Zwanglose Blätter, Nr. 75, vom 2. Dezember 1848

314 über Oesterreich jene Stellung zu erwirken, die sie jedem Einzelstaate gegenüber einzunehmen hat. Dieses erweist sich aus den Aktenstücken, welche auf die Sendung der Reichskommissäre Welcker und Mosle Bezug haben. Beide Herren sind nicht blos von Windischgrätz, sondern auch vom Minister Wessenberg, wie von dem kaiserlichen Hofe ganz rücksichtlos behandelt und, wenn angehört, theils mit Barschheit, theils mit ausweichender Höflichkeit zurückge¬ wiesen worden. Es ist erwiesen, daß, so lange die jetzigen Machthaber das Uebergewicht haben, an die Ausführung der §§. 2 und 3 bezüglich Oesterreichs nicht zu denken sei. Deutschthum und Demokratie scheinen bei dem kaiserlichen Hofe und bei dem Ministerium gleichbedeutend; und die den Reichskommissären von betreffenden Orten gemachten Zusicherungen, „daß die Gesinnung in Oberösterreich sehr deutsch sei, und daß man von hier aus mit den Provinzen Tirol, Kärnthen und Steyermark für die Erhaltung der Vereinigung mit Deutschland mit Erfolg in Unterhandlung getreten sei,“ kann zur Zeit nur wenig in Betracht kom¬ men, daher am 22. November die konstituirende Reichs¬ versammlung das Reichsministerium auffordert: 1) mit allem Nachdruck dahin zu wirken, daß jener Beschluß vom 3. November zum Vollzug komme, und daß die über Wien verhängten Ausnahmsmaßregeln nach wiederhergestellter Ordnung und Ruhe alsbald aufgehoben werden; 2) durch den neuerlich nach Oesterreich bestimmten Reichskommissär ohne ferneren Aufschub die offene und unumwundene An¬ erkennung der deutschen Centralgewalt, wie die Durchfüh¬ rung der Beschlüsse der konstituirenden deutschen Reichs¬ versammlung in den deutschen Provinzen Oesterreichs zu erwirken. — Das ist endlich einmal eine Frage geradehin gestellt, und muß wohl auch ebenso beantwortet werden, und wir erfahren doch endlich auch: wem wir in Zukunft angehören. Preußen. Berlin. Der Abgeordnete Kirchmann nennt als Bedingungen einer Vergleichung zwischen Krone und Reichs¬ versammlung als die nothwendige Garantie dafür, daß es mit der konstitutionellen Staatsform voller Ernst sei: 1) die Verhaftung der jetzigen Minister und des Generals v. Wrangel und die Ueberweisung derselben an die Gerichte zur Kri¬ minaluntersuchung; 2) die Auflösung des Gardekorps die sofortige Entfernung aller seit dem 9. in Berlin eingerückten Truppen; 3) eine unmittelbare und tägliche Verbindung zwischen den Ministern und der Krone, damit jene die wirklichen und alleinigen Räthe dieser bilden könnten; 4) die Entfernung der ganzen jetzigen reaktionären Umgebung der Krone, sowie die Verlegung des Wohnsitzes Sr. Ma¬ jestät des Königs nach Charlottenburg oder Berlin, damit der König täglich den Berathungen des Staatsministeriums beiwohnen könne. Breslau. Trotz der großen Erregung gegen die Regierung, trotz der lebhaften Sympathieen für Berlin und die noch tagende Nationalversammlung, wie sie in der Bürgerschaft von Breslau unleugbar sind ist diese doch entschieden gegen gewaltsame Schritte, weil sie fühlt, daß solche leicht einen Zustand herbeiführen könnten, aus wel¬ chem der Rückweg zu irgend einem behaglichen Dasein schwerer wäre, als aus der jetzigen bedrückten Lage zur Freiheit. Als daher Schlöffel mit seinen Anhängern, den sogenannten Rothen, einige Tausend für Ungarn bestimmte Gewehre, die eben bei einem Spediteur angekommen wa¬ ren, mit Gewalt sich zueignen wollten, widersetzte sich der davon benachrichtigte Sicherheitsausschuß unter Beistand der Bürgerwehr. Italien. Oesterreichisches. Die Venetianer haben am 19. November aus dem Fort Malghera einen Ausfall ge¬ macht. In Padua war bei völliger Windstille der Donner der Kanonen in der Richtung von Mestre her deutlich zu vernehmen. Er begann gegen 11 Uhr Vormittags, wurde immer heftiger bis 2 Uhr, ließ dann mehr und mehr nach, und war gegen 5 Uhr Nachmittags völlig verstummt. Die Kolonne des Obersten Jellachich, die in Stra und Dolo lag, hatte sich gegen Mestre gewandt, und um 8 Uhr Abends sind 3 Kompagnien Infanterie mit Geschütz in jene Richtung abgerückt, um als Reserve dem Kampfplatze näher sich aufzustellen. Am 20. Vormittags hörte man von Zeit zu Zeit wieder das Brummen des schweren Geschützes, welches jedoch bald wieder verstummte. Positive Nach¬ richten über den Ausgang fehlen noch. Ein siegreicher Erfolg dürfte für unsere Truppen sehr nothwendig sein, da die bedeutenden Schlappen, welche das Cernirungskorps vor Venedig bereits erlitten, einen sehr ungünstigen Ein¬ druck auf die Armee gemacht hat. Man hatte erwartet, daß Radetzky, Herr vom ganzen lombardisch=venetianischen Königreiche, mit Kraft und Nach¬ druck gegen Venedig auftreten werde, und so bleibt es immer noch bei der bloßen Cernirung längs der ungesunden Strecken der terra ferma, welche der Armee bereits weit mehr Opfer gekostet, als die Eroberung des Forts Malg¬ hera, des Schlüsselpunktes der Landseite, gefordert hätte. Zwar wurde schon einmal eine Bewerfung jenes Forts vorgenommen, jedoch mit so wenig Nachdruck und so ge¬ ringen Mitteln, daß dem Venetianer dadurch mehr Zuver¬ sicht und Muth als Schrecken beigebracht wurde. Es fehlt an Geschütz noch mehr als an Truppen. Wie aber der sardinische König den Waffenstillstand zu halten beliebt, zeigt die Erscheinung seiner Flotte in den Gewässern Venedigs. Mit einem Anzeiger Nr. 37. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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