in wolken¬ vollen Luftgebilden, und finden für ihre Theorieen wenig Grund und Boden; die Konservativen können hinwieder aus ihren alten Erinnerungen nicht heraus und schieben alles Unheil auf die neue Freiheit. Die alte Parthei will die Lilie auf dem Felde und der Vogel in der Luft sein. Die Freiheit soll ihr Ehre und Schätze bringen, dann will sie sie als Braut nach Hause führen. Sie hat die Sklavenketten zu lange getragen, so daß ihr Ohr an dem Klirren der Ketten keinen Mißton mehr findet. Wer an der Freiheit keinen andern als einen materiellen Ma߬ stab anlegen kann, der kann sie freilich nicht genießen, denn er hat keinen Sinn für sie. Die Freiheit ist für den wahren Staatsbürger und nicht Spießbürger, das, was die reine Luft für den Körper ist. Die reine Luft sättigt nicht den Körper, aber sie hält ihn gesund. Man liest im Moniteur, der französischen Staats¬ zeitung: „Die Zeitungen von Köln und Augsburg sprachen jüngst von einem Glückwünschungsbriefe des Konseilpräsi¬ denten Cavaignac an den General Windischgrätz. Diese Behauptung ist eine jener erbärmlichen Verleumdungen, deren Zielscheibe der Konseilpräsident ist. Sie verdient kaum die Ehre einer Widerlegung.“ Politische Wochenschau. Deutschland. Frankfurt. Präsident v. Gagern hat am 24. d. M. einen achttägigen Urlaub genommen, um sich von den für das Schicksal des Vaterlandes so entscheidenden Zuständen in Berlin durch eigene Anschauung zu unterrichten. Er ist auch noch an selbem Tage mit dem für einen Augen¬ blick von Berlin zurückgekehrten Herrn Simson nach der preußischen Hauptstadt abgereist. Am 3. Nov. l. J. ist das Reichsministerium durch den Beschluß der konstituirenden Nationalversammlung aufge¬ fordert worden, die Anerkennung der deutschen Central¬ gewalt in Oesterreich zur vollen Geltung zu bringen, die Interessen Deutschlands in Oesterreich überall zu wahren, und die den österreichisch=deutschen Völkern zugestandenen Rechte und Freiheiten gegen alle Angriffe in Schutz zu nehmen; — in welcher Art dieser Beschluß ausgeführt wurde, lehrt uns die Geschichte der letzten Wochen: weder die Reichskommissäre Welcker und Mosle konnten sich den österreichischen Autoritäten gegenüber jene Achtung ver¬ schaffen, welche der Centralgewalt und ihren Kommissären gebührt; noch auch wußte sich das Reichsministerium gegen¬

314 über Oesterreich jene Stellung zu erwirken, die sie jedem Einzelstaate gegenüber einzunehmen hat. Dieses erweist sich aus den Aktenstücken, welche auf die Sendung der Reichskommissäre Welcker und Mosle Bezug haben. Beide Herren sind nicht blos von Windischgrätz, sondern auch vom Minister Wessenberg, wie von dem kaiserlichen Hofe ganz rücksichtlos behandelt und, wenn angehört, theils mit Barschheit, theils mit ausweichender Höflichkeit zurückge¬ wiesen worden. Es ist erwiesen, daß, so lange die jetzigen Machthaber das Uebergewicht haben, an die Ausführung der §§. 2 und 3 bezüglich Oesterreichs nicht zu denken sei. Deutschthum und Demokratie scheinen bei dem kaiserlichen Hofe und bei dem Ministerium gleichbedeutend; und die den Reichskommissären von betreffenden Orten gemachten Zusicherungen, „daß die Gesinnung in Oberösterreich sehr deutsch sei, und daß man von hier aus mit den Provinzen Tirol, Kärnthen und Steyermark für die Erhaltung der Vereinigung mit Deutschland mit Erfolg in Unterhandlung getreten sei,“ kann zur Zeit nur wenig in Betracht kom¬ men, daher am 22. November die konstituirende Reichs¬ versammlung das Reichsministerium auffordert: 1) mit allem Nachdruck dahin zu wirken, daß jener Beschluß vom 3. November zum Vollzug komme, und daß die über Wien verhängten Ausnahmsmaßregeln nach wiederhergestellter Ordnung und Ruhe alsbald aufgehoben werden; 2) durch den neuerlich nach Oesterreich bestimmten Reichskommissär ohne ferneren Aufschub die offene und unumwundene An¬ erkennung der deutschen Centralgewalt, wie die Durchfüh¬ rung der Beschlüsse der konstituirenden deutschen Reichs¬ versammlung in den deutschen Provinzen Oesterreichs zu erwirken. — Das ist endlich einmal eine Frage geradehin gestellt, und muß wohl auch ebenso beantwortet werden, und wir erfahren doch endlich auch: wem wir in Zukunft angehören. Preußen. Berlin. Der Abgeordnete Kirchmann nennt als Bedingungen einer Vergleichung zwischen Krone und Reichs¬ versammlung als die nothwendige Garantie dafür, daß es mit der konstitutionellen Staatsform voller Ernst sei: 1) die Verhaftung der jetzigen Minister und des Generals v. Wrangel und die Ueberweisung derselben an die Gerichte zur Kri¬ minaluntersuchung; 2) die Auflösung des Gardekorps die sofortige Entfernung aller seit dem 9. in Berlin eingerückten Truppen; 3) eine unmittelbare und tägliche Verbindung zwischen den Ministern und der Krone, damit jene die wirklichen und alleinigen Räthe dieser bilden könnten; 4) die Entfernung der ganzen jetzigen reaktionären Umgebung der Krone, sowie die Verlegung des Wohnsitzes Sr. Ma¬ jestät des Königs nach Charlottenburg oder Berlin, damit der König täglich den Berathungen des Staatsministeriums beiwohnen könne. Breslau. Trotz der großen Erregung gegen die Regierung, trotz der lebhaften Sympathieen für Berlin und die noch tagende Nationalversammlung, wie sie in der Bürgerschaft von Breslau unleugbar sind ist diese doch entschieden gegen gewaltsame Schritte, weil sie fühlt, daß solche leicht einen Zustand herbeiführen könnten, aus wel¬ chem der Rückweg zu irgend einem behaglichen Dasein schwerer wäre, als aus der jetzigen bedrückten Lage zur Freiheit. Als daher Schlöffel mit seinen Anhängern, den sogenannten Rothen, einige Tausend für Ungarn bestimmte Gewehre, die eben bei einem Spediteur angekommen wa¬ ren, mit Gewalt sich zueignen wollten, widersetzte sich der davon benachrichtigte Sicherheitsausschuß unter Beistand der Bürgerwehr. Italien. Oesterreichisches. Die Venetianer haben am 19. November aus dem Fort Malghera einen Ausfall ge¬ macht. In Padua war bei völliger Windstille der Donner der Kanonen in der Richtung von Mestre her deutlich zu vernehmen. Er begann gegen 11 Uhr Vormittags, wurde immer heftiger bis 2 Uhr, ließ dann mehr und mehr nach, und war gegen 5 Uhr Nachmittags völlig verstummt. Die Kolonne des Obersten Jellachich, die in Stra und Dolo lag, hatte sich gegen Mestre gewandt, und um 8 Uhr Abends sind 3 Kompagnien Infanterie mit Geschütz in jene Richtung abgerückt, um als Reserve dem Kampfplatze näher sich aufzustellen. Am 20. Vormittags hörte man von Zeit zu Zeit wieder das Brummen des schweren Geschützes, welches jedoch bald wieder verstummte. Positive Nach¬ richten über den Ausgang fehlen noch. Ein siegreicher Erfolg dürfte für unsere Truppen sehr nothwendig sein, da die bedeutenden Schlappen, welche das Cernirungskorps vor Venedig bereits erlitten, einen sehr ungünstigen Ein¬ druck auf die Armee gemacht hat. Man hatte erwartet, daß Radetzky, Herr vom ganzen lombardisch=venetianischen Königreiche, mit Kraft und Nach¬ druck gegen Venedig auftreten werde, und so bleibt es immer noch bei der bloßen Cernirung längs der ungesunden Strecken der terra ferma, welche der Armee bereits weit mehr Opfer gekostet, als die Eroberung des Forts Malg¬ hera, des Schlüsselpunktes der Landseite, gefordert hätte. Zwar wurde schon einmal eine Bewerfung jenes Forts vorgenommen, jedoch mit so wenig Nachdruck und so ge¬ ringen Mitteln, daß dem Venetianer dadurch mehr Zuver¬ sicht und Muth als Schrecken beigebracht wurde. Es fehlt an Geschütz noch mehr als an Truppen. Wie aber der sardinische König den Waffenstillstand zu halten beliebt, zeigt die Erscheinung seiner Flotte in den Gewässern Venedigs. Mit einem Anzeiger Nr. 37. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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